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6. Kapitel Vereinigte Staaten, Houston (TX)

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Spe­ci­al Agent Tur­ner lehn­te in ih­rem Leder­ses­sel und hielt ei­nen Mo­no­log über die so­eben ver­haf­te­te Lea Enis. Vor ihr blick­te sie Agent Bloom an, der auf dem un­be­que­men Holz­stuhl Platz ge­nom­men hat­te.

»Mein lie­ber Agent Bloom, ich bin sehr froh, dass wir heu­te Miss Enis aus dem Ver­kehr zie­hen konn­ten. Das alles ist so gut wie allei­ne ihr Ver­dienst. Sie ha­ben die­ses Mons­ter jah­re­lang über­wacht und konn­ten uns den ent­schei­den­den Hin­weis lie­fern, der letz­tend­lich zu ih­rer Er­grei­fung führ­te. In den letz­ten Jah­ren fie­len ihr, nach of­fi­ziel­len Zah­len, die wir auch ih­nen ver­dan­ken, mehr oder we­ni­ger zu­min­dest, na­he­zu 49 Per­so­nen zum Opfer. Hin­ge­rich­tet, möch­te ich bei­nahe sa­gen, in 23 Bun­des­staaten die­ses Lan­des. Die gan­zen Opfer hat­ten ei­nes ge­mein­sam, sie ar­beit­eten für die un­ter­schied­lich­sten Be­hör­den die­ses Lan­des. Bis­her feh­len uns lei­der noch die gan­zen Be­wei­se, wo­her sie ih­re Auf­trä­ge be­kom­men hat, und vor al­lem auf wel­chem We­ge. Die Com­pu­ter­daten durch den von ih­nen ein­ge­schleus­ten Tro­ja­ner er­ga­ben kei­nen ein­zi­gen Tref­fer oder An­halts­punk­te, wo­her die Auf­trä­ge ka­men und wer da­für be­zahlt hat. Sie sind der Held des Jahr­zehnts. Ich mag mir gar nicht vor­stel­len wie sie da­run­ter ge­lit­ten ha­ben müs­sen. Letz­ten En­des ist sie jetzt aber in der Zel­le, be­vor man sie in den näch­sten Ta­gen in ein Hoch­si­cher­heits­ge­fäng­nis ver­legt, in dem sie nach der­zei­ti­ger Schät­zung we­nigs­tens 120 Jah­re ver­brin­gen wird. Dann wä­re sie 150 Jah­re alt, wenn sie raus­kommt. Nur das wird nicht pas­sie­ren, wür­de ich sa­gen. Was ha­ben sie jetzt als Näch­stes vor Agent?«

»Zu­erst möch­te ich ger­ne ei­nen län­ge­ren Ur­laub an­tre­ten, mei­ne Fa­mi­lie be­su­chen, so­wie ei­ne rie­si­ge Par­ty ver­an­stal­ten« lä­chel­te Bloom.

»Wir müs­sen erst noch ih­re Tar­nung rück­gän­gig ma­chen, aber da küm­me­re ich mich be­reits drum. Ge­nie­ßen Sie ih­ren Ur­laub« strahl­te Tur­ner ihn an.

»Ach ei­ne Fra­ge noch Mis­ses Tur­ner, dürf­te ich die Ge­fan­ge­ne noch ein­mal be­su­chen? Ich ha­be da noch ein per­sön­li­ches An­lie­gen, das ich ger­ne mit Miss Enis klä­ren wür­de.« er­wi­der­te Agent Bloom.

Tur­ner über­leg­te ei­nen Mo­ment, be­vor sie die Er­laub­nis gab. Agent Bloom er­hob sich von dem har­ten Stuhl, drück­te sein Kreuz durch, be­dank­te sich mit ei­nem Ni­cken und schloss die Büro­tür hin­ter sich. Auf sei­nem Weg zu den Ver­wahr­zel­len im Un­ter­ge­schoss des Ge­bäu­des muss­te er immer wie­der ste­hen blei­ben, um sich zu orien­tie­ren. Er war seit ei­ner Ewig­keit nicht mehr in dem Ge­bäu­de ge­we­sen. In den letz­ten Jah­ren hat­te sich vieles ver­än­dert.

Un­ten an­ge­kom­men lief er an den er­sten Zel­len vor­bei, die alles­amt leer waren. Erst im hin­te­ren Be­reich ent­deck­te er Lea Enis, die auf ih­rer Prit­sche lag und das Ge­sicht in der krat­zi­gen Woll­de­cke ver­gra­ben hat­te.

Er stell­te sich an die Git­ter­stä­be und pfiff ei­ne lei­se Me­lo­die. Lea, die bis da­hin be­we­gungs­los und schwer at­mend auf der Prit­sche lag, dreh­te den Kopf et­was nach links. Als der Trä­nen­schleier sich lich­te­te, er­kann­te sie, wer da vor ih­rer Zel­le stand, be­vor sie über­has­tet zum Git­ter stürz­te, rief sie »Den­nis!«

Agent Bloom wich zurück und sag­te in ru­hi­gem Ton »Nicht Den­nis, für sie Agent Bloom Miss Enis.«

Lea ver­harr­te ei­ne Se­kun­de, be­vor sie maul­te »Lass die blö­den Scher­ze! Hol mich ge­fäl­ligst hier raus Den­nis!«

Der Agent lä­chel­te und in süf­fi­san­ten Ton merk­te er an »Mein Na­me war noch nie Den­nis Wil­cox, Miss Enis. Ich bin Agent Bloom. Üb­ri­gens bin ich der Grund, dass es uns ge­lun­gen ist sie zu er­grei­fen und der Ge­rech­tig­keit zu über­ge­ben.«

Le­as an­sons­ten blas­ses Ge­sicht än­der­te die Far­be in ein dunk­les Rot. Sie keif­te »Wenn ich hier raus bin, wirst du der er­ste Mord mei­ner Kar­rie­re den ich un­be­zahlt, aber mit höch­ster Be­frie­di­gung, lang­sam und qual­voll er­le­di­gen wer­de. Ich ver­spre­che dir, dass ich, wenn nö­tig, mein ge­sam­tes Ver­mö­gen aus­ge­be, um dei­ne Qua­len ewig zu ver­län­gern!«

»Da­raus wird wohl lei­der nichts, denn sie wer­den bis zum letz­ten Atem­zug hin­ter Git­tern ver­brin­gen.« lach­te Bloom.

Dann wand­te er sich um und ver­ließ das Un­ter­ge­schoss oh­ne ein wei­te­res Wort.

Lea konn­te es nicht fas­sen. Ihr Freund, den sie seit 8 Jah­ren an ih­rer Sei­te wuss­te, war ein Agent des FBI. Wie hat­te sie das nur all die Jah­re über­se­hen kön­nen?

Lea Enis war seit frü­hes­ter Kind­heit mit Waf­fen auf­ge­wach­sen. So­lan­ge sie den­ken konn­te, hat sie immer ir­gend­wie den Ab­zug ge­drückt. Als klei­nes blon­des Mäd­chen in Te­xas, als ihr Vater noch leb­te, hat­te sie erst Spiel­zeug­waf­fen in den Fin­gern, die durch klei­ne Zünd­hüt­chen ei­nen Knall ab­ga­ben. Mit zar­ten 8 Jah­ren hat­te sie das er­ste Mal ei­ne ech­te Waf­fe in der Hand und dürf­te un­ter der Auf­sicht ih­res Vaters mit Platz­pa­tro­nen auf ima­gi­nä­re bö­se Buben schie­ßen. Mit 11 durf­te sie das er­ste Mal in ih­rem Le­ben mit schar­fer Mu­ni­tion auf Ge­trän­ke­do­sen an­le­gen. Nach­mit­tags, wenn die Schu­le zu En­de war, üb­te sie auf ih­rer Plays­ta­tion das an­vi­sie­ren. So­bald dann ihr Vater zu Hau­se war, durf­te sie im Gar­ten, oder bei Re­gen auf der Ter­ras­se auf Tausen­de Zie­le schie­ßen. Ih­re Mutter brach­te ihr auto­ge­nes Trai­ning bei, was die Kon­zen­tra­tion stei­ger­te und ließ sie die Mus­keln der Ar­me trai­nie­ren. Lea Enis wur­de nur 1,58 m groß und wog bis heu­te nur knap­pe 45 Kilo­gramm. Sie war schon immer zier­lich, aber ihr Ziel war es, die gro­ßen Ge­weh­re ab­zu­feu­ern, die mit dem Rück­stoß für sie ein­fach nicht zu hal­ten waren. Viele Jah­re trai­nier­te sie wie ei­ne Be­ses­se­ne ih­re Mus­keln und die Hal­tung der Waf­fe bis sie mit 17 zum er­sten Mal mit ei­nem Ge­wehr auf weiter ent­fern­te Zie­le ihr Kön­nen un­ter Be­weis stel­len konn­te. Mit 19 Jah­ren muss­te sie mit­er­le­ben, wie ih­re Eltern ge­tö­tet wur­den. Sie kann­te die Män­ner nicht die ih­re Eltern um­ge­bracht ha­ben, bis es ihr mit­hil­fe ei­ni­ger Freun­de ge­lang, sie aus­fin­dig zu ma­chen. Sie über­leg­te sich ei­nen ge­nau­en Plan wie sie die bei­den, wann und wo, aus si­che­rer Ent­fer­nung er­le­di­gen konn­te. Die­se er­sten Mor­de blie­ben nicht un­be­merkt. Gut, die Cops tapp­ten im Dun­keln und waren nie in der La­ge das alles ir­gend­wie auf­zu­klä­ren. Aber ei­ni­ge Ge­schäfts­leu­te er­fuh­ren durch un­durch­sich­ti­ge Ka­nä­le da­von. Sie en­ga­gier­ten die jun­ge Frau für ei­ni­ge Mor­de. Aller­dings blieb ihr Grund­satz immer gleich. Sie wür­de nie ei­nen un­schul­di­gen Men­schen er­schie­ßen. Sie über­prüf­te je­den ein­zel­nen Auf­trag bis zu den dun­kel­sten Hin­ter­grün­den, be­vor sie los­zog, um sie zu eli­mi­nie­ren. Ih­re Auf­trä­ge be­zog sie über ei­nen to­ten Brief­kas­ten im Mu­se­um of fi­ne Arts in Hous­ton. Die Be­zah­lung ih­rer Dien­ste lief eben­falls über To­te Brief­kas­ten in Hous­ton.

Und jetzt saß sie in die­sem Loch, weil sie ei­nem ver­deck­ten Er­mitt­ler auf den Leim ge­gan­gen war, der es ge­schafft hat­te, ihr Herz zu steh­len. Sie muss­te raus aus dem Loch, die gro­ße Fra­ge war nur wie.

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