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Sitzpinkler – revisited

Der grüngoldne Schiß

Wenn man in Amerika derzeit verlauten läßt, vorzugsweise als Präsident, man wolle »die Freiheit in die ganze Welt tragen«, so heißt das im Klartext, daß man die Cowboystiefel anzieht und sich aufmacht, ein paar neue Waffensysteme in aufmuckerischen Schurkenstaaten zu erproben (Antrittsrede bzw. -kleidung von George W. Bush zum Beginn seiner zweiten Amtszeit). Wenn man sich in Deutschland am gleichen Tag – es war der 21. 1. 2005, Tag der Veröffentlichung von Aktenzeichen 34–9185.68 beim baden-württembergischen Landwirtschaftsministerium – die Freiheit aufs Panier schreibt, so kämpft man für die Würde der Kuh: die beim voralpenländisch beliebten »Kuhbingo« angeblich mißachtet werde, einer Art Kuhfladenroulette auf einer schachbrettartig unterteilten Wiese, wo’s für die Wettenden um den (mit bis zu 100000 € dotierten) »Goldnen Schiß« geht. Und tatsächlich nehmen sich die Sachbearbeiter der Ministerien derlei grasgrüner Proteste an, vergeben Aktenzeichen, äußern Verständnis, schreiben »tierschutzrechtliche Bewertungen«. Ist beim Kuhbingo vielleicht auch die Würde der Wiese in Gefahr? Und wirft sich als nächstes irgendeine Institution für die Rechte der Rinder in die Bresche, die zur Amtseinführung amerikanischer Präsidenten in Form von Cowboystiefeln herhalten müssen?

Die militant tolerante Initiative zum Schutz der Intimsphäre beim verdauenden Rindvieh – mitnichten ein Schildbürgerstreich. Gutmenschentum kennt keine Ironie, die Sache war ernst gemeint und wurde auch seitens der politischen Apparate mit Ernst und Sachverstand erwogen, als Aktenvorgang archiviert, diskutiert, entschieden. Daß man sich im »Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum in Baden-Württemberg« der Sache so nachhaltig angenommen hat, statt einfach nur darüber zu lachen, lag – jedenfalls nicht daran, daß das Amt derzeit in der Hand der Grünen gewesen wäre. Sondern, sozusagen im Gegenteil, in derjenigen der CDU. Im Gegenteil?

Was beweist, daß man mittlerweile in allen Parteien grünes Gedankengut umzusetzen vermag, selbst in Form seiner todernst inszenierten Selbstparodierung. Und: daß die Würde der Kuh auch nicht von Fladen-Voyeuren antastbar ist. Das baden-württembergische Landwirtschaftsministerium entschied nämlich wie folgt: »Die Empfindungen einer Kuh, die beim Absetzen von Kot von einer größeren Anzahl von Menschen beobachtet und gegebenenfalls angefeuert wird, entziehen sich derzeit der wissenschaftlichen Nachprüfbarkeit.« (news aktuell, www.presseportal.de)

Vom Verschwinden der Dinge in der Zukunft

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