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3.

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Seit dieser Sache mit Malina, Warenin und einem Basilisken war es sonderermittlungstechnisch ziemlich ruhig geworden in Wien. Man konnte glauben, das Verbrechen hätte sich tatsächlich aus dieser Stadt verabschiedet, wie es Malina versprochen hatte. Trotzdem jagte uns die Matuschek ständig zu irgendwelchen Tatorten, an denen absolut nichts Besonderes zu ermitteln war.

„Wachsam bleiben!“, sagte sie in letzter Zeit oft und mit so einem seltsamen Unterton in der Stimme.

„Wachsam bleiben ...“ Die Matuschek wird vielleicht auch schon alt, dachte ich mir.

Bis heute.

Wir waren immer noch im Museum. Der Museumsgraf beauftragte einen Lakaien mit der Organisation einer Melange. Und einer Leberkäsesemmel. Das war mir zwar peinlich, aber eine Melange zu bekommen, war besser als eine Melange nicht zu bekommen, also protestierte ich nur schwach. Phillip sah keinerlei Grund zu protestieren, meinte aber, vielleicht wolle er doch eher einen Leberkäse-Hotdog, legte dem Bediensteten seine Hand auf die Schulter und ging mit ihm Richtung Küche.

Der Graf und ich sahen ihm hinterher. Mit einem Seufzer wandte ich mich an den Direktor: „Also, was ist denn passiert bitte?“

Dieser sammelte sich, holte tief Luft und sagte dann: „Die Saliera ist weg! So ein Unglück!“

„Wie weg?“

„Nun - nicht mehr da!“

„Ja, das dachte ich mir schon, da Sie sagten sie sei weg, aber - wie weg? Gestohlen, oder was?“

„Ja, also wenn Neptun und Tellus es nicht satt hatten, auf einem Salzfass herumzusitzen, und deswegen nach Hause gegangen sind, dann - ja - gestohlen, schätze ich.“ Das klang irgendwie nach Sarkasmus, obwohl nichts in der Stimme des Grafen darauf hindeutete. Die feine Klinge? Ich hatte auf jeden Fall keine Ahnung, von was er da redete.

„Von was redet der Mann? Wer sind diese Typen, Nero und Typhus, oder was? Sind die abgängig? Sind wir deswegen hier?“ Phillip hatte sich wieder zu uns gesellt.

„Ich habe keine Ahnung. Von was reden Sie da Herr Gra...af...irektor?“ Der Direktor massierte sich den Nasenrücken mit Daumen und Zeigefinger. „Sie wissen nicht, was die Saliera ist?“

„Nun ja ...“, erwiderte ich diplomatisch. „... ich weiß, dass sie unlängst schon einmal gestohlen wurde. Passen Sie eigentlich gar nicht auf ihre Sachen auf? Aber keine Ahnung, wer diese Leute sind, die Sie erwähnten.“

„Die sitzen darauf. Die Saliera ist ein Salzfass!“

Phillip sah den Direktor ungläubig an. „Ein Salzfass. Soll das ein Scherz sein? Und weil Marcel und Tamira nicht auf ihren Salzstreuer aufgepasst haben, sind wir hier? Meint er das ernst?“

Ich sah den Grafen streng an: „Meinen Sie das ernst?“

Unsicher blinzelnd erwiderte der Graf meinen Blick: „Entschuldigen Sie, ich muss mich setzen.“

Wir setzten uns auf Designer-Polstersessel, die im marmorigen Foyer des Museums etwas verloren herumstanden, vermutlich von der letzten Vernissage übergeblieben. Der Direktor sah ein wenig mitgenommen aus. Vielleicht hatte ich mich doch getäuscht, in einem Kriegsgebiet würde er wohl nicht lange durchhalten. Er massierte sich noch einmal den Nasenrücken, nahm dann einen der Kataloge, die auf dem Tisch lagen, blätterte ihn zielsicher auf Seite 56 auf und legte ihn zu uns gedreht hin. Ein spitzer, perfekt manikürter Zeigefinger tippte auf das Bild zweier zurückgelehnter goldener Figuren auf einem ovalen Podest, eine davon mit einem Dreizack, die andere mit Brüsten, wenn auch kleinen. „Neptun und Tellus.“

Wir sahen das Bild an, dann sahen wir den Direktor an.

