Читать книгу Aufzucht- und Haltungsanleitung für Jungbullen - Max Busch - Страница 10
ОглавлениеZeltlager
Im Rahmen der Ausbildung durften wir auch in ein Zeltlager, einem eigens für die Polizei angelegten Terrain an der Ostsee. An unseren Platz grenzte ein Jugendlager der Pfadfinder. Wir genossen das super Wetter, die Sonne strahlte, die Märsche und sonstigen sportlichen Ausbildungsübungen trübten unsere Laune nicht. Atze hatte seinen Spaß an einem Boxturnier. Hierzu ließ er in der Mitte des Zeltplatzes aus Pfählen und Seilen einen Ring bauen. Jeder Zug sollte seinen Champion ausboxen. Freudig erregt, dem Rumpelstilzchen nicht unähnlich, hüpfte Atze um den Ring, wenn seine „Jungs“, wie er sie nannte, aufeinander einschlugen. Ging einer zu Boden, wurde er aufgestachelt, weiter zu fighten. Dies ging so lange, bis Blut floss. Dann war PHK Dunkel zufrieden. Wir vom ersten Zug hatten untereinander die Variante „Halbkontakt“ abgemacht. Schlagen und treffen ja, aber nur mit Halbgas. Und wenn jemand zu Boden musste, sollte er liegen bleiben. So zogen wir es auch durch, keiner blutete und ich wurde sogar zweiter im Zug, nachdem ich Jimmy versehentlich etwas zu heftig niedergestreckt hatte. Er war pausenlos wie ein wutblinder Stier auf mich losgestürmt, ich musste nur ausweichen. Ein kurzer Haken auf die Leber ließ ihn zusammenbrechen, wie von der Axt gefällt. Jimmy tat mir leid, ich entschuldigte mich sogleich.
Am Abend musste dann natürlich das Turnier gefeiert werden. Hoch die Tassen. Es gab Schnaps und Bier satt. Laute Musik und Gegröle riefen irgendwann zu vorgerückter Stunde die Betreuer der benachbarten Pfadfinder auf den Plan. Sie beschwerten sich bei unserem Anführer Atze. Atze jagte sie pöbelnd unter Androhung von körperlicher Gewalt vom Gelände. Jetzt wurde es Zeit für mich, die Bühne zu verlassen. Weitere Peinlichkeiten waren zu erwarten.
Ich lag kaum in meinem Schlafsacke, da stupste mich Lucky an:
„Alter, komm mal mit, das musst Du sehen. Aber sei leise!“ Gemeinsam schlichen wir Richtung Feierplatz. Ich traute meinen Augen nicht. Ungefähr zehn seiner „Jungs“ waren noch bei Atze. Er ließ sie abwechselnd zur Musik über die Tische tanzen und klatschte frenetisch Beifall. Aber es kam noch schlimmer. Atze befahl:
„So, jetzt alle mit nacktem Arsch! Hosen runter!“
Und die Jungs gehorchten freudig. Mit wehenden Pimmeln hüpften sie im Takt der Musik kreischend über Tische und Bänke. Atze strahlte. Plötzlich kam Polizeimeister August um eine Zeltecke. August sollte diese Nacht Wache schieben. Er erfasste die Situation und rannte los, seinen Zugführer zu wecken. Mit Zugtruppführer und Zugführer im Schlepptau kam er nach einigen Minuten wieder. Atzes Jungs hüpften und grölten immer noch ohne Hosen.
Zu dritt schritt die Eingreiftruppe auf ihren Chef zu und nahm ihn in die Mitte. Die Jungs wurden angewiesen, sich sofort zu bekleiden und in den Zelten zu verschwinden. Mit sanfter Gewalt wurde der völlig betrunkene Hundertschaftsführer in sein Zelt geleitet.
Lucky und ich waren jetzt putzmunter. Wir hockten uns ans Feuer und tranken Bier. Die beiden Müller, beide auf einer Stube, kamen noch dazu. Müller1 konnte Gitarre spielen. Er klimperte leise, wir lauschten schweigend und tranken.
„Ey, ihr! Dürfen wir rüberkommen?“ Eine leise Mädchenstimme rief uns.
„Klar doch, kommt rüber“ meinte Lucky. Aus dem Pfadfinderlager huschten drei hübsche, junge Mädels zu uns.
„Ich heiß Anne, das sind Marei und Jutta“, stellte Anne ihre Freundinnen vor.
„Wir wollten noch ein wenig Musik hören, jetzt wo das Theater vorbei ist“, sagte Jutta.
„Welches Theater?“ fragte ich, schon ahnend, dass die Nackttanzeinlage von Atzes „Jungs“ aus dem Pfadfinderlager beobachtet worden war.
„Na die hüpfenden Polizeiwürstchen“, meinte Marei.
Diese Nacht wurde lang. Das Ende erinnere ich bis heute nicht. Ich versuche mal, die Erzählungen von Lucky und Müller2 wiederzugeben:
Irgendwann in der Nacht habe sich noch eine Monika zu uns gesellt. Mit dieser Monika sei ich irgendwann in unserem Gruppenzelt verschwunden. Nach heftigem Liebesspiel in verschiedenen Stellungen sei Monika gegen Morgengrauen ins Pfadfinderlager zurückgekehrt. Da ich weder von Monika noch von irgendwelchen Handlungen wusste, nahm ich an, dass Müller2 und Lucky mich auf die Rolle nehmen wollten.
Am kommenden Morgen saßen wir an den langen Tischen, die sich in der unmittelbaren Nähe des Zauns zum Nachbarzeltplatz befanden und frühstückten. Auf diesen Tischen hatten die Eskapaden der Unten-ohne-Tänzer in der letzten Nacht stattgefunden. Im Pfadfinderlager war auch schon Betrieb. Eine hübsche, blonde Unbekannte kam zum Zaun, blickte mich grinsend an und sagte: „Guten Morgen, Max! Schön war es mit dir, du alte Saufnase!“
Dann warf sie mir eine Kusshand zu. Spätestens jetzt bereute ich, von diesem Kapitel nichts mehr zu wissen.