Читать книгу Monolith - Max Kauer - Страница 16
13.
ОглавлениеDie Besprechung mit der Matuschek stand an. In der neuen Einsatzzentrale. Die neue Einsatzzentrale ... wie gesagt, wenn die Matuschek sich etwas in den Kopf setzt ... aber die neue Zentrale war praktischerweise nicht weit von meiner Wohnung entfernt, also beschwerte ich mich nicht. Sie befand sich in der Lassallestraße. Auf dem Weg holte ich mir einen Standard aus der Trafik. Pflichtbewusst überprüfte ich, ob es irgendwelche Neuigkeiten in der Welt gab, die meiner Aufmerksamkeit bedurften. Gab es nicht. Dann suchte ich die Seite, wegen der ich die Zeitung gekauft hatte. Die Sudokus waren auf Seite 22. Ich blieb kurz stehen, holte einen Papierschnipsel aus der Jackentasche und verglich den Schnipsel mit der Auflösung auf Seite 22. Es kostete mich ungefähr so viel Zeit zu sehen, ob sie übereinstimmten, wie der Denker gebraucht hatte, das Sudoku zu lösen. Sie waren ident. Es würde Phillip sicher freuen, dass er sein erstes Sudoku in Rekordzeit korrekt gelöst hatte.
Fünf Minuten später kam ich vor der Einsatzzentrale an. Die Auslagen der Geschäfte links und rechts des Einganges präsentierten, was sie schon vor einem halben Jahr und sicher viele weitere halbe Jahre davor präsentiert hatten: staubige billige Uhren. Ich wollte gerade den Klingelknopf drücken, als eine alte Frau die Tür aufstemmte. „Die depperte Tür, die depperte!“ Sie sah mich misstrauisch an. Der dicke alte Hund, der neben ihr stand, warf mir einen leidenden Blick aus einem wässrigen, geröteten Augen zu. Ich denke, er erkannte mich wieder, aber er wollte jetzt lieber sein Lacki machen als Höflichkeiten auszutauschen.
„Sind sie von der Hausverwaltung?“, fragte die Alte.
„Nein, können Sie sich nicht erinnern? Wir sind ... „
„Erinnern? Ich kann mich an gar nichts erinnern. Schon lang nicht mehr. Zahlt sich überhaupt nicht aus! Aber diese depperte Tür - sagen sie denen, dass sie die einmal schmieren sollen, die kriegt doch kein normaler Mensch auf!“
„Ich bin aber ... „
„Komm Peppi, geh ma!“ Peppi und Frau gingen. Peppi nickte mir zu und pischte dann glücklich an einen Autoreifen.
Ich betrat den Flur des Hauses, das wir letzten Herbst der Warenin Cooperation abgenommen hatten. Da sich kein Eigentümer für die Liegenschaft meldete, zumindest niemand, der keine Verbrecherorganisation war, beschloss die Frau Ministerialrat spontan das Gebäude zu übernehmen und ihre Einsatzzentrale darin einzurichten. Hier im Außenhaus hatte sich wenig verändert. Es war nur ein wenig aufgewaschen worden, sodass der Uringestank nicht mehr überwog und so dem alten modrigen Geruch mehr Platz zur Entfaltung bot. Der Flur sah immer noch verwahrlost aus. Putz bröckelte von den Wänden, auch die lange Batterie alter, kaputter Postkästen hing immer noch an der Wand. Ich folgte einem der sich endlos dahinkrakenden Seitenflure, stieg über sieben Stufen in einen weiteren Seitenarm und ging bis zu dessen Ende. Hier war eine neue Tür eingebaut worden, die, wie ich wusste, aus massivem Stahl bestand. Sie sah aber aus wie eine normale Wohnungstür eines Altbaus. Ich drückte den Klingelknopf, der eigentlich ein Fingerabdruckleser war. Die Matuschek machte keine halben Sachen. Vielleicht sah sie auch zu viele Agentenfilme. Die Tür öffnete sich nicht automatisch, sondern man musste, nach einem Summen, auf ganz herkömmliche Weise die Schnalle hinunterdrücken. Das tat ich, trat ein und stand im Eingangsbereich unserer neuen Einsatzzentrale. Man hatte noch weitere Zugänge gefunden, die waren aber zugemauert worden. Und vielleicht gab es noch weitere, die man noch nicht gefunden hatte, das Labyrinthische dieses Baus war vermutlich noch für Überraschungen gut. Die eigentliche Einsatzzentrale war der moderne Büroturm, den die Warenin-Cooperation mitten in den riesigen alten Miethausblock in der Lassallestraße gebaut hatte. Wie die das genau gemacht hatten, ohne dass es jemand bemerkt hatte, war nach wie vor rätselhaft. Man hatte aber offensichtlich die großen Tunnel der Kanalisation sowie stillgelegte Schächte vom U-Bahnbau adaptiert und verwendet, um Baumaterial heranzuschaffen. Das Material wurde vermutlich über die Donau in Lastschiffen aus der Ukraine angeliefert. Ein großer Verbindungstunnel konnte bis hin zur Donau rekonstruiert werden. Aber auch dort unter der Erde war mit falschen Zwischenmauern, Tarnung und Täuschung jeder Art gearbeitet worden und so war es nicht leicht zu sagen, wie viele Geheimgänge da unten eigentlich waren.