„Aha.“, sagte ich.

„Das soll ein Salzstreuer sein? Und wo bitte kommt da das Salz heraus?“ Phillip betrachtete das Bild aus verschiedenen Winkeln und versuchte Schüttbewegungen mit der Hand.

„Das ko ... Bitte! Wollen Sie sich nicht den Tatort ansehen?!“ Die Stimme des Grafen klang jetzt flehend und resigniert. Keine Chance in einem Kriegsgebiet. Die Melange und der Leberkäse-Hotdog wurden gebracht. Ich nahm einen Schluck.

„Na gut, schauen wir uns den Tatort an.“ Ich setzte das Wort 'Tatort' mit den Fingern zwischen Anführungszeichen. Für meinen Geschmack war das hier nichts für die Sonderermittlungseinheit.

„Aber ich sage es ehrlich, ich glaube nicht, dass das ein Fall für uns ist. Wir sind die Sonderermittlungseinheit, also ermitteln wir Besonderes und nicht Dinge, die quasi alle Tage passieren. Ich meine, wie oft lassen Sie sich das Ding noch stehlen?“

„A ...“, sagte der Graf.

„Und wo ist jetzt der - 'Tatort'? In der Kantine?“, fragte Phillip schmatzend.

Der Direktor sank in sich zusammen. Er machte eine schwache Geste zu einem Adlatus, der in angemessener Entfernung bereit stand.

„Dr. Pokorny wird ihnen alles zeigen. Entschuldigen Sie, ich muss noch ein wenig sitzen bleiben.“ Kriegsbefriedungstest nicht bestanden. Schade. Da bräuchte es gute Leute. Der Museumsgraf tat mir leid, ich dachte nicht, dass er der Dieb war. Dazu war er zu gut erzogen.

„Komm Phillip! Ich glaube wir lassen den Herrn Gr...irektor besser alleine.“ Ich nahm meine Melange, Phillip seine Semmel und wir folgten Dr. Pokorny.

Er führte uns über eine breite marmorne Prunktreppe in den ersten Stock, auf ein Balustrade, in einen langen Gang, durch eine hohe breite Tür in einen großen Raum mit knarzendem Parkett und roten Kordeln, in dem große alte Schinken hingen, dann weiter in einen großen Raum mit knarzendem Parkett und roten Kordeln, in dem ebenfalls alte Schinken hingen, weiter in einen kleineren Raum mit knarzendem Parkett und roten Kordeln, in dem kleinere alte Schinken hingen. Des weiteren passierten wir: Speere, Helme, Küchenutensilien aller Art, Skulpturen aus Stein, Skulpturen aus Metall und Steine mit Hieroglyphen. Je weiter wir in das Museum vordrangen, desto staubiger roch die Luft. Schließlich gelangten wir zu einer Drehtür. Wir gingen hindurch und fanden uns in einem Wald aus hohen gläsernen Vitrinen wieder. Die meisten Vitrinen waren vier bis fünf Meter hoch, im Grundriss quadratisch oder rechteckig und standen auf unauffälligen dunklen Metallsockeln. Eine gläserne Säulenhalle. In den Glassäulen war Goldenes und Silbernes, Pokale, Bronzefiguren, Marmorköpfe, edle Schatullen und dergleichen ausgestellt.

„Die Kunstkammer.“, verkündete Pokorny knapp.

Wir umrundeten eine dünnlippige, peinlich berührt zu Boden blickende Marmordame, durchschritten eine weitere Tür, bogen vor einem Ringelrein aus vier goldenen Nackedeis scharf nach links ab und waren am Ziel.

