Читать книгу Projekt Lucien - Matthias Boden - Страница 4
Оглавление1. Kapitel
Deutschland, Köln
Michael Korn saß auf einem Korbstuhl vor der Cafeteria Kölle und beobachtete mürrisch die umherwandernden Menschen in der Kölner Innenstadt. Er rauchte eine Zigarette, deren Qualm er in die Mittagssonne blies. In seinem schwarzen Shirt und den ebenfalls schwarzen Cargohosen scannte er mit seinen blauen Pupillen die Umgebung. Wie hatte es nur so weit kommen können? Er, der ehemalige Bodyguard der Regierungsvertreter war gekündigt worden. Nur, weil er dem Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen etwas unsanft den Ellenbogen ins Gesicht gerammt hatte. »Was kann denn ich dafür, wenn der Idiot seinen Kopf ausgerechnet da hinhält, wenn ich gerade zur Waffe greife.«, dachte er bei sich. Politiker, das mieseste Pack, das man sich vorstellen kann. Lügen wie gedruckt und träumen ihre Allmachtsfantasien, die kein normaler Mensch mehr versteht. Zu allem Überfluss gab es auch noch eine Anzeige wegen Körperverletzung. Als der Ministerpräsident ihm das sagte, stand Korn nur da und bedachte ihn mit einem finsteren Blick, bevor er zu ihm meinte: »Wo nichts ist, kann man auch nichts verletzen, du Brathahn. Außerdem solltest du dich vorsehen, sonst mach ich Ernst und stoße dich aus deiner Armani-Gardine!«. Manchmal sollte er sich vielleicht doch zu einer normalen Kommunikation herablassen, aber diese Fähigkeit war bei ihm schon lange nicht mehr abrufbar. Sein ganzes bisheriges Leben stand nicht unter einem guten Stern. Und wieder einmal glitten seine Gedanken dreißig Jahre in die Vergangenheit. Mühsam kämpfte er die Tränen aus seinen Augen und versuchte, an etwas anderes zu denken. Er drückte seine Kippe im Aschenbecher aus und nahm einen letzten Schluck von seinem Kaffee. Michael erhob sich und ging auf die nahe gelegene Polizeiwache zu. Die Menschen vor ihm teilten sich wie ein Vorhang. Er war eine imposante Erscheinung und besaß eine gewisse natürliche Autorität, mit seinen wachen Augen und den harten Gesichtszügen. Ruhig betrat er die Wache und meldete sich am Schalter. Die junge Polizistin dahinter warf ihm einen abschätzigen Blick zu, bevor sie zum Hörer griff und eine Nummer wählte. »Ihr Besucher ist hier!«, flötete sie in den Hörer. Nach einer kurzen Pause fügte sie »Natürlich Herr Präsident!«, hinzu und legte auf. »Nehmen Sie bitte einen Augenblick Platz, sie werden abgeholt«, hörte er sie sagen, bevor sie sich wieder ihrem Monitor widmete.
Korn blieb lieber stehen und wartete einige Minuten, bevor ein Mann mittleren Alters in einer schmucken Uniform ihm die Hand reichte. »Mein Name ist Waldschmidt Herr Korn! Ich bin der Polizeipräsident und habe sie hergebeten, weil mich eine Nachricht aus Lyon erreicht hat. Bitte folgen Sie mir«, krächzte er mit etwas heiserer Stimme.
Korns Stiefel quietschten auf dem hellgrauen Linoleumboden, als er dem Präsidenten in ein ärmlich eingerichtetes Besprechungszimmer folgte. Die Tür fiel mit einem leichten Klicken wieder in das Schloss und Waldschmidt forderte Michael, auf Platz zu nehmen. Bevor der Präsident etwas sagen konnte, ergriff Korn das Wort. »Was zum Teufel habe ich denn mit Froschschenkeln zu tun? Mein einziger Aufenthalt bei den Schneckenschlachtern endete in einem Fiasko, als drei meiner Kollegen in einem Kugelhagel sterben mussten und ich leider überlebt habe. Das ist aber auch schon fünfzehn Jahre her. Ist denen jetzt eingefallen, dass ich damals das Croissant vor dem Oberpfosten auf den Boden getreten habe und sie mir jetzt einen Aufenthalt im Knast spendieren wollen?«.
»Nein Herr Korn, es geht nicht um damals und hat mit der Polizei in Paris überhaupt nichts zu tun«, entgegnete Waldschmidt »Man hat mich gebeten Sie, und nur sie zu mir zu bestellen und ihnen einen Brief auszuhändigen. Allerdings nicht von der Polizei, sondern von Interpol, die ihren Hauptsitz in Lyon hat.«
Ungläubig starrte Korn den Präsidenten an und sah ihn eine Mappe aufschlagen, aus der er einen Briefumschlag zog und ihm übergab.
»Den Inhalt dieses Briefs kennt nur Interpol selbst, aber es ging dabei um einen Job, den man ihnen anbieten möchte«, erklärte er.
Korn nahm den Briefumschlag, sah ihn sich fragend an, bevor er ihn öffnete. Darin befand sich eine Nachricht sowie ein Flugticket nach Lyon, ausgestellt auf seinen Namen. Die Nachricht lautete:
Herr Korn,
bitte besuchen Sie uns in der Interpol Zentrale in Lyon. Wir haben einen Job für sie und würden ihnen gerne alles Weitere persönlich erklären. Die ganze Angelegenheit muss vertraulich bleiben.