Der Eingangsbereich war rundum verglast, ein Empfangsschalter war ebenfalls eingebaut worden. Warum auch immer, denn hier wurde eigentlich nie jemand empfangen. Hinter dem Schalter und vor einem Fernseher saß ein älterer Mann: Max der Portier. Als ich vorbeiging, tippte er sich an seine Kappe. Das ist seine Haupt- vielleicht auch einzige Aufgabe. Die allerdings einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Arbeitsmoral der Truppe hat. Denn, wie man weiß, wird jedermann gerne von einem freundlichen Portier mit einem Tippen an die Kappe an seinem Arbeitsplatz begrüßt. Max wurde aus zahlreichen Bewerbern ausgewählt, da er der einzige war, dem hier überhaupt nichts seltsam vorkam. Warum auch? Er kam jeden Tag an seinen Arbeitsplatz, begrüßte die alte Frau, die sich nicht an ihn erinnern konnte, bestätigte, dass er von der Hausverwaltung war und nahm ihre Beschwerden entgegen, ging durch ein verrottetes altes in ein ganz neues Haus, setzte sich hinter seinen schicken Empfangsschalter, drehte den Fernseher auf, um das Fernsehprogramm zu sehen, das dem arbeitenden Teil der Bevölkerung verborgen blieb, tippte sich im Laufe des Tages 50-100 Mal an die Kappe und ging schließlich am Abend wieder nach Hause, wo sich seine Abendbeschäftigung nur darin von seiner Arbeit unterschied, dass er sich nicht an die Kappe tippte - vermutlich. Nichts Außergewöhnliches also, das er von seinem Arbeitstag berichten hätte können, hätte ihn denn jemand gefragt, was aber ziemlich sicher niemals der Fall war.
Ich passierte Max, der sich an seine Kappe tippte und die Empfangshalle, die sich ruhig verhielt und ging durch eine gläserne Schiebetür in den runden Büroturm. Hier herrschte Hochbetrieb. Die Matuschek nutzte den Turm im Wesentlichen wie die Warenin-Cooperation. Sie baute sich hier also einen Geheimdienst auf, der die NSA und CIA anerkennend mit den Ohren hätte wackeln lassen. Das Innere des Turmes wurde nach dem Auszug der Warenins und Einzug der Matuscheks ebenfalls nicht sehr verändert. Die Bezeichnung Büroturm ist eher irreführend, da es sich eher um einen Technikturm handelte. Es gab wenige abgetrennte Räume mit Schreibtischen und Desktop-Computern, dafür umso mehr Labors verschiedener Art, blinkende Geräte, Kabelstränge und Großrechner. Das alles bildete eine einzige verschachtelte Großraum-Einheit, mit ineinander verzahnten Arbeitsbereichen, die sich über alle Stockwerke des Zylinders erstreckten und durch eine Vielzahl von Metalltreppen verbunden waren. Ganz außen und innen im Turm gab es auf jeder Etage zwei Kreisgänge, die mit einer unterschiedlichen Zahl von Radialgängen verbunden waren. Der innere Kreis umschloss zwei zentrale Lifte. Einen dieser Lifte steuerte ich an. Ich drückte auf den Knopf, der hier nur ein Knopf und kein Fingerabdruckleser war und fuhr in die oberste Etage, die vom Rest des Gebäudes durch eine milchglasige, halbtransparente Decke abgetrennt war. In dieser obersten Etage, die von einer Glaskuppel auf einer Metallkonstruktion überdacht ist, residierte einst Warenin, jetzt die Matuschek. Eine Hälfte der Etage ist Empfangslounge, die andere Büro. In der Lounge, einer Mischung aus tropischem Zen-Garten und feuchtem Traum eines Mailänder Innenarchitekten saß, auf der organisch geformten, nach Feng-Shui Prinzipien unregelmäßig angeordneten Sitzgruppe, Phillip und las Cosmopolitan. „Willst du zehn Arten wissen, wie du ihm im Bett deine unartige Seite zeigen kannst?“
„Nein danke!“, sagte ich.
„Kleiner Tipp - es muss nicht unbedingt das Bett sein!“
„Wo denn so ... wie kannst du so etwas denn in aller Herrgottsfrühe lesen?“ Ich setzte mich an die Bar. Die Sitzgruppe war mir, wie Phillips Gesprächsstoff zu ... sexy für den Arbeitsplatz. Es musste eine unheimliche Verbindung von Form und Material dieser Polstermöbel sein, die bewirkten, das es sich anfühlte, als säße man auf etwas Warmen, Weichen, Anschmiegsamen. Und nicht auf eine unangenehme Art, wenn Sie wissen, was ich meine.
„Was Interessanteres!“ Ich warf ihm den Standard auf den Couchtisch.
„Bist du sicher?“ Phillip beäugte skeptisch die Tageszeitung, die verkündete, dass im österreichischen Bundesheer jetzt mehr geschossen werden sollte. Das war das Ergebnis einer Befragung von Wehrdienstpflichtigen.
„Schau mal auf Seite 22.“
Widerstrebend legte Phillip die Cosmopolitan weg, nahm die Zeitung und blätterte von hinten bis zur Seite mit dem Sudoku. Dort hielt er inne, seufzte und sah mich zweifelnd an.
„Es stimmt!“, kam ich ihm zuvor und wedelte mit dem rosa Schnipsel.
„Ha!“ Phillips Laune besserte sich schlagartig.
„Meine Herren! Kommen Sie doch!“ Die Frau Ministerialrat stand in der Tür zu ihrem Büro und winkte uns hinein. Wir folgten ihr. In der Türe stieß mich Phillip verschwörerisch an und zeigte mit verstecktem Zeigefinger auf den Rücken der Frau Rat: „Kein Wort über die Sudoku-Sache!“
„Geht klar.“ Nicht, dass ich ernsthaft erwogen hätte, der Frau Rat davon zu erzählen, dass wir einem Schlawiner 30 Euro für ein Sudoku aus dem Standard nachgeschmissen hatten, weil wir kein Sushi essen.