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Kapitel 12 - Krächzende Spione

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Es zeigte sich, dass die Wetterfee mit ihrer Vorhersage tatsächlich danebenlag. Am nächsten Morgen zuckten nämlich nicht nur die Blitze vom Himmel herab, sondern es regnete auch ununterbrochen weiter.

Die Krähen ließen sich davon natürlich nicht beeindrucken. Seelenruhig warteten sie in den Ästen ihrer geliebten Trauerweide - was ihr Lieblingsopfer inzwischen aber längst nicht mehr wunderte, da sie diese Marotte nun schon seit Wochenbeginn an den Tag legten.

Doch eines hatte sich in der Tat verändert: Ihr Krächzkonzert begann nun bereits lange bevor die Tür geöffnet wurde. Um zwölf nach sieben waren sie offenbar der Meinung, er solle jetzt gefälligst in die Gänge kommen und das Haus verlassen.

Die geheimnisvollen Vögel hatten ein erstaunliches Gespür für die Zeit entwickelt. Sie schienen ihr Zielobjekt mit scharfem Krähenauge zu studieren und mit seinem Tagesablauf bestens vertraut zu sein - wie Spione, die allerdings keinerlei Wert auf Unauffälligkeit legten. Und es war kaum zu übersehen, dass sie sich sehr bemühten, ihre Vorgehensweise von Tag zu Tag zu perfektionieren.

Waren sie Valentin am Wochenanfang noch wie die Kletten gefolgt, so begnügten sie sich mittlerweile, ihm einfach ihren Späher auf den Hals zu hetzen. Dabei handelte es sich um eine etwas unbeholfen flatternde Krähe, die ein wenig kleiner geraten war als ihre Artgenossen und auf eine gewisse Art und Weise immer dem Herzinfarkt nahe schien. Das gehetzte Tier hatte ganz offensichtlich die Aufgabe, die übrige Schar zu rufen, falls das Zielobjekt vom gewohnten Weg abwich.


Schon gestern war Valentin auf die Idee gekommen, ein wenig Verwirrung im Kopf des flatternden Plagegeists zu stiften. Er war dabei ganz plötzlich in irgendeinen belanglosen Feldweg abgebogen und anschließend noch ein bisschen im Kreis gegangen - mit der Folge, dass der Krähenspäher nun immer genau an dieser Stelle zur Zwischenlandung ansetzte.

Der besagte Weg war also registriert, für relevant befunden und in eine Art Raster aufgenommen worden. Das kräheneigene Koordinatensystem sozusagen. Und so sehr Valentin das ständige Geflatter auch auf die Nerven ging, er musste zugeben, dass die Biester bis in die kleinste Feder durchorganisiert waren - wie ein militärisches Regiment.

Auch an diesem Morgen machte der Vogel natürlich seine obligatorische Landung am Eingang des besagten Feldweges. Und er flog erst dann weiter, als kein Zweifel mehr bestand, dass sein Zielobjekt auch tatsächlich die gewohnte Route zur Bushaltestelle einschlug.

Die Bushaltestelle war eine knorrige Eiche, an welche man ein sehr behelfsmäßiges Schild mit dem Wort BUS genagelt hatte - zu mehr hatte es nicht gereicht. Das Örtchen war eben viel zu unbedeutend, um mit einer richtigen Haltestelle gesegnet zu werden. Mit einem Kugelschreiber hatte man noch die Information Fährt nur Werktags um 20 nach 7 und 14 Uhr dazugekritzelt, damit derjenige, der auf die Idee kam, diesen Dienst tatsächlich in Anspruch zu nehmen, auch gleich wusste, in welchen Gefilden er sich befand. Und dass sich der Bus allenfalls erbarmte, einen Abstecher in diese gottverlassene Gegend zu machen.

Kaum hatte Valentin die Eiche erreicht, da stieß der Krähenspäher auch schon seinen Schrei aus. Und nur wenige Augenblicke später wurde der knorrige Baum von der übrigen Schar bevölkert, die nun ebenfalls auf den Bus wartete. Die Tiere waren inzwischen sehr routiniert, kein Vergleich mehr zu dem unbeholfenen Verhalten, welches sie noch zu Wochenbeginn an den Tag gelegt hatten - bei ihrer wohl ersten Begegnung mit einem öffentlichen Verkehrsmittel.

Damals konnte er noch beobachten, wie sie zuerst von Haltestelle zu Haltestelle gehetzt waren und dabei sämtliche Bäume, Telefonzellen, Wartehäuschen und Straßenlaternen als Zwischenlandeplatz nutzten. Valentin war sich sicher, dass sie diese Tortur nicht über die volle Distanz durchhalten konnten. Und als sie dann tatsächlich irgendwann aus seinem Blickfeld verschwanden, wiegte er sich schon in trügerischer Sicherheit, seine Verfolger endlich los zu sein. Damals wusste er natürlich noch nichts von ihrer Gerissenheit, geschweige denn von ihrem Späher...

Dieser hatte auf seinem Erkundungsflug aber ganz offensichtlich nicht nur seine Gewohnheiten, sondern auch die des Busses studiert und schließlich erkannt, dass dieser ebenfalls Tag für Tag das gleiche tat. Worauf er offenbar zu dem Schluss gekommen war, dass das stupide Hinterherfliegen nur sinnlos Energie verschwendete. Und so war eben auch das Dach des Busses ins Koordinatensystem der Krähen integriert worden. Mittlerweile ließen sie sich dort ohne jegliche Scheu nieder und fuhren die Strecke bis zur Schule einfach als blinde Passagiere mit, ob es ihrem Zielobjekt nun passte oder nicht. Krächz!

Die vom Tod verschmähte Katze

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