Читать книгу Weiberroman - Matthias Politycki - Страница 50

Mußte sich,

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während sie ihre Räder schwarz strichen, mußte sich von Max in lauter Worten, die man am liebsten gar nicht gehört hätte, mußte sich schildern lassen, wie »scharf« er auf Kristina sei. Und sich dann, kaum daß man wieder zu Hause war, in den Plattenhüllen vergewissern, ob Frau Rethemeier weiterhin am Wichtigsten vorbeigeputzt hatte. Mußte sich fragen, wie man allen Ernstes »scharf« sein konnte auf ein Mädchen mit Pferdeschwanz und Stupsnase und, das war zwar nicht zu sehen, weil Kristina auf dem Bild bloß mit ihren Sommersprossen grinste, und mußte sich fragen, wie man ernsthaft »scharf« sein konnte auf ein Mädchen, das, nunja, es ließ sich nicht vergessen: das eine Spange trug.

Eines Abends – wer weiß, vielleicht war’s zu der Zeit, da die Zufahrt zur Burwiesen-Siedlung geteert wurde, vielleicht zu der Zeit, da sich die Schattschneiders ein Stück Hauswand herausbrechen und ein Glasbaufenster statt dessen hineinsetzen ließen – eines Abends, beim Blick in den Spiegel, als Gregor nach Brusthaaren gesucht, als er über sein Schlüsselbein getastet und beschlossen hatte, die Anzahl der morgendlichen Liegestütze auf zwanzig zu erhöhen: eines Abends hatte er die Idee, zum Bahnhof zu fahren, zu diesem neuen Fotofix. Hatte die Idee, auch mal von sich selber ein Bild zu machen, ein möglichst grimmiges.

Kaum hatte er’s getan – so wollte’s Gregor rückblickend scheinen, aber vermutlich waren da die holländischen Touristen längst verschwunden samt ihren bunten Trainingsanzügen, waren die Herbstnebel aufgezogen und Krähenschwärme, die sich mit derartigem Gekreisch in die Wechter Wintersaaten fallen ließen, daß man glaubte, die Platte von Pink Floyd zu hören –, kaum hatte Gregor das Bild ein halbes Leben lang studiert, schon wußte er, woran’s lag. Daß er immer noch nicht so aussah, wie er aussehen wollte, aussehen mußte, daß irgendwie alles an ihm ungrimmig und ungefährlich, ja ungenügend, geradezu verkehrt wirkte, nein, nicht mal verkehrt, eher: unrichtig. Es lag an der Brille.

Lag an dieser verfluchten Kassenbrille!

Das also war’s, was die Unsterblichkeit verhinderte, von der Max neuerdings schwärmte, wenn ihm zum Tod nichts mehr einfiel und zur Vergänglichkeit, das war’s!

Weiberroman

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