Eine große Glasvitrine nahm den zentralen Platz des Raumes ein. Sie sah unversehrt aus. In ihrer Mitte, auf feinem blauen Stoff, stand ein Salzstreuer.

Semmelkauend betrachtete Phillip das Ausstellungsstück: „Ich dachte, der wäre gestohlen!“

Dr. Pokorny musterte ihn mit kaum verhohlener Abscheu. Semmelessen war in diesen heiligen Hallen sicher ein totales No-no. Ich nahm einen Schluck von meiner Melange. „Mein Partner scherzt.“, erklärte ich, obwohl ich mir da nicht ganz sicher war. „Also bitte, wie ist das passiert?“

„Ich kann ihnen nicht sagen, wie das passiert ist, denn ich bin nicht der Dieb!“ Sarkasmus und feine Klinge schien unter den gutgekleideten Doktoren hier ein Renner zu sein.

„Sagen Sie. Weiter. Erzählen Sie uns alles, was Sie wissen.“, schmatzte Phillip.

Dr. Pokorny war ein ganz anderer Typ als der Herr Direktor. Er war in feinste Stoffe gekleidet, wie sein Herr. Aber das Stecktuch wirkte an ihm aufgesetzt, der Maßanzug berechnend. Seine Fassade war glatt und seelenlos. Was sich dahinter verbarg, wollte ich nicht wissen. So wie man nicht wissen will, was manche Leute im Keller haben.

„Alles?“, fragte die Hyäne, „Sie meinen inklusive meiner umfangreichen Kenntnisse der Ägyptologie und Arabistik?“.

Phillip machte einen Schritt auf ihn zu: „Den Schweinskram können Sie weglassen, erzählen Sie uns nur, wie Sie Noel und Tamara hier rausgeschafft haben! Wir kriegen es sowieso raus, aber so sparen wir Zeit.“ Phillip kann ziemlich einschüchternd sein, wenn er sich vor jemandem aufbaut und einen gewissen Gesichtsausdruck zur Schau trägt. Er vermittelt dann recht klar, dass er nicht nur in der Lage ist und große Lust hat, das Gegenüber zu Kleinholz zu verarbeiten, sondern dieses Vorhaben tatsächlich auch zeitnah zur Ausführung bringen wird. Infolgedessen schluckte der schlaue Kunsthistoriker jetzt hart und trat einen Schritt zurück. Seine rotgeränderten Augen nahmen für einen Moment einen brutalen trotzigen Ausdruck an. Als würde er in Gedanken fürchterliche Rachepläne schmieden.

„Also bitte Dr. Pokorny. Würden Sie uns jetzt aufklären.“, sagte ich freundlich.

Er schluckte noch einmal. „Das Ganze ist ein Rätsel. Nach unserem Dafürhalten wurde die Vitrine nicht berührt. Die Tür wurde nicht geöffnet, keines der Alarmsysteme hat etwas gemeldet. Es kann also niemand etwas heraus genommen oder hineingestellt haben.“

„Aber trotzdem sind ihre goldenen Nackedeis weg und stattdessen steht hier ein Salzstreuer aus der Kantine.“

„So ist es.“

„Haben Sie schon in der Kantine nachgesehen?“, fragte Phillip.

Dr. Pokorny sah ihn zu gleichen Teilen hasserfüllt und unsicher an.

„Woher wissen Sie, dass die Tür nicht geöffnet wurde?“, fragte ich.

„Das lassen Sie sich besser von unserem Sicherheitschef erklären. Aber es gibt da ein mechanisches Schloss und ein elektronisches Schloss mit einem Log-File. Und dann gibt es noch Erschütterungs- und Klimasensoren im Sockel und Bewegungssensoren im Raum hier und außerdem noch eine Kamera. Und nichts von allen diesen Dingen zeigt irgendwelche Anzeichen dafür, dass irgendetwas Außergewöhnliches passiert wäre letzte Nacht.“

Und doch war die Saliera weg, mitsamt Zeus und Apollo.

Seltsam.

Aber es kam noch besser.

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