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16. Kapitel Frankreich, Lyon
ОглавлениеAls das Taxi mit den drei Heimkehrern vor dem Hauptgebäude der Interpol in Lyon anhielt und sie die Treppe hinaufstiegen, wurden sie von Betrand Roussel in Empfang genommen. Er bedankte sich bei Mike und Liz für ihren Einsatz und schloss dann glücklich Lea in die Arme. Dabei standen ihm die Tränen in den Augen und er drückte die kleine Dame fest an sich. Auch Lea war den Tränen nahe. Liz und Mike nahmen den Lift nach oben und ließen die beiden alleine. Als sie den Besprechungsraum betraten, stand Michael Korn mal wieder am Fenster und blickte hinaus. Der Bodyguard beachtete die beiden nicht.
Liz stichelte »Wie ich sehe, stehen sie immer noch an der gleichen Stelle. Sind sie dort festgewachsen und wir sollten die Gärtner rufen oder geht es auch so?«
Ohne eine Regung antwortete er »Miss Croll ich bin besser zu Fuß, als sie Zwerg das jemals sein werden und wenn ich mit ihnen den Boden aufwischen soll, um sie danach durch das geschlossene Fenster zu entsorgen, machen sie so weiter!«
»Immer noch auf Krawall gebürstet! Sie sollten morgens die gute Laune Pillen nicht vergessen zu nehmen, dann sind sie vielleicht erträglicher«, motzte sie. Mike verdrehte die Augen.
»Vergessen sie die gute Laune Pillen Miss Zwerg, die haben keine Wirkung. Zyankali könnte helfen, aber das bekomme ich nicht mal in der Apotheke, wenn ich ein Bild von ihnen als Rezept vorlege«, belehrte er sie.
»Charmant wie ein Stahlwerk. Nehmen Sie ein bisschen Watte zu sich, vielleicht erkennt man dann etwas Menschliches an ihnen«, reizte sie ihn weiter.
Ungerührt setzte er nach »Schlucken sie ein paar Löffel Zement und werden etwas härter. Ich habe mir ihre Akten angesehen, wenn sie alle Verbrecher auf der Insel so behandeln nehmen sie die nicht mal Ernst, wenn sie mit einer Waffe vor ihnen stehen.«
Dann zog Liz ihre Trumpfkarte aus dem Ärmel »Wenn sie Isabella so reden hört, wird sie sicher stolz sein!«
Ohne ein Wort zu sagen, drehte sich Korn um, lief mit gesenktem Kopf zur Tür und war aus dem Raum verschwunden. Liz sah die Tränen in seinem Gesicht, als er verschwand.
»Autsch, das tat weh«, kommentierte Mike mit tonloser Stimme.
»Immerhin haben wir damit bewiesen, dass er doch ein bisschen was Menschliches an sich hat, der harte Bursche«, konnte sich Liz ein Grinsen nicht verkneifen.
»Ich glaube nicht, dass die Idee so gut war, Liz. Seine Reaktion zeigt, das da einiges im Argen liegt, und ich bin mir nicht sicher, ob man ihn damit reizen sollte.«
»Mike, ich hab das absichtlich gemacht, weil ich seine Reaktion testen wollte. Es gab nur zwei mögliche Reaktionen. Entweder er hätte mich angegriffen oder er läuft weg. Also kann ich ihn damit einbremsen, wenn er sich mal wieder so benimmt wie eben«, brachte sie hervor.
»Und wenn er dich angegriffen hätte?«, fragte Mike etwas besorgt.
Sie lächelte »Ich war mir zu 99 % sicher, dass er es nicht riskieren würde. Seine Reaktion zeigt aber, dass ihn alleine schon der Name verletzt. Ungefähr vergleichbar mit dir, wenn man den Namen der Stadt in der Türkei erwähnt.«
»War das so wichtig für dich?«, fragte er und zog die Augenbrauen nach oben.
»Erste Regel: Kenne deinen Feind. Zweite Regel: Wisse genau, wo man ihn angreift. Dritte Regel: Wenn du etwas nicht verstehst, beseitige es«, kam von ihr.
