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Dienstbeginn

So kam der erste Tag und ich war mächtig aufgeregt. Anreise war wieder am Sonntag bis 22 Uhr. Mit Bus und Bahn erreichte ich nach dreimaligem Umsteigen und zweieinhalb Stunden Fahrzeit das verschlafene Städtchen, an dessen Rand sich die Polizeikaserne befand. Am Bahnhof gönnte ich mir mit drei anderen Anfängern eine Taxifahrt zur Kaserne, die vier Kilometer Fußmarsch mit Gepäck für eine Woche waren mir zu anstrengend. Übernachtet wurde in Dreibettzimmern.

Pünktlich um sieben Uhr am nächsten Morgen wurden wir sehr unsanft von einem im Flur installierten Lautsprecher, der undefinierbare Töne von sich gab, geweckt. Nach dem Frühstück wurden wir „Frischlinge“, „Brunos“ oder „Rotärsche“, wie wir von den älteren Lehrlingen genannt wurden, vor dem Hundertschaftsgebäude der Größe nach sortiert. Zwischen 2,05 m und 1,65 reichte die Größenspanne. Man unterteilte uns in Neunergruppen. Ich gehörte mit in die erste Neunergruppe. Drei dieser Gruppen wurden dann zu einem „Zug“ zusammengefasst. Ich gehörte somit zur ersten Gruppe des ersten Zuges der sechsten Hundertschaft.

Und da die neue Hundertschaft für das Hundertschaftsgebäude insgesamt zu groß war, wurde der erste Zug ausquartiert und am anderen Ende des Geländes im Gebäude der Werbe- und Einstellungsstelle untergebracht, da wo ich im Frühjahr die Prüfungen ablegen durfte. Die Zimmer wurden nach dem gleichen Prinzip verteilt, immer zu dritt auf eine Bude. Die beinhaltete drei Stahlrohrbetten mit Hängematten ähnlichem Liegegefühl, drei Schränke, auch Spinde genannt, sowie Reinigungsgerätschaften.

Ich teilte mein Zimmer mit Lucky und Jimmy. Lucky hatte schlimme Akne und überall an Kopf und Hals fette Eiterblasen. Seine Hakennase war tiefrot mit Pergamenthaut. Lucky erklärte uns gleich, dass er gar nicht Polizist werden möchte. Er sei nur dabei, um die lästige Wehrpflicht zu umgehen, denn nach drei Jahren Polizeidienst sei man davon befreit. In den drei Jahren würde er aber, im Gegensatz zu Wehrpflichtigen, richtig Geld verdienen. Nach Ablauf der Zeit wollte er Fischwirt lernen. Ganz schön schlau, dachte ich, mal sehen, ob er es wahr macht. Jimmy war das Babyface, runder Kopf mit Pausbäckchen und hellblonden Haaren im Pisspottschnitt. Er war ein Pedant. Alles korrekt, gebügelter Schlafanzug, Hausschuhe. Und er sprach so schön langsam. Ich kann mich kaum erinnern, dass er einen Satz zu Ende gesprochen hatte, ohne vorher von jemandem unterbrochen worden zu sein.

Am nächsten Morgen wurden wir eingekleidet. Nein, Uniformen gab es noch nicht. Die ersten zwei Wochen durften wir im Arbeitsanzug Dienst verrichten. Arbeitsanzüge in Herrengrößen für junge Männer die, zumindest im ersten Zug, lang und dürr waren. Damit uns die Ärmel und Hosenbeine lang genug waren, bekamen wir alle Gr. 56. Von der Weite her hätten zwei von uns in einen Anzug gepasst. Zwei Wochen waren wir somit das Gespött der Polizeiabteilung.

Am dritten Arbeitstag wurden wir nachmittags alle zum „ReFü“, dem Rechnungsführer, bestellt. Dort erhielt jeder sein erstes Gehalt, da Beamte ihr Geld ja im Voraus bekommen. Es gab bar gegen Unterschrift 1.200 D-Mark. Ich glaub, viel mehr verdiente mein Vater zu dem Zeitpunkt nicht.

Die Woche verflog, es kam das erste Wochenende und somit Heimaturlaub. Einkaufen war für uns angesagt, alles, was man uns zu Beginn unseres Studiums der Polizeitaktik und der Gesetze unserer Republik diktiert hatte, Blöcke, Stifte usw. Dass man sein erstes Gehalt komplett versäuft, habe ich gehört, es bei der Summe aber gar nicht erst versucht. Zu schnell kam auch der Sonntag, denn bis 24 Uhr mussten alle Neulinge wieder in der Kaserne sein. Im Prinzip blieb einem so vom Wochenende nur der Samstag. Der Rest wurde durch Aufholen des Schlafdefizits und der An- und Abreise aufgebraucht.

In der zweiten Woche fehlten erst einmal drei Kollegen. Die hatte ein Auto angefahren, als sie den Berg zu unserer Kaserne auf der Straße hinaufgegangen waren. Den Gehweg, der durch Gestrüpp von der Fahrbahn abgetrennt war, hatten sie nicht gesehen.

Es ging weiter mit der Ausrüstung: Stahlhelm und Essengeschirr. Bei meinem Helm hatte jemand versucht, das eingravierte Hakenkreuz herauszukratzen. Das blecherne Essengeschirr war verbeult, abgenutzt und stammte von der Bundeswehr. Nur die Butterdose war neu, aus dickem Aluminium mit Plastikeinsatz und massivem Deckel. Auch bewaffnet wurden wir. Es gab eine schwere Pistole von Walther im Kal. 9mm, die auch schon im 2. Weltkrieg eingesetzt worden war. Zur Pistole noch ein Reinigungsgeschirr sowie ein Schnellfeuergewehr des belgischen Herstellers FN mit Holzschaft aus den 40er Jahren.

Am ersten Abend spielten wir so ausgerüstet auf unserem Flur Cowboy und Indianer mit echten Waffen. Einige Indianer trugen sogar den Stahlhelm. Ein Glück, dass wir nur drei Übungspatronen, ganz ohne Sprengsatz, erhalten hatten. Punkt 22 Uhr kam der Wachhabende vorbei und kontrollierte, ob wir allen in den Betten lagen.

In den nächsten Tagen lief es ziemlich einförmig ab. Morgens Unterricht, nachmittags Sport oder Formalausbildung. Hierbei sollten wir das Strammstehen und Marschieren lernen.

Schließlich bekamen wir jeder zwei komplette Uniformen, noch die alten grau-grünen, einen Einsatzanzug sowie drei verschiedene Mützen, grün, weiß und eine Bergmütze. Dazu Sportschuhe, Bergstiefel, Halbschuhe und Gamaschen. Das waren aus Zeltplane gefertigte Stulpen mit drei Lederriemen, die man sich um die Knöchel schnallte, wenn es hieß, den Einsatzanzug anzuziehen. Wie beneideten wir die Gruppen- und Zugführer, die langschäftige Lederstiefel ohne die albernen Gamaschen trugen.

Aufzucht- und Haltungsanleitung für Jungbullen

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