Читать книгу Projekt Lucien - Matthias Boden - Страница 26
Dominikanische Republik, Cabarete
ОглавлениеEs war früh am Morgen, als Lea und Korn mit dem kleinen Mietwagen durch Cabarete fuhren. Die Luft wurde bereits wieder aufgeheizt und begann langsam zu flimmern. Die Dominikanische Republik lag noch verschlafen im Schatten, aber bald würde das bunte Treiben auf den Straßen wieder starten. Ein Paradies für Urlauber, für das die beiden Interpol Agenten leider keine Zeit hatten. Lea checkte auf dem Beifahrersitz noch einmal ihre Ausrüstung und Korn hielt etwas verkrampft das Lenkrad in der Hand. Sein Blick fiel stur geradeaus, und bis auf die Windgeräusche von außen und das gelegentliche Klacken, das von Lea kam, war es still. Seit dem Abflug aus Lyon hatten beide nur noch Geschäftliches besprochen. Lea hatte mehrfach versucht, nachzuhaken und Michael zu einem Statement zu bringen, doch er war stumm geblieben wie ein Fisch. Es störte sie, dass aus Korn nichts herauszukriegen war.
»Wie heißen die beiden halben Hähnchen die ich zum Frühstück bekomme eigentlich Lea?«
»Goran Buric, ein Materialforscher und Kor Onut, ein Energieforscher.«
»Wie weit bist du mit deiner Ausrüstung? In ein paar Minuten werden wir da sein«, fragte er.
»So weit fertig eigentlich. Ich hoffe, ich kann heute einigen bösen Jungs in den Kopf ballern.«
Er schüttelte den Kopf »Wir sind nicht hier, um welche umzulegen, sondern um sie auszufragen. Wenn man uns angreift, wovon ich derzeit eher nicht ausgehe, solltest du sie kampfunfähig machen, damit ich mir die Bübchen vornehmen kann. Ich will wissen, wer da hintendran die Fäden zieht.«
»Schade eigentlich. Irgendwelche Einwände, wenn ich eventuelle Angreifer so an ballere das sie zwar reden können, aber nie mehr jemandem etwas tun können?«
»Was hast du vor Lea?«
»Nicht viel, ich schieß ihnen den Knöchel kaputt, oder so in den Fuß, dass gehen, nur noch am Stock möglich ist. Wär das Okay für dich?«
»Damit kann ich leben«, antwortete er.
Die Straße, in die sie einbogen, hatte ihre besten Zeiten schon lange hinter sich. Der Asphalt war brüchig und die dichten Schlaglöcher waren tief. Slalom um die Vertiefungen war nicht mehr möglich. Korn musste fast mit Schritttempo fahren, um die Stoßdämpfer des Mietwagens zu schonen. Trotzdem schaukelten die beiden Insassen hin und her. Das Haus in dem Roussel die beiden Wissenschaftler versteckt hatte, war ein eher moderneres Gebäude. Der kleine Vorgarten war von bunten Blumen überzogen, deren Blüten die aufgehende Sonne reflektierten. Ein sandfarbener Anstrich ließ das zweistöckige Haus fast mit dem Hintergrund verschmelzen. Korn sah sich das Gebäude aus dem Mietwagen, den er gegenüber geparkt hatte, lange intensiv an. Dann stieg er aus und blickte sich auf der Straße um. Alles war ruhig. Er ging auf Lea zu, die ebenfalls ausgestiegen war, und sagte »Siehst du da hinten den kleinen Hügel Lea? Ich denke, das ist die perfekte Position, um in Deckung zu gehen. Egal wer oder was sich nähert, solltest du von dort sehen können, was meinst du?«
Lea blickte zu dem Hügel hinüber und nickte »Ich glaube, du hast recht. Gib mir einige Minuten, um in Position zu gehen.«
Korn griff in seine Tasche und zog ein Döschen hervor, das er Lea reichte.
»Das sind Funkempfänger Lea. Einfach ins Ohr stecken und wir sind verbunden. Gib mir Bescheid, wenn du so weit bist, und falls sich was nähert, informiere mich umgehend, OK?«
»Cool, ich hab das bisher immer mit einem Headset geregelt, war allerdings nicht ganz so verlässlich.«
»Neueste Technik. Glasklarer Empfang bis zu 800 m Entfernung und abhörsicher.«
»Heißt, dass ich kann alles mithören, was ihr da drin redet?«, fragte sie.
