Читать книгу Monolith - Max Kauer - Страница 13

10.

Оглавление

Wir gingen wieder zurück zum Haus. Je weiter wir uns von dem Kubus entfernten, desto mehr entspannte ich mich wieder. Ich sah mich um. Von hier aus war nichts mehr von dem unheilvollen Gärtchen zu sehen. In meiner Erinnerung sah ich es jetzt im bleichen Licht eines Vollmondes, der sich durch dünne Wolken schob. So ist die Erinnerung eben, wie gesagt. Vorbei an vielen Millionen Euro moderner Kunst, gelangten wir wieder zu der roten Tür und von da in die heimelige mediterrane Villa. Wieder schien es mir, als würde ein Hauch von Wildkräutern der Macchie in der etwas salzigen Luft liegen, die vom Garten hereinströmte. Im Wohnsalon, in dem uns Sofia Loren empfangen hatte, konnte man durch die große Fensterwand in den Garten sehen. Die Gräfin saß mit einem Buch neben einem blühenden Mandelbaum in der Sonne.

„Schöner Garten.“, sagte ich.

„Ja und der Blick aufs Meer - so romantisch.“, sagte Phillip.

„Da ist kein Meer!“

Phillip kontrollierte noch einmal die Aussicht. „Hm. Aber da sollte eins sein, wenn du mich fragst.“

„Sehr gut, solange die Contessa im Garten weilt, kann ich Ihnen ja ungestört zeigen, was ich noch gefunden habe.“ Die Frau Ministerialrätin ging zu dem Bücherschrank, der sich hinter dem Schreibtisch befand. Der Schrank war aus dunklem Holz mit geschnitzten Verzierungen, sicher ziemlich alt. Er war durch zwei Türen mit Glasfront verschlossen. Die Matuschek öffnete eine Schublade des dem Schrank gegenüber stehenden Schreibtisches und fischte zielsicher einen kleinen messingfarbenen Schlüssel hervor.

„Sie kennen sich hier ja ganz gut aus!“ Ich verfolgte Matuscheks zielsichere Aktion mit Erstaunen. Phillip sah verträumt aus dem Fenster.

„Jaja. Man muss nur die Augen offen halten, wo andere wegschauen. Zum Beispiel bei Empfängen, wenn der Gastgeber ein Buch präsentiert. Auch wenn er sich die größte Mühe gibt, seine Bewegungen zu verbergen.“ Sie steckte den Schlüssel in das Schloss des Schranks. Im Gegensatz zu dem, was man vielleicht von einem Schrankschlüssel erwarten würde, rastete er mit einem satten Geräusch ein und als die Matuschek ihn drehte, hörte man das genaue Klacken eines Präzisionsschlosses, wie von einem Safe. Die Matuschek sah meinen erstaunten Blick. „Die Dinge sind nicht immer, was sie zu sein scheinen ...“ Sie klopfte seitlich an den Kasten. Es war nicht ein Klopfen auf Holz, sondern auf solides Metall. „Und sehen sie hier ...“ Die Frau Ministerialrat deutete auf die vermeintlichen Schnitzereien an dem Kastenhaupt und den Türen. Das waren keine einfachen Verzierungen. Bei genauerem Hinsehen waren es Fratzen und absurd verrenkte Körper, die sich wimmelnd um den ganzen Schrank schlangen.

„Igitt!“, sagte Phillip.

