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Kapitel 8 - Das Bootshaus

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Als er den Waldsee schließlich erreichte, hatte Valentin endgültig genug. Keinen Meter wollte er mehr mit dieser verfluchten Kiste gehen. Achtlos warf er sie auf den Boden und hielt seine geschundenen Hände ins Sonnenlicht. Bei 30 Grad an den Händen zu frieren, das konnte auch nur ihm passieren. Kuntz hingegen schien die Beute zu gefallen. Er beschnupperte sie und leckte sich gierig übers Maul. Er war offenbar der festen Überzeugung, man hätte darin ein kühles Bier für ihn versteckt.

"Hau endlich ab", keuchte Valentin. "Ich versenke das blöde Ding jetzt sowieso gleich im See."

Erschöpft ließ er sich auf den Boden fallen und blickte in den strahlend blauen Himmel. Endlich Ruhe, dachte er. Dann schloss er die Augen, atmete tief ein und wieder aus. Und als er seine Augen wieder öffnete, blickte er auf rauschende Büsche und Sträucher - und die vergammelte Fassade eines alten Bretterverschlags.

Von Menschen vergessen, von Büschen gefressen ist ein Spruch, der sich immer dann anbietet, wenn sich menschliches Werk mit dem Wurzelwerk misst. Die Pflanze gewinnt immer, weil sie den entscheidenden Vorteil auf ihrer Seite hat: Die Zeit.

Das alte Bootshaus konnte jedenfalls ein Lied davon singen. Das Ding war eine Art Synonym für das Siechtum geworden. Wobei der Begriff Bootshaus schon jeder Beschreibung spottete. Valentin kannte diese Bruchbude. Sie bot gerade einmal Platz für ein Paddelboot. Ihr Anlegesteg war schon vor Urzeiten ins Wasser gestürzt und verfault. Da sich die Ausmaße des Sees in Grenzen hielten, war sie irgendwann einfach in Vergessenheit geraten und nach und nach vom Buschwerk verschluckt worden.

Nun konnte die Hütte jedoch die Lösung für sein Kisten-Problem bedeuten. Bei ihrem Anblick überkam Valentin nämlich urplötzlich der Gedanke an Werkzeug...

Eine wahre Wand aus verstaubten Spinnweben segelte auf ihn herab, als er die Tür öffnete. Kochend heißer Teergestank verschlug ihm sogleich den Atem, das Bootshaus war ein Backofen.

Kuntz hatte die eisige Kiste derweil wie seinen Augapfel behütet. Er leckte genüsslich über das Schloss und gab ein verzücktes Hrrrrrr! von sich. Er schien sich noch immer auf das kühle Bier zu freuen, welches seiner Meinung nach darin versteckt sein musste.

Als sich der erste Hitzeschwall verabschiedet hatte, stellte Valentin seine Beute auf den verwitterten Holzbock, der wohl einst als Ablage für das Paddelboot gedacht war. Dann suchte er nach Werkzeug. Einen Hammer gab es hier zwar nicht, dafür aber einen stabilen Meißel und zwei von Mäusen zerfressene Arbeitshandschuhe, die er neben einem leeren, aber schmierigen Ölfass fand. Er schnappte sich einen faustgroßen Stein und zwängte seine Hände in die Handschuhe. Dann setzte er den Meißel an der schwächsten Stelle des Eisenschlosses an.

Dummerweise erwies es sich als beste mittelalterliche Wertarbeit. Und so brauchte er eine halbe Ewigkeit, um der verflixten Kiste endlich beizukommen. Das Schloss brach aus seiner Befestigung, worauf Kuntz sich gierig übers Maul leckte. Der Zeitpunkt, das Geheimnis der Kiste zu lüften, war nun endlich gekommen. Valentin schloss die Augen, dachte an Gold, glitzernde Edelsteine und grenzenlosen Reichtum. Doch als er den Deckel schließlich in die Höhe hob...

...wurde er bitter enttäuscht.

In der Kiste befand sich nichts. Nichts außer Staub und Dreck - ein totales Desaster.

"Was ist das denn für ein Mist?", schimpfte er fassungslos und feuerte wutentbrannt die Handschuhe in die Ecke. Kuntz begann zu zittern und wandte sich dann murrend ab. Auch seine Erwartungen waren bitter enttäuscht worden.

"Da schlepp ich Trottel dieses verdammte Ding meilenweit durch die Gegend, friere mir die Finger ab und breche mir obendrein beinahe den Hals. Und was ist der Lohn? Nur Dreck! Verdammter, wertloser Dreck!"

Kochend vor Wut packte der Junge die Kiste und warf sie mit derartiger Wucht auf den Boden, dass sie auf der Stelle in zwei Teile zersprang. Dann schoss er mit dem Fuß ihren Deckel in die Ecke und donnerte beim Verlassen der Baracke auch noch die Tür gegen die Fassade.

Valentin hatte jetzt endgültig die Nase voll. Er hatte den falschen Gegenstand gestohlen. Wahrscheinlich war es dem Landstreicher doch nur um die eisige Uhr gegangen. Aber das war jetzt ohnehin egal. Es war zu spät. Und wenn es zu spät ist, bleibt es zu spät...

So verließ er die Waldlichtung, ohne die Hütte noch eines einzigen Blickes zu würdigen.

Die Rabenkrähe ließ sich auf dem Schindeldach nieder und gab ein leises Krächzen von sich. Soeben hatte der Kater versucht, sie mit einem beherzten Satz zu fangen, was aber gründlich danebengegangen war. Seelenruhig beobachtete der gefiederte Spion nun, wie sich sein Angreifer ans unterste Ende des Daches klammerte und mit der Schwerkraft kämpfte. Schließlich rutschte er schreiend ab. Es raschelte im Gebüsch, und der talentlose Jäger zog murrend davon.

Die vom Tod verschmähte Katze

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