Nach einer weiteren halben Stunde betraten Roussel und Lea den Besprechungsraum, den sie für ihre Aktionen in Beschlag genommen hatten. Fragend blickte Roussel in die Runde. Es war ihm anzusehen, dass er nicht verstand, warum nur Liz und Mike hier anzutreffen waren. Erst dachte er, Korn wäre mal wieder eine Zigarette rauchen gegangen, aber als Korn nach 10 Minuten immer noch nicht da war, fragte er nach dem Bodyguard. Liz erklärte ihm, dass sie Korn getestet hatte, indem sie ihm Vorlagen gegeben hatte richtig gemein zu werden, um dann ihre Theorie zu testen. Den Namen erwähnte sie nicht, weil sie Lea keinen Vorteil an die Hand geben wollte, die ja noch ein Gespräch mit Korn überstehen musste. Korns Stärke war es ja anhand der Reaktionen alles zu erfahren. Sie hatte im Flugzeug mit ihr geredet und einiges erfahren, aber einschätzen konnte sie Lea noch nicht richtig. Roussel ließ nach Korn suchen. Es dauerte knapp eine Stunde, bis man ihn gefunden hatte. Lea war gerade auf der Toilette, als Korn mit der grimmigsten Miene die Liz je an einem Menschen gesehen hatte, den Besprechungsraum betrat. Er würdigte sie keines Blickes und stellte sich wieder an seinen Fensterplatz. Auch als Lea wieder in den Raum kam, blieb er unverändert stehen. Die blonde Frau beäugte den Riesen am Fenster argwöhnisch. Sie hatte ihn gegrüßt, als sie ihn sah, aber er blickte nur aus dem Fenster und sagte keinen Ton.
Roussel nahm das Gespräch wieder an sich »Ich habe hier vier Chipkarten für sie. Sie berechtigt zum Zutritt jedes Raums in diesem Gebäude und sie enthält auch ihre Sicherheitsfreigabe für die Computer. Auch im Ausland erhalten sie damit Zutritt zu jedem Polizeigebäude allerdings mussten wir den Namen Lea Enis austauschen. Die Karte ist auf eine Lea Taylor ausgestellt.«
Er hielt jedem seine Karte hin, bis auf Korn griffen alle zu. Er stand weiter nur am Fenster. Man hatte fast den Eindruck, es würde ihn nichts angehen, was um ihn herum passierte. Erst als Roussel ihn eindringlich aufforderte, drehte er sich um. In diesem Moment konnte Liz ihren Augen kaum glauben. Im Gesicht von Korn zeigte sich für eine Sekunde eine menschliche Reaktion. Die galt allerdings nicht ihr, auch nicht Mike oder Roussel, sie galt der kleinen blonden Lea. Dann war die Reaktion auf seinem Gesicht aber auch schon wieder verschwunden. Aber es passierte noch etwas anderes. Korn drehte sich nicht mehr zum Fenster hin, sondern er blieb so stehen, wie er war. Roussel schien das nicht weiter zu verunsichern. Liz beobachtete seine Reaktion sehr genau und erkannte das Korn immer wieder nur eine Millisekunde zu Lea sah und sich dann wieder zwang, seinen Blick auf etwas anderes zu richten.
Roussel wandte sich Korn zu und sagte »Wenn sie Mister Korn, bereit wären für das Gespräch mit Miss Taylor, darf ich sie bitten in den Nebenraum zu gehen. Dort werden sie ungestört ihr Gespräch führen können.«
Wortlos setzte sich dieser in Bewegung und verließ mit Lea im Schlepptau den Besprechungsraum.
Im Nebenraum angekommen setzen sich Lea und Korn gegenüber an den Tisch.