„Der Conte ...“, sagte die Matuschek und öffnete die massive Metalltür des Schranks. „... hat einen durchaus eigenen Geschmack. Und eine Vorliebe für das Makabre, Sinistre. Außerdem ist er ein ausgezeichneter Illusionist. Er hat oft bei Partys Kunststücke zum Besten gegeben.“

Matuschek fuhr mit einem Zeigefinger die Buchrücken entlang. Aus dem geöffneten Kasten schlug uns ein ekelhafter Geruch entgegen. Irgendwie alt und verdorben. „Hier!“ Sie holte mit spitzen Fingern ein großes schweres Buch aus dem Schrank und legte es vorsichtig auf den Schreibtisch. Das Buch war antik und abgegriffen, die Seiten schimmerten an den Kanten rötlich, der Einband bestand aus grauem Leder mit einer dünnen roten Umrahmung. In der Mitte des Einbandes befand sich ein roter Kreis mit etwas unscharfen Umrissen. Wenn man genau hinsah, schien er zu flimmern oder zu zucken, immer um den Bruchteil eines Millimeters außerhalb des Fokus liegend. Das Buch wirkte bedrohlich und abstoßend.

„Igitt!“, wiederholte sich Phillip.

„Ja. Dieses Buch sieht man nicht oft ...“, erklärte die Matuschek.

„Ein Glück!“

„Aber trotzdem hatte ich genau so eines unlängst schon einmal in der Hand.“ Die Matuschek sah uns an.

„Aha?“

„Der Einband, zumindest des anderen Exemplars, das ich gesehen habe, war ein spezielles Leder ...“, fuhr Matuschek fort. Eine Erinnerung wurde von irgendeiner Synapse in meinem Hirn abgeschossen, traf aber momentan nicht ins Ziel. Nur, dass es keine gute Erinnerung war, konnte ich spüren.

„In dem Buch werden verschiedene Riten besprochen, zum Beispiel wie man Jungfrauen Monstern opfert ...“

„Ah - ich weiß, ich weiß!“, sprudelte es fröhlich aus Phillip wie aus einem Volksschüler. „Das Buch mit dem Einband aus Menschenhaut, das sie im Hauptquartier der Warenin Cooperation gefunden haben!“. Als er merkte, was er gerade gesagt hatte, ergänzte er: „IGITT!!!“

„So ist es!“, gratulierte ihm Matuschek. Sie schlug das Buch auf. Ich wollte eigentlich nicht im Geringsten sehen, was in diesem Buch zu sehen war und blickte deshalb in den Garten hinaus. Die Contessa war gerade aufgestanden und auf dem Weg herein.

„Tschief, sie kommt!“, warnte ich. Die Frau Ministerialrat verstand sofort, ließ das Buch mit erstaunlich behenden Bewegungen im Schrank verschwinden und schloss denselben ab. Sekunden später betrat die Contessa den Raum.

„Da sind sie ja wieder! Hatten Sie Spaß?“, fragte sie sarkastisch.

„Waren Sie dort jemals drin?“

„Um Gottes Willän!“ Die Contessa schien allein bei der Vorstellung schockiert.

„Wissen Sie, was für ... Exponate ... ihr Mann da drinnen aufbewahrt? Es könnte helfen, ihn zu finden.“

„Das hat mich doch alles schon die Frau Ministerialrat gefragt. Nein natürlich nicht, niemand weiß das! Haben sie das Ding denn nicht aufbekommen?“

„Nein, noch nicht.“, sagte die Frau Matuschek.

„Gut, ist auch bässer!“ Die Contessa setzte sich auf die Ledercouch. Wir setzten uns ebenfalls. Es schien, als erinnerte sie sich nun, dass sie besorgt und nicht genervt sein sollte. Sie änderte ihr Mienenspiel wieder Richtung verzweifelte Gattin: „Oh meinen Sie, Sie können Giusi finden?“

„Wer ist denn Tschusi?“, fragte Phillip.

„Na mein Mann!“

„Ach so.“

„Tschusi Kosi.“, murmelte ich.

„Wir tun unser Bestes. Frau Contessa, zeigen Sie uns jetzt bitte das Objekt, das hier aufgetaucht ist.“, forderte die Matuschek sie auf.

„Was denn jetzt wieder für ein Objekt?“ Phillip kratzte sich am Kopf.