Er nickte »Du hörst jedes Wort mit. Los jetzt, wir haben keine Zeit zu verlieren.«
Lea schulterte ihre Ausrüstung und lief zu dem Hügel, während Korn seine Glock, die er im Schulterholster bei sich trug, durchlud. Wenig später hörte er über den Empfänger in seinem linken Ohr, das Lea in Position war, und soweit alles ruhig. Er atmete noch einmal tief durch und überquerte die Straße. Vor dem Eingang blieb er stehen und rammte seinen Zeigefinger auf die Klingel. Ohne die Glocke loszulassen, blieb er stehen bis ein schüchterner Alter Mann in hellen Leinenhosen und dunklem Poloshirt die Tür öffnete. Er rieb sich noch verschlafen die Augen als Korn ihn einfach in den Hausflur zurückdrängte und die Tür hinter sich zuwarf.
»W-w-wer sind sie?«, stotterte der Alte ängstlich.
»Man könnte mich als Luxusproblem bezeichnen, Mister Buric wie ich am Dialekt höre. Wo steckt ihr Kollege Onut?«
»Ich bin hier! Keine Bewegung sonst werden sie nur noch einen Knall hören«, drohte eine jüngere Stimme hinter ihm.
»Stecken sie das Spielzeug weg, ich möchte sie nicht unbedingt verletzen müssen, bevor sie mir sagen, was ich wissen will«, lachte Korn.
»Dieses Spielzeug macht hässliche Löcher«, sagte die Stimme hinter ihm.
Blitzschnell drehte Korn sich um, schlug gegen den Unterarm, der die Waffe hielt, die darauf hin polternd zu Boden fiel, und schnappte den überraschten Mann mit der linken Hand am Kragen. In einer eleganten Drehung warf er den jungen an Buric vorbei zu Boden. Michael blickte kurz zu der Waffe, die am Boden lag und lachte.
»Eine Schreckschusspistole macht keine Löcher Mister Kokosnuss, und bevor sie abdrücken könnten, müssen sie die Waffe entsichern. Hat sich wohl noch nicht bis in die Türkei herumgesprochen. Nehmen sie Haltung an oder krabbeln sie zu der Couch im Wohnzimmer, dann kommen wir zum spaßigen Teil der Veranstaltung«, brummte Korn amüsiert.
Leise hörte er Lea durch den Funkempfänger in seinem Ohr kichern. Korn trat auf die beiden verdutzten Wissenschaftler zu und betrachtete die nähere Umgebung. Es war ein offen gebautes Haus. Links von ihm führte eine Treppe in einem 90 Grad Winkel zur oberen Etage hinauf. Vor ihm erstreckte sich ein offen gehaltenes Wohnzimmer mit einem Tisch, um den vier Holzstühle standen, ein bequem wirkendes Sofa stand vor einem LCD Fernseher, der an der Wand hing und rechts stand eine Kochinsel mit Gasherd. Dahinter führte eine kleine Tür in ein hellblau gefliestes Badezimmer. Buric war für seine 60 Jahre noch ganz schön drahtig gebaut. Die tiefen Falten in seinem Gesicht und die schlohweißen Haare, die wie ein Heiligenschein um seine unbehaarte Kopfhaut wucherten, gaben ihm das Aussehen eines netten Großvaters. Die tief liegenden graubraunen Augen versteckten sich hinter einer schlanken Brille, die er auf seiner Nasenspitze balancierte. Kor Onut, war gerade mal halb so alt wie der Alte. Ein kleiner Untersetzer Typ mit pechschwarzen Haaren, die er wohl in Unmengen Haargel zu ertränken versuchte. Buschige Augenbrauen über den eher hervorstehenden dunklen grünen Augen gaben ihm das Aussehen eines Falken. Die fleischige Nase wirkte wie ein Fremdkörper in seinem goldbraun, schimmerndem Gesicht. Mühsam rappelte er sich auf und wollte einen erneuten Angriff auf Korn starten als er seinen Kopf wie ein Stier nach unten beugte. Korn schlug ihm einen linken Haken auf die Niere, bevor er ihn wie einen guten Freund mit seinen Armen umfing und so am Fallen hinderte.
»Du möchtest nicht den ganzen Tag mit mir tanzen Kokosnuss. Es sei denn, dir liegt nichts an deinen Harnwegen und du stehst auf Schmerzen. Pack deinen fetten Arsch auf das Sofa und entspann dich«, knurrte ihm Korn ins Ohr.