Er betrachtete sie aufmerksam, bevor er begann: »Miss Enis, oder Taylor, wie auch immer ich sie nennen soll, verraten sie mir wie sie zu ihrem Beruf kommen.«
Lea versuchte irgendetwas an seiner Miene ablesen zu können, was ihr aber nicht gelang, als sie anfing zu erzählen »Nennen sie mich bitte Lea. Mein Vater war ein Waffennarr und ich teilte schon als kleines Mädchen seine Leidenschaft. Das fing mit Pistolen für Kinder an, in denen nur Zündhütchen zerplatzten und ging dann über Platzpatronen hin zu richtiger Munition. Das war meine größte Begeisterung und ich habe in unserem Garten unter seiner Aufsicht Tausende Dosen oder andere Gegenstände abgeschossen. Mein größter Traum waren aber immer die Gewehre. Allerdings war es mir, aufgrund meiner Statur, nicht vergönnt diese Waffen beherrschen zu können. Meine Mutter hat mich dann, so lange trainiert damit ich genug Kraft hatte damit zu schießen. Dann wurden meine Eltern ermordet und ich habe mir geschworen, die beiden Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Also habe ich nach ihnen gesucht und sie dann einfach abgeknallt. Darauf wurden einige, nennen wir sie mal zweifelhafte Geschäftsleute, aufmerksam und fragten mich, ob ich gegen Bezahlung nicht auch andere Mörder erschießen würde. Ich sagte dem zu, allerdings nur zu der Bedingung das ich jeden Einzelnen sorgfältig überprüfen würde. Falls ich keine Anzeichen für schwere Verbrechen finden würde, nahm ich den Job einfach nicht an.«
»Haben sie in ihrer Kindheit auf Tiere geschossen?«
»Nein, niemals. Tiere sind Lebewesen, die niemandem etwas tun, also hätte ich meinen Grundsatz verletzt niemanden zu töten, der es nicht auch verdient!«, antwortete sie merklich angewidert bei dem Gedanken.
»Wenn ihnen eine Ratte ins Bein beißen würde, wäre das dann gerechtfertigt sie abzuknallen?«, fragte er.
»Nein, es war ein natürlicher Trieb des Tieres und kein Verbrechen an mir«, schüttelte sie den Kopf.
»Angenommen ich überfiele eine Bank und bei meiner Flucht verletze ich einen Wachmann, weil er mich aufzuhalten versuchte, und sie bekämen den Auftrag mich auszuschalten. Was würde passieren?«
»Ich würde den Auftrag ablehnen. Ein Diebstahl, auch ein Bankraub sind keine so schweren Verbrechen, dass sie einen Mord rechtfertigen würden.«
»Nehmen wir an bei einem unserer Aufträge flieht eine Person, die wir nicht laufen lassen können, weil sie uns erkennen könnte. Was tun sie?«
»Ich jage ihm eine Kugel in den Oberschenkel. Er rennt nicht mehr weg und seine Verletzung heilt wieder problemlos.«
Er sah sie sehr lange an und beobachtete sie genau. Dann stand er auf und sagte »Lass uns zu den anderen gehen.«
Wieder im Besprechungsraum ergriff Korn das Wort »Soweit ich das erkennen konnte, geht von Lea Enis oder Taylor keine Gefahr für das Team aus und sie steht auch voll und ganz hinter der Sache. Ich für meinen Teil bin also damit einverstanden diese Aufgabe anzunehmen.«
Roussel blickte zu Lea und dann zu Korn. Man sah ihm an, dass er froh war, dass es so gelaufen war. Jetzt galt es nur noch Mike und Liz dafür zu begeistern. Der Hacker brauchte nicht lange, um zu überlegen, bevor er schließlich sein Einverständnis gab mitzumachen. Einzig Liz Croll war nicht so einfach dazu bereit.
Sie überlegte lange, bevor sie begann »Ich möchte ehrlich sein. Ich kam hier her, um mir das Ganze anzuhören, und wenn es nichts für mich ist wieder nach Hause zu fahren. Ein neues Team muss zusammen arbeiten können und dazu gehört für mich Vertrauen. Soweit es mich betrifft, kann ich Mike und auch Lea zumindest so weit einschätzen, dass ich es versuchen würde, nur Korn ist für mich ein rotes Tuch. Ich traue ihm nicht wirklich über den Weg und habe auch nicht vor mir die ganze Zeit, seine unflätige Art anzutun. Seine Fähigkeiten stehen außer Frage, aber sein Verhalten ist so ziemlich, das letzte, was ich jemals erlebt habe.«
Roussel warf einen finsteren Blick zu dem Bodyguard, der jedoch verzog keine Miene.