„Aber natürlich, kommen Sie!“ Die Contessa erhob sich und ging voraus in den Vorraum.

Mein Handy läutete. Es war Perschinger: „Scheint so, als überschlagen sich heute die Ereignisse!“, schrie er.

Matuschek und Phillip folgten der Gräfin rechts durch eine Tür in eine geräumige Küche, die im französischen Landhausstil eingerichtet war. Durch die offene Tür sah ich, wie die Contessa auf ein Päckchen zeigte, das auf dem Küchentisch stand. Ich blieb im Vorraum stehen, um ungestört mit Perschinger reden zu können:

„Wieso? Was überschlägt sich denn?“, fragte ich. Perschinger saß offensichtlich in einem Auto und schrie in die Freisprechanlage: „Na zuerst das Museum und jetzt die Sache am Schwarzenbergplatz.“

„Welche Sache am Schwarzenbergplatz?“

„Wisst ihr das noch nicht? Ein Leichenfund!“

„Mord?“

„Davon ist ziemlich sicher auszugehen!“, schrie Perschinger. Er wirkte leicht belustigt. „Wirkt nach der Beschreibung wie etwas, das euch Sonderermittler interessieren könnte.“ Perschinger war glücklicherweise nicht von der Sorte, die sich durch uns in ihrer Kompetenz beschnitten fühlten. Er war eher froh, wenn er Fälle am bizarreren Ende des Kriminalitätsspektrums mit jemandem teilen konnte.

„Ja da seid ihr ja!“, hörte ich Phillip aus der Küche rufen. Ich reckte den Kopf, konnte aber nicht sehen, was sich dort tat, weil die Matuschek die Sicht versperrte.

Perschinger schrie weiter ins Telefon: „Ich schlage vor, dass ich mich zunächst im Museum umschaue, ihr könnt ja schon einmal zum Schwarzenbergplatz fahren!“

„Klingt gut für mich, wir sind eh in der Nähe! Was ist denn da jetzt passiert? Und wie ist die Adresse?“

„Das seht ihr euch besser selber an, ich will ja nicht die Überraschung verderben. Hochstrahlbrunnen. Bis später!“ Damit legte Perschinger mit einer kleinen Explosion an Kratz- und Störgeräuschen auf. Ich riss mir das Handy vom Ohr.

„Phillip! Wir müssen weg! Perschinger hat angerufen. Beim Hochstrahlbrunnen ist etwas passiert.“, rief ich.

„Komm' mal her und sieh dir das an! Da sind sie ja, die Schwerenöter.“, rief er zurück.

Ich betrat die Küche. Auch von hier führte eine Tür auf eine Veranda im Garten.

„Jetzt sieh doch mal!“ Phillip und Matuschek machten Platz, damit ich sehen konnte, was sie auf dem Küchentisch bewunderten. Auf dem Tisch standen noch die Reste eines Frühstücks: eine Kaffeeschale, ein Eierbecher mit Resten einer Eierschale darinnen, eine großformatige Zeitung sowie eine Vase mit blühenden Zweigen. Auf der großformatigen Zeitung stand ein mittelgroßes Kartonpäckchen, dessen Inhalt man durch den geöffneten Deckel sehen konnte. Der Inhalt war zum Großteil in Zeitungspapier gewickelt. Aus dem Papier leuchtete ein goldenes Objekt.

„Und das passt noch nicht einmal in das Angebot meines Mannes, der beschäftigt sich sonst nämlich nicht mit Kitsch!“ Die Contessa machte ein Zitronengesicht.

Vorsichtig faltete ich das Zeitungspapier in dem Päckchen ein wenig zur Seite. Mein erster Blick hatte mich nicht getäuscht.

Phillip sah mich fröhlich an: „Lupus und Heidi - da sind sie wieder! Fall gelöst, gehen wir! Nächstes mal was Schwierigeres bitte!“

In dem Päckchen lag die Saliera.

Monolith

Подняться наверх