Keuchend wie eine Dampflok und mit schmerzverzerrtem Gesicht wankte der türkische Wissenschaftler auf die Couch zu und fiel mit einem Ächzen in das Polster. Buric folgte ihm und setzte sich, rechts neben seinen Kollegen, als er noch einmal fragte »Wer sind sie, und was wollen sie?«
»Mein Name ist Korn. Ich komme von Interpol und werde ihnen beiden Fragen stellen, die sie mir ausführlichst beantworten werden. Wenn ich merke, dass sie Spielchen mit mir treiben wollen sorge ich für eine Unterbringung im miesesten Krankenhaus der ganzen Karibik und mache den Ärzten klar, dass sich Morphium bei ihnen nicht lohnt.«
»Aber Bernand Roussel von Interpol hat uns hierhergebracht, damit wir in Sicherheit sind«, widersprach Buric
»Das ist richtig, nur Roussel wusste nicht, dass sie uns wichtige Informationen vorenthalten. Deshalb musste ich den Atlantik überqueren, um mit ihnen beiden halben Portionen ein ernstes Wort zu reden. Dass ich nicht gerade gerne hier bin, dürfen sie mir glauben. Meine Kollegin und ich hätten auch Besseres zu tun.«
»Wir enthalten ihnen keine wichtigen Informationen. Alles, was sie wissen müssen haben wir ihnen bereits gesagt!«, monierte Onut.
»Alles, was wir wissen müssen vielleicht, uns geht es aber um die Informationen, die wir ihrer Meinung nicht wissen müssen.«
»Mister Korn, diese Informationen sind unsere Lebensversicherung! Glauben sie wirklich, wir würden sie einfach so ausplaudern, wenn jemand hier ankommt?«, jammerte Onut und stand auf, drehte sich zu Buric um und sagte »Goran, du auch einen Kaffee? Wir wurden ja so unsanft vor dem Frühstück gestört.«
»Gerne Kor«, sprach Buric vergnügt und fügte dann hinzu »Unser flegelhafter Gast bekommt aber keinen.«
»Opa, falls ich eben zu undeutlich gewesen sein sollte, sag ich es noch mal verständlicher für sie beiden Nullnummern. Ich will jede Einzelheit wissen und die werde ich auch erfahren. Mir ist es vollkommen egal, welche Knochen ich ihnen brechen muss oder welche Organe ich ohne Betäubung aus ihren verweichlichten lebenden Hüllen herausnehme. Haben sie das jetzt begriffen?«
Onut hatte in der Zwischenzeit zwei Tassen mit Kaffee gefüllt und kam zu der Couch zurück. Er reichte Buric eine Tasse, setzte sich wieder und trank einige große Schlucke.
»Jetzt ist der Kaffee schon fast kalt. Probier mal Goran, schmeckt irgendwie komisch. Oder das liegt an dem Besuch heute Nacht der den Geschmack beeinträchtigt.«
Buric führte die Tasse zur Nase. »Riecht wie normaler Kaffee«, meinte er lapidar und kippte sich die Tasse fast in einem Zug in seinen Schlund.
»Schluss jetzt mit dem Kaffeekränzchen für die Halbaffen. Jetzt werden wir sie beiden mal auf links ziehen!«, polterte Korn.
Buric und Onut wurden mit einem Mal weiß wie eine frisch gestrichene Wand. Jegliche Farbe war aus ihren ohnehin bleichen Gesichtern gewichen. Der türkische Wissenschaftler riss den Mund auf und schnappte nach Luft bevor er nach links kippte. Buric zog eine Fratze und sank in sich zusammen. Beide waren auf der Stelle tot. Korn sah irritiert auf die beiden Körper herab. Er griff an den Hals von Buric, um nach dem Herzschlag zu tasten, aber da war nichts mehr.
»Lea, hast du draußen irgendwas bemerkt?«, fragte Korn.
»Nein, hier war alles ruhig bis auf einen Touristen, der mit seinem Köter die Straße lang ging«, kam sofort die Antwort.
»Unsere beiden verkappten Nobelpreisfuzzis sitzen tot auf der Couch«, resignierte Korn.
»Wie jetzt? Du hast ja nicht mal angefangen, die beiden auseinanderzunehmen.«
»Mir scheint, da war Gift im Kaffee. Du kannst deinen Posten draußen aufgeben. Komm rein, wir durchsuchen den Laden. Vielleicht finden wir ja etwas, was uns weiterhilft«, meinte Korn, während er bereits mit seinen Augen den Raum absuchte.
»Hat einer der beiden nicht von einem Besuch heute Nacht gesprochen?«, fragte Lea als sie aufstand und ihre Ausrüstung über die Schulter warf.
»Du hast recht Lea. Ich dachte, der Arsch meint mich damit, weil wir so früh hier waren«, stutzte Korn.
Der Bodyguard durchsuchte die beiden leblosen Körper. Alles, was er fand, war ein Päckchen Zigaretten sowie ein kleines silberfarbenes Feuerzeug in der Tasche des Älteren. Lea klingelte. Michael öffnete die Haustür. Sein Blick senkte sich über seine Kollegin und er verharrte eine Sekunde länger als nötig, bevor er einen Schritt zur Seite machte, um sie eintreten zu lassen. Sie schien es bemerkt zu haben, sagte aber nichts. Beide durchsuchten gründlich das ganze Haus fanden aber keine Aufzeichnungen oder irgendetwas Brauchbares. Korn setzte sich an den Laptop, der auf dem Tisch stand und startete ihn. Aber auch nach längerer Wartezeit war kein Betriebssystem geladen. Er sagte zu Lea »Jemand hat wohl die Festplatte mitgenommen oder gelöscht, wir sollten Banks das Gerät an den Kopf werfen, vielleicht kann er ja was damit anfangen.«
Sie kicherte leise bevor sie sagte »Du magst ihn nicht besonders, oder? Hat er auch versucht, bei dir zu landen, obwohl du gar nicht aussiehst wie eine Frau?«
»Das wäre mir egal gewesen. Er hat bei einem Job seinen Posten verlassen, eine Minderjährige in seinem stinkenden Van gevögelt und die Jungs mit dem MG's die bereits draußen warteten nicht beachtet. Deswegen habe ich mehrere gute Männer verloren und zwei Zielpersonen wurden getötet«, antwortete er trocken.
»Sieh es positiv, du hast überlebt Michael«, lächelte sie.
»Ich hätte mir gewünscht, das dem nicht so ist«, sagte er und bedachte sie mit einem Blick, den sie nicht deuten konnte.
Mit großen Augen sagte sie »Du hättest dir gewünscht, dort zu sterben?«
»Ich bin schon lange vorher gestorben Lea.«
»Nein, ich kann sehen, dass etwas in dir gestorben ist, was dich runterzieht, aber es kommen auch wieder bessere Tage.«
»Lea, ich … ach verdammt!«, schrie er und hämmerte seine Faust gegen die Wand hinter dem Tisch. Dort wo er getroffen hatte, blieb ein Abdruck zurück, aber es war noch etwas anderes zu hören. Es klang wie eine zitternde Metallplatte. Lea hatte erst gedacht, er würde sie angreifen und wich etwas zurück, aber dann sah sie, das der Angriff nicht ihr galt. Sie hatte wohl ein Thema erwischt, über das Korn nicht reden wollte oder konnte. Er allerdings vernahm das zitternde Geräusch und schaute reglos zur Wand. Sie sah ihm an, dass er nicht einordnen konnte, woher das Geräusch kam. Korn hämmerte erneut gegen die Wand. Wieder dieses Geräusch.
»Irgendwas ist in der Wand verborgen Lea. Wir suchen alles genau ab!«, rief er und begann jeden Millimeter der Oberfläche abzutasten. Lea tat es ihm gleich, als sie ihren kurzen Schock überwunden hatte. Nachdem sie die komplette Wand untersucht hatten, waren sie auf nichts gestoßen. Korn tippte mit den Fingern auf die Wand. Man sah ihm an, dass er überlegte, was zu tun war. Er zog seine Glock aus dem Schulterholster, warf das Magazin aus und leerte die Patronenkammer. Dann begann er mit dem Griff die Wand abzuklopfen. Lea tat es ihm gleich. An einer Stelle nahe der Decke klang es hohl, aber es war nichts zu sehen, was auf ein Versteck hingedeutet hätte. Korn blickte auf und sagte »Was ist da obendrüber?«
»Ähm, das Badezimmer glaube ich!«, sagte sie.
Korn rannte die Treppe hinauf. Lea folgte ihm. Es war tatsächlich das Badezimmer. Korn warf sich auf die Knie und suchte die hellen Fliesen oberhalb des Bodens ab. Zwischen der Dusche und der Toilette stand ein offenes Regal. Korn warf es achtlos hinter sich in den Raum. Wo es gestanden hatte, fiel sein Blick auf vier Fliesen, die wie der Zugang zu einem Ablauf aussahen. Er riss daran herum, bekam es aber nicht auf. Kurzerhand nahm er seine Waffe und zertrümmerte die Fliesen. Eingelassen in der Wand kam eine Stahlröhre zum Vorschein, die nach unten führte. Sie war zu eng als das Korn seine mächtigen Hände reinbekommen würde. Er stand auf um Lea, die hinter ihm stand, Platz zu machen. Die kleine blonde Frau hatte die deutlich kleineren Hände. Vorsichtig griff sie in die Öffnung und zog eine kleine SSD Festplatte heraus. Triumphierend streckte sie den Arm gen Himmel und rief »Ich verwette meinen süßen Arsch darauf, das wir die Daten gefunden haben!«
»Ich bin mir nicht sicher«, brummte Korn, »lass uns erst herausfinden, was wir da gefunden haben.«