Bernand Roussel, Interpol.
Fassungslos steckte Michael Korn den Briefumschlag in seine linke Beintasche und betrachtete Waldschmidt der etwas unruhig auf seinem Stuhl saß. In seinem Kopf wirbelten die Gedanken, während sich seine Miene verdunkelte. Er konnte es nicht glauben. Ein Jobangebot von Interpol. Ist das die Belohnung, wenn man einem Ministerpräsidenten die Nase bricht?
Großbritannien, London
»Hände hinter den Kopf und ganz langsam umdrehen« zischte Liz dem Jugendlichen zu, der versucht hatte einen Kiosk auszurauben, nur bewaffnet mit einem Taschenmesser aus der Schweiz. Der Junge drehte ihr langsam den Rücken zu und hatte seine Finger ineinander verschränkt in den Nacken gelegt. Die Powerfrau steckte ihre Waffe zurück ins Holster und nahm die Handschellen vom Gürtel. Vorsichtig trat sie auf den kaum 1,70 m großen Jugendlichen zu, der so viele Bolzen im Gesicht hatte, um einen zweiten Eiffelturm nieten zu können. Mit der Schulter donnerte sie ihn gekonnt gegen die Wand und fixierte die von Narben übersäten Arme hinter dem Rücken. Dann trat sie etwas zurück und griff sich das Funkgerät. »Ich hab ihn eingesammelt, ihr könnt ihn jetzt holen.« Murmelte sie und behielt den jungen im Blick.
Etwas später stand Liz vor ihrem Streifenwagen, rauchte genüsslich eine Zigarette in dem diesigen und leicht verregneten Londoner Sommer. Plötzlich knackte ihr Funk und eine quälende Stimme erklang: »Croll, kommen sie zum Hauptquartier und melden sie sich umgehend beim Chief!«
Seufzend trat sie die Zigarette auf den Pflastersteinen aus, blies noch einmal den Rauch vor sich hin und bestätigte den Funkspruch. Was will der Alte nur wieder von mir, ärgerte sie sich im zähen Verkehr auf der regenreichen Insel. Sie war eine der besten der ganzen Truppe geworden, trotz ihres Handicaps mit nur knapp über 1,60 m Größe unter den ganzen Rekruten mit Gardemaß. Vor dem Hauptquartier stellte sie den Streifenwagen ab, verschloss ihn ordnungsgemäß und bewegte sich zielstrebig zum Büro des Chiefs. »Herein!« Bellte die dunkle Stimme ihres Vorgesetzten, als sie geklopft hatte. Liz öffnete die Tür und trat in das kleine Büro.
Chris Williams sah zu ihr, legte seinen Stift auf den Mahagonischreibtisch und sagte in ruhigem Ton »Ah, da sind sie ja endlich Croll. Setzen Sie sich, ich habe etwas mit ihnen zu besprechen!«
Liz setzte sich auf den Besucherstuhl und versuchte, die Miene ihres Chefs zu durchdringen.
»Sie haben mal wieder ganze Arbeit geleistet« begann der Chief. »Allerdings sieht es so aus, als ob ihre Tage in London gezählt sind Croll«
Liz war verwirrt. Ihre Tage in London gezählt? »Wie denn das Chief? Hab ich was falsch gemacht?«, fragte sie mit einem Vorwurf in der Stimme.
»Aber nein Croll, sie haben nichts falsch gemacht und ich wäre froh, wenn ich das über die meisten hier sagen könnte, aber um ehrlich zu sein, gibt es eine Entwicklung, von der sie vermutlich überrascht sein werden. Ich habe eine Nachricht von einem gewissen Bernand Roussel von Interpol bekommen. So wie es aussieht, will man sie dort haben. Wofür weiß niemand, aber es scheint geheim zu sein, weil sich wirklich alle darüber ausschweigen. Sie fliegen übermorgen von Heathrow nach Lyon rüber und werden aufgeklärt, worum es sich handelt. Ihr Flugticket habe ich bereits hier!«
»Soll das ein Witz sein? Ich habe mich nirgendwo beworben und will auch nicht in ein Büro gesetzt werden nur, um irgendwelche Stellen überall auf der Welt mit Informationen zu versorgen«, platzte es aus Liz heraus.
»Das ist kein Scherz. Es ist aber auch ihre Entscheidung, ob sie den Job bei Interpol annehmen. Ich würde sie gerne hierbehalten, das können Sie mir glauben. Es ist nur ein Angebot und niemand weiß genau, worum es geht. Also fliegen sie nach Südfrankreich, hören sich das an und treffen dann ihre Entscheidung. Ihre Stelle hier ist ihnen sicher, wenn sie ablehnen.« Beruhigte sie Williams.
»Wer ist eigentlich dieser Roussel? Hat der was zu melden?«, fragte sie etwas lauter als beabsichtigt.
Chris Williams blickte sie lange an, bevor er schließlich hervorbrachte: »Ich habe mich informiert und dieser Roussel ist der Boss von Interpol. Ein Franzose, mehrfach ausgezeichnet, mittlerweile schon an die 60 Jahre alt und hat den Laden schon seit 13 Jahren in seiner Hand. Und über Interpol steht niemand mehr. Diese Stelle wird von niemandem kontrolliert. Selbst die Politik hat da nichts zu entscheiden. Völlig unabhängig.«
»Okay, ich werde mir das mal anhören Chief«, antwortete Liz kleinlaut.