Mike ergriff das Wort und erklärte »Ich hatte als Einziger bereits des öfteren mit Korn zu tun. Er war nie der große Meister in der Kommunikation, allerdings versteht er seinen Job und was er macht, hat Hand und Fuß, auch wenn es anfangs nicht verständlich ist, warum er etwas macht. Wenn er wenigstens ein bisschen an seiner Art arbeiten könnte, zumindest uns gegenüber wäre dem Team schon viel geholfen, oder was denkt ihr?«
Lea grinste in die Runde »Bisher hatte ich keine Probleme mit ihm, er scheint ganz vernünftig zu sein. Das Problem, was ich sehe, ist, und nehmt mir das nicht übel, Liz und Michael sind die beiden Alphas, da kommt es immer zu Reibereien, was normal ist. Die beiden müssen das untereinander klären!«
Mike und Roussel nickten bedächtig während Liz und Korn jeweils den anderen taxierten. Die Spannung im Raum war greifbar. Michael brach als erster das Schweigen »Miss Croll, auf ein Wort.«
Die beiden verließen den Besprechungsraum und gingen in das Zimmer nebenan.
Michael Korn und Liz Croll standen sich wie zwei Gladiatoren gegenüber.
»Ich mag sie nicht, es ist nichts Persönliches, ich mag niemanden. Sie sind nicht in der Lage mit mir zu arbeiten. Mich stört das nicht, sie dafür umso mehr. Mein Vorteil ist das mich keine Gefühle leiten. Ich arbeite objektiv und bin nicht persönlich involviert. Meine Dämonen liegen woanders. Ihre liegen in der Atmosphäre des Teams«, begann er.
»Ihre Dämonen, wie sie sie nennen, liegen in der Vergangenheit. Sie sind ein Arsch und das wissen Sie auch. Mein Problem mit ihnen ist ganz einfach. Wenn ich mit Ihnen zusammen arbeiten sollte muss ich wissen, dass ich mich auf sie verlassen kann. Bisher habe ich noch nie festgestellt, dass so etwas möglich sein könnte. Sie schweigen wie ein Roboter und zeigen, so gut wie keine, normale menschliche Verhaltensweisen. Sie behandeln jeden, dem sie begegnen, als könne er nicht bis drei zählen, andererseits sind sie in der Lage jede Regung bis ins Kleinste zu analysieren, und das in Sekunden. Das sind sehr wichtige Informationen, aber sie behalten sie für sich. Was mich jedoch am meisten stört, ist ihr scheinbar übermenschlicher Wunsch zu sterben. Wenn das so wichtig ist, sollten Sie es vielleicht einfach machen!«, erklärte sie.
»Das habe ich bereits mehrfach getan, und sie haben recht, ich bin schon gestorben. Vor sehr langer Zeit im Übrigen. Mein Verhalten und wie ich mit Menschen im Allgemeinen umgehe liegen darin begründet, dass es mich einen Dreck interessiert wie es ihnen geht. Ich mache meine Arbeit, und die mache ich, so gut ich das kann, gegen alle Widrigkeiten und Widerstände. Wenn ich sie behandle wie ein Schulmädchen, zeigen sie mir mehr Informationen über sich als, wenn ich Ihnen Fragen stelle. Das ist es, was ich mache, jeden Tag rund um die Uhr. Leben sie damit oder lassen Sie es bleiben«, versetzte er ausdruckslos.
»Geben Sie uns Informationen weiter und behandeln sie uns nicht wie den letzten Dreck, dann bin ich bereit es mit Ihnen zu versuchen, andernfalls sind sie nicht geeignet in einem Team zu spielen und mit mir schon überhaupt nicht!«, stellte sie eine Bedingung.
»Meinetwegen, aber stellen Sie nie meine Methoden infrage. Wie ich handle, und warum hat einen Grund. Und bevor ich es vergesse, erwähnen sie nie wieder in meiner Gegenwart den Namen einer gewissen Person. Das geht nicht gut für sie aus!«
»Ich verstehe, das ist ihr Kryptonit«, lachte sie und ging.