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b) Drittplattformverbote

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Bei sog. