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Kriminalistik

Kriminalistik hört sich spannender an, als es ist. Zumindest, wenn es bei der Polizei unterrichtet wird. Nichts ist mit, Fingerabdrücke nehmen, Spuren sichern und Täter vernehmen. Stattdessen die Lehre über Aufbau und Organisation der verschiedenen Abteilungen der Kriminalpolizei in unserem Bundesland. Vorgetragen von einem kurz vor der Pensionierung stehenden Kriminalrat. Der Kurs war als Nebenfach eingestuft. Er fand zweimal die Woche ausgerechnet in der ersten Stunde nach dem Mittagessen statt. Kay und mir fielen regelmäßig die Augen zu, was den Dozenten nicht weiter zu stören schien. Doch auch in einem Nebenfach wurde eine Arbeit geschrieben. Kay und ich schafften etwas, was nach Angaben von „Atze“ noch nie passiert sei. Wir schrieben die beiden einzigen Sechsen der Polizeiabteilung.

Nachmittags erschien mein Gruppenführer Sepp bei mir. Sepp war schon Polizeiobermeister und ungefähr 30 Jahr alt. Also schon ganz schön alt für einen Gruppenführer, waren die anderen doch alle 19 bis 22 Jahre.

„Zieh dir mal den kleinen Dienstanzug an und dann trittst du um 15 Uhr beim Hundertschaftsführer an!“ befahl Sepp.

Kleiner Dienstanzug hieß: Uniform, Koppel, Dienstmütze. Sonst liefen wir meist in den so genannten „Verwendern“, ähnlich den Kampfanzügen der Bundeswehr, herum.

„Was ist denn los?“ wollte ich wissen.

„Ist irgendwas wegen deiner Klausur“, meinte Sepp.

In einem Nebenfach eine Sechs, na und, dachte ich noch bei mir. Kein Grund, das erste Jahr nicht zu bestehen! Vor dem Büro des Hundertschaftsführers traf ich Kay. Er auch in Uniform. Kay kam zuerst in den Genuss sich die Standpauke abzuholen. Ich verstand nichts, hörte nur Atzes durchdringendes Gekreische. Nach fünf Minuten kam Kay bleich und mit gesenktem Kopf heraus. Dann durfte ich eintreten. Atze stand hinter seinem Schreibtisch, die Hand wie Napoleon in die Knopfleiste der Jacke geschoben. Ich stand stramm, grüßte akkurat und zackig und erwartete seine Rede.

„Herr Busch, Sie sind hier falsch! Sie sollten sich einen anderen Beruf suchen! So etwas ist hier noch nie vorgekommen! Was denken Sie sich eigentlich?! Ich werde das nicht hinnehmen. Sie werden die Konsequenzen spüren!“

Inzwischen war mir wirklich nicht mehr klar, warum ich antreten sollte. Mit der Klausur konnte eine solche Ansprache sicherlich nichts zu tun haben. Ansonsten hatte ich nichts verbrochen. Oder hatte jemand die Nacht mit Monika im Zeltlager verpfiffen. Verwirrt erdreistete ich mich, den Redefluss zu unterbrechen:

„Um was geht es eigentlich?“

Die Tonlage stieg, ebenso wie die Lautstärke:

„Wollen sie mich verarschen? Eine Sechs in Kriminalistik, welche eine Blamage in meiner Hundertschaft! Noch nie hat es jemand geschafft, eine Sechs zu schreiben! Ich, ich werde dafür sorgen, dass sich das ändert! Ich werde ihre Eltern anrufen und ihnen mitteilen, dass sie wahrscheinlich hier entlassen werden!“

Jetzt langte mir sein Gekreische:

„Wenn Sie sich erlauben sollten, meine Eltern deshalb verrückt zu machen, werde ich mich beim Abteilungsleiter über sie beschweren! Ich bin volljährig, meine Eltern haben hiermit nichts zu tun!“

„Was erlauben Sie sich! Raus hier! Sie werden schon sehen!!!“

Ich verließ das Büro und begab mich direkt zu meinem Zugführer, Polizeioberkommissar Dummers. Ich schilderte ihm die Situation. Er schüttelte nur mit dem Kopf und rief Sepp an. Bei dem kurzen Gespräch musste ich vor seiner Tür warten. Er rief mich herein:

„Ich kann Sie beruhigen, Herr Dunkel entscheidet nicht darüber, ob Sie entlassen werden. Ich werde gleich mit ihm sprechen. Gehen sie jetzt zu ihrem Gruppenführer, der will mit ihnen sprechen.“

Ich ging die 500 m zu meiner Unterkunft zurück und stellte mir dabei vor, wie mein Vater daheim rotieren würde. Ich klopfte bei Sepp.

„Komm rein. Also pass mal auf: Der Alte hat mal wieder übers Ziel hinaus geschossen. Deshalb entlässt dich keiner. Ich gebe dir jetzt meine Telefonnummer. Sollte Herr Dunkel tatsächlich bei deinen Eltern angerufen haben, rufst du mich an, ich spreche dann mit deinen Eltern.“

Von meinen Eltern wurde ich an diesem Freitag mit böser Miene empfangen. Ich erklärte die Situation kurz und gab dann meinem Vater Sepps Telefonnummer. Nach kurzem Gespräch mit Sepp war er beruhigt und fragte nur, was für einen Idioten wir als Chef hätten. Dem konnte ich nur zustimmen. Nach diesem Wochenende informierte ich meine direkten Vorgesetzten darüber, dass Atze meine Eltern angerufen hatte. Oberkommissar Dummers wollte diese Angelegenheit dem Abteilungsleiter vortragen. Dienstag morgen wurde ich von Sepp aus dem Unterricht herausgerufen. Gemeinsam gingen wir zum Hundertschaftsgebäude. Auf dem oberen Flur, auf dem sich die Büros der Ausbilder befanden, erwartete mich Atze im Flur. Neben ihm standen Zug- und Zugtruppführer. Ich trat ihnen gegenüber, schlug die Hacken zusammen und grüßte.

„Wachtmeister Busch! Ich möchte mich hier in aller Form bei Ihnen dafür entschuldigen, dass ich ihre Eltern angerufen habe! Mir war nicht bekannt, dass Sie schon volljährig sind. Nehmen Sie die Entschuldigung an?“

„Ja, danke“, antwortete ich.

„Wegtreten!“ kam Atzes Befehl.

Ich entfernte mich und ging nachdenklich zum Unterricht. Was für ein herber Gesichtsverlust für den kleinen Mann, dachte ich. Wenn das mal gut geht.

Aufzucht- und Haltungsanleitung für Jungbullen

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