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5.

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Aber zurück zu dieser Museumsgeschichte. Nachdem der widerliche Ägyptologe Dr. Pokorny uns die Vitrine gezeigt hatte - die Vitrine, in die offensichtlich nicht eingebrochen worden war, in der aber ebenso offensichtlich ein ziemlich teurer gegen einen ziemlich billigen Salzstreuer getauscht worden war - traf die Spurensicherung ein.

Wir ließen uns von Pokorny zum Sicherheitschef des Museums führen. Dessen Büro erreichten wir über zwei Hinterstiegen und einige Verbindungsgänge, die nichts von der Pracht der Ausstellungsräume hatten. Sie lagen im Verwaltungsteil des Museums, der unter den Prunkräumen lag. Das Büro des Sicherheitsmannes war ein Kabuff mit Plastikboden und billigen hellbraunen Möbeln. Der Raum hatte ein riesiges Fenster mit Ausblick über die Ringstraße, auf halber Höhe des Fensters war aber eine Zwischendecke eingezogen worden. Der dicke Mann mit fettigem spärlichem Haar hinter dem Schreibtisch wirkte nicht sonderlich beglückt, als Dr. Pokorny an seine offene Türe klopfte. Auf einem schmucklosen Schild an der Türe stand: Ing. Wolfgang Sedlar. Der Herr Doktor schien ebenfalls wenig erbaut zu sein, in diese utilitaristischen Eingeweide des Musentempels vordringen zu müssen.

„Die Herren sind von der Polizei.“, sagte er tonlos, ohne den Raum zu betreten. „Sie wollen wissen, was da schiefgelaufen ist.“ Dem Herrn Ingenieur stieg die Zornesröte ins Gesicht. Bevor er aber etwas sagen konnte, wandte Dr. Pokorny sich wieder an uns. „Sie brauchen mich dann ja nicht mehr?“ Und schon eilte er durch den zwielichtigen Gang wieder der Oberwelt entgegen. Ich war froh, dass er weg war.

„Und verlassen Sie die Stadt nicht!“, rief ihm Phillip noch hinterher. Während sich der Herr Doktor umblickte, hastig, wie auf der Flucht, lief er ums Haar in ein Abwasserrohr, das senkrecht an der Wand entlang lief. Wieder sah ich diesen Ausdruck in den Augen des Kunsthistorikers. Regelrechte Mordlust.

Wir wandten uns Herrn Ingenieur Sedlar zu.

„War er's?“, fragte er voller Hoffnung.

„Wir ermitteln in alle Richtungen.“

Der dicke Ingenieur lächelte schwach. Wir waren uns wohl in unserem Urteil über den prätentiösen Doktor alle einig.

Wir schüttelten Hände und nahmen dann vor seinem Schreibtisch Platz. Seine Miene hatte sich etwas entspannt. Das änderte sich aber wieder, als er uns schilderte, was geschehen war. Beziehungsweise nicht geschehen war, beziehungsweise nicht geschehen sein konnte.

Die Kurzversion war: Heute in der Früh um 5:07 entdeckte ein Museumswächter den Salzstreuer in der Vitrine. In der Nacht war absolut nichts Bemerkenswertes passiert. Es hatte keinerlei Alarm gegeben. Das elektronische Schloss hatte keinerlei Aktivitäten registriert und das andere Schloss war ebenfalls unversehrt. Er erläuterte dann in großem Detail die Einzelheiten des Alarmsystems und dozierte mit Hingabe über ausgeklügelte Wachpläne.

„Also ich wünsche ihren Kollegen von der Spurensicherung ja viel Glück, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie irgendetwas zu Tage fördern. Weil da nichts ist!“, schloss der übergewichtige Mann endlich seinen Vortrag und strich sich ohne Hektik eine ölige Haarsträhne aus dem Gesicht.

„Und was ist mit den Kameras?“, fragte ich.

„Ach so, ja ...“ Sedlar wirkte leicht indigniert. „Aber das gibt es nicht!“, rief er.

„Was gibt's nicht?“

„Der ist lustig.“, raunte Phillip.

„Vollkommen unmöglich! Der Diensthabende hat in der Nacht natürlich immer wieder alle Bildschirme kontrolliert. Und alle zwei Stunden wird jeder Raum im Museum begangen. Da war nichts!“

„Was ist dann unmöglich?“, fragte ich.

„Es hat sich absolut nichts getan im Saliera-Raum. Dann in der Früh, um Fünf Uhr Sieben und Sieben Sekunden, um genau zu sein, steht plötzlich ein Salzstreuer da drinnen.“

„Das ist doch ...“

„Ja, exakt in dem Moment, als der Wächter den Raum betritt und den Blick verstellt. Zwei Sekunden später steht da der Salzstreuer!“

Phillip und ich wechselten einen Blick.

„Dann würden wir noch gerne mit dem Wächter sprechen.“

Sedlar sah uns an: „Wie soll denn der ... in ein paar Sekunden … unmöglich! Aber bitte, gehma!“ Der Sicherheitsmann stand schnaufend auf und führte uns aus seinem Büro, hinaus auf den Flur. Eine Putzfrau mit einem Wägelchen, auf dem eine große Abfalltonne und diverses Putzgerät stand, kam uns entgegen. Wir ließen sie durch, gingen den Flur hinunter und dann in einen Raum, der eine Küchenzeile, einen Tisch und eine Couch beherbergte.

„Das ist der Aufenthaltsraum.“ Sedlar schaute sich genervt um. Ich habe dem Boris doch gesagt, er soll hier warten.“ Niemand außer uns befand sich in dem Raum.

„Wo zum Teufel ...“

„Vielleicht ist er am Klo?“, half Phillip.

„Ich sehe einmal nach.“ Der Sicherheitschef eilte davon.

„Jaja.“, sagte ich abwesend. Ich hatte eine Kaffeemaschine entdeckt! Sie stand verheißungsvoll neben dem Herd. Zwar so ein Modell mit Kapseln, aber für einen zweiten Morgenkaffee warf ich gerne und ohne zurückzublicken, meine kaffeesiederischen Überzeugungen über Bord. Phillip ließ sich auf der Couch nieder, um in einer Frauenzeitschrift zu blättern.

„Schau schau“, murmelte er.

„Was Interessantes?“ Versonnen sah ich dem braunen Gold zu, wie es brummend in ein dickwandiges Glas floss. Vielleicht gibt es ja sogar einen Milchsprudler hier. Hoffnungsvoll blickte ich mich um.

„Aber Hallo!“, sagte Phillip und versank ohne weitere Erklärung wieder in seiner Lektüre. Was es auch immer war, es half ihm sicher dabei, Frauen davon zu überzeugen, er würde sich tatsächlich dafür interessieren. Wenn die wüssten! Nämlich wer ihre Zeitschriften las und zu welchem Zweck. Ich hatte gerade den Milchschaum fertig, als der Sicherheitschef wieder zu uns stieß. Er war atemlos.

„Weg! Der ist weg! Der depperte Trottel!“

„Wie - weg?“, fragte ich heute schon zum zweiten Mal. Phillip ließ die Zeitschrift sinken.

„Ich finde ihn nirgends! Es weiß auch niemand, wo er ist. Ich habe ihm doch gesagt, er soll hier warten.“ Die Zornesröte stand Sedlar im Gesicht. „Hier!“ Er stampfte mit dem Fuß auf.

In dem Moment ging ein ohrenbetäubender Alarm los.

Wir erstarrten. Ich mit der Kaffeetasse am Mund. Phillip mit der Zeitschrift in der Hand. Der Sicherheitsingenieur ungläubig seinen Fuß musternd. Sekunden verstrichen, in denen wir, passend zu dem Gebäude, in dem wir uns befanden, wie in einem Gemälde festsaßen mit dem Titel: „Drei Gestalten in einem Aufenthaltsraum, während der Alarm losgeht“ Von Hopper vielleicht.

In der nächsten Sekunde kam Leben in den Sicherheitschef. Man konnte richtiggehend sehen, wie er innerlich Schwung nahm, um seine Masse in Bewegung zu setzten. Dann setzte er seine Masse in Bewegung. Er schrie etwas, das vom Sirenenlärm gleich wieder verschluckt wurde, gestikulierte wild und rannte los. Erstaunlich flink für seine Körperfülle. Ich nahm hastig drei Schlucke Kaffee, dann folgten wir dem Ingenieur. Der rannte den Weg zurück, den wir gekommen waren, zweigte kurz nach seinem Büro ab, rannte noch zweimal um die Ecke und schon fanden wir uns im Sicherheitszentrum des Museums wieder.

Dieses war, was Sicherheitszentren angeht, nicht besonders aufregend. Ein paar Monitore an der Wand. Fünf Bildschirme auf zwei Bürotischen. Das war's. In der Mitte des Raumes, ein panisch um sich blickender Mann auf einem Drehsessel.

Sedlar eilte zu einem Pult mit Reglern und deutete uns, die Tür zuzumachen. Er drückte auf einen Knopf und mit einem Mal war das akustische Inferno beendet. Aber nur hier in diesem Raum. Von draußen konnte man immer noch das gellende Schreien des Alarmsystems vernehmen, aber sehr gedämpft. Hier drinnen wurde es durch das hysterische Blinken diverser Anzeigen ersetzt.

Sedlar machte einen konzentrierten Eindruck. Er arbeitete schnell, aber nicht hektisch. Den überforderten Mitarbeiter hatte er beiseite geschoben. Der war sichtlich froh darüber, dass jemand hier die Kontrolle übernahm und stellte sich mit verschränkten Armen in eine Ecke. Die Hände des Sicherheitschefs flogen über Tastaturen und Schaltknöpfe. Hinter der Fassade des älteren, dicklichen Bürokraten war ein Profi hervorgetreten, der offensichtlich wusste, was er tat. Die Monitore zeigten wechselnde Bilder in rascher Abfolge. Der Hauptverdächtige war schnell gefunden. Im Raum, in dem die Saliera verschwunden war, war ein größerer Tumult entstanden. Man konnte nichts Genaueres erkennen. Leute in weißen Overalls verstellten die Sicht.

Ich zeigte auf den Monitor, dann auf den in der Ecke stehenden Wachmann. „Sie! Führen Sie uns dorthin! Schnell!“

Hier konnten wir sowieso nichts ausrichten. Der Angesprochene schreckte aus seinem Schockzustand auf, sah mich an, dann den Sicherheitschef. Der wedelte ungeduldig mit der Hand. „Gemma, Gemma!“

Ich legte ihm eine Visitenkarte auf den Tisch: „Wenn es etwas Neues gibt ...“. Er nickte abwesend, dann widmete er sich wieder, ohne noch einmal aufzublicken, seinem System.

Sobald wir den Sicherheitsraum verlassen hatten, wurden wir wieder vom infernalischen Lärm der Alarmanlage begrüßt. Der Wachmann lief uns voraus, den Weg zurück, den wir mit Dr. Pokorny gekommen waren. Neben einem Tizian kamen wir durch eine unscheinbare Tür wieder in die Schauräume, wo der Lärm zwar nicht leiser, aber durch die veränderte Akustik der hohen Räume weniger klaustrophobisch war. Indignierte Blicke aus alten Schinken verfolgten uns, als wir über knarzendes Parkett liefen, das man in dem Lärm nicht knarzen hören konnte. Dann pflügten wir mit gezückten Ausweisen durch die dichter werdende Ansammlung von Polizisten, weißen Overalls und sonstigen Herumstehenden und stoppten im Raum der Saliera vor deren Vitrine.

Besser gesagt, vor dem, was von ihrer Vitrine übrig geblieben war. Vor uns stand der schwarze Sockel. Auf dem Kissen aus blauem Tuch lagen Scherben. Rund um den Sockel lagen ebenfalls Scherben. Krümelig, Sicherheitsglas. Der Rahmen der Vitrine lag hinter dem Sockel auf dem Boden. Wir traten wieder einen Schritt zurück. Phillip sah mich an und sagte etwas, das ich nicht verstand. Das Heulen der Alarmanlage fegte mit unverminderter Intensität durch die Hallen des Kunsthistorischen Museums.

„Was?“, brüllte ich.

In dem Moment verstummte das Alarmsystem abrupt und ein akustisches Vakuum entstand, in dem mein Schrei wiederhallte.

Alle sahen mich an.

Ich räusperte mich. „Ähem ... was?“, wandte ich mich, jetzt in Zimmerlautstärke, an Phillip.

Der deutete auf das Kissen: „Wo ist der Salzstreuer?“

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