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Kapitel 10 - Der Trottel des Monats

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So begann der erste Schultag dann auch standesgemäß: Mit Regen, Hagel und einem handfesten Gewittersturm, wobei das Thermometer an diesem Montag gerade noch an der 15-Grad-Marke kratzte. Hatte die immerzu glucksende Radio-Wetterfee vor wenigen Tagen noch immer neue Hitzerekorde verkündet, so begann ihr heutiger Wetterbericht mit den Worten: Ja, schade, liebe Hörer...

Wenn Valentin allerdings gehofft hatte, die Sintflut könnte die penetranten Rabenkrähen von ihrer Belagerungstaktik abhalten, so sah er sich getäuscht. Kaum hatte er nämlich das Haus verlassen, da ging das wilde Geflatter auch schon in die nächste Runde.

"Verschwindet endlich!", rief er durch den Regen. Aber es nützte nichts. Mit Müh und Not rettete er sich in den Bus und beobachtete durch die Heckscheibe, wie die Tiere sogleich die Verfolgung aufnahmen.

Das schafft ihr nie, hoffte er in Gedanken. Und weil das Unwetter noch ein wenig zulegte, sah es nach einer Weile tatsächlich so aus, als hätten die Plagen ihr Vorhaben aufgegeben. Bus gegen Krähe, das sollte ja wohl ein eindeutiges Duell sein. Doch weil Montag war, musste die Realität natürlich ein wenig anders aussehen: Junge entsteigt Bus - Krähe landet auf dem Schulhausdach...

"Hihihi", gluckste ein Junge und hüpfte aufgeregt durch den Regen. "Wie hast du das denn gemacht? Das hat grad so ausgesehen, als wären die ganzen Vögel da hinter dir hergeflogen. Ist doch lustig, oder? Hihihi..."

"Ja, sehr witzig", stöhnte Valentin.

Prompt zog der Junge sein Handy aus seiner Jacke.

"Kannst du das vielleicht nochmal machen, damit ich´s aufnehmen kann?"

"Nein!", fauchte er und sah zu, dass er so schnell wie möglich ins Schulhaus kam.

Wie es der Zufall wollte, sollte er in der Eingangshalle ausgerechnet jenen Mädchen begegnen, die ihn vor ein paar Tagen aufgezogen hatten. Natürlich sahen die beiden Blondinen auch heute absolut umwerfend aus. Sie unterhielten sich gerade mit einem Jungen, der wohl einen Großteil des Sommers im Fitness-Studio verbracht hatte.

Als sich der Krähenjunge der Gruppe näherte, hielten sich die Mädchen die Hände vor den Mund, um nicht auf der Stelle zu platzen.

"Er?", fragte der Protz und zeigte mit dem Daumen unverfroren in Valentins Richtung. Die Schönheiten nickten etwas verlegen und brachen dann vor Lachen fast zusammen.

"Kein Wunder, voll der Depp", meinte der Junge.

Er ließ sie links liegen, was aber nicht viel half. Irgendetwas lag an diesem Morgen einfach in der Luft. Wohin er auch ging, die Schüler reagierten immer auf die gleiche Art und Weise - mit mehr schlecht als recht verdecktem Gelächter.

Mir doch egal, ihr Idioten, dachte er sich und suchte sich einen Platz weit abseits der Menge. Da begrüßte ihn ganz unerwartet eine vertraute Stimme: "Hallo, Valentin. Und? Wie waren die Ferien?"

Die Stimme gehörte Mafalda Pelz, der mit Sicherheit schrägsten und schrillsten Person der gesamten Schule. Mafalda war ein Knallbonbon - nach der Explosion. Die wirre Frisur, die relativ dicke Brille und die immerzu blitzende Zahnspange sprachen jedenfalls Bände. Sie trug stets kunterbunte Kleidung, die nicht zusammenpasste. Selbst verschiedenfarbige Schuhe standen bei ihr auf dem Programm. Heute trug sie an ihrem linken Fuß neongelb mit weißen Streifen, während ihr rechter Schuh voll und ganz einem hellblau-grünen Karomuster erlegen war. Mafalda hatte also zweifellos ihren eigenen Stil, war damit aber, um es einmal vorsichtig zu umschreiben, ebenfalls nicht gerade Top of the Pops. Von gehässigen Schülern wurde sie nur Abfalltüte genannt. Aber wenn Mafalda eines perfekt beherrschte, dann war es die Kunst, derartige Angriffe einfach an sich abprallen zu lassen. Sie zuckte dann meist nur mit den Schultern oder ließ kurz ihre Zahnspange blitzen.

"Na ja, geht so", versuchte er, die Einzelheiten seiner Ferien zu verschlucken.

"Ich war in einem Verein, der Esel dressiert", sagte sie.

"Oh", erwiderte Valentin. "Das ist ja...toll."

"Na ja", antwortete sie und zuckte wieder mit den eben erwähnten Schultern. "Hat nicht viel gebracht, war aber trotzdem lustig. Und wo warst du?"

Beinahe hätte er "auf dem Friedhof" gesagt. Er konnte sich aber gerade noch zügeln und suchte nach den passenden Worten.

"Ähm...nirgends. Dies und jenes halt. Nur ein wenig gearbeitet. Hatte aber auch was mit Tieren zu tun." Er meinte natürlich die Papierkäferlarven, die Krähen und die verdammte Katze.

"Ah, dann hast du also in einer Tierhandlung ausgeholfen."

"Tierhandlung? Jaaah", log er. "So ähnlich."

Eine kleinere Schülergruppe lief an ihnen vorbei und amüsierte sich dabei köstlich. Aber Mafalda hatte natürlich längst bemerkt, um wen es dabei gerade ging.

"Ich würde das einfach ignorieren", riet sie ihm. "Solche Geschichten kommen und gehen..."

"Welche Geschichten denn?", wollte er wissen.

"Ach, du weißt schon", wand sie sich. "Ich finde das ja gar nicht so schlimm. Aber du hättest besser eine gelbe Hose dazu angezogen, dann wäre es vielleicht nicht ganz so..."

"Wovon redest du?"

"Hmmm...na ja", rang sie nach Worten. "Von dem Anzug, den du..."

"Moment mal?", fuhr Valentin entsetzt herum. "Welcher Anzug denn?"

"Ach, es hat ja sowieso keinen Sinn", ließ sie die Katze endlich aus dem Sack. "Ich wollte das Bild ja runterreißen. Aber sie haben mich nicht gelassen. Und jetzt hängt es halt noch immer am Schwarzen Brett. Und auf dem Schulhof. Und im ersten Stock und im zweiten Stock, und online bist du auch noch und..."


"Waaas?"

Als der Gong ertönte, machten sich die Schüler auf den Weg. Übrig blieb ein niedergeschlagener Junge, der unter den Augen eines knallbunten Mädchens ein ausgedrucktes Bild von der Wand riss - ein Bild von einem Jungen in einem höchst seltsamen Anzug, auf das man zu allem Unglück auch noch den Satz Trottel des Monats gekritzelt hatte.

"Schlimm?", fragte das Mädchen mit kugelrunden Augen.

"Schlimm", sagte der Junge und knüllte das Bild zusammen.

Die vom Tod verschmähte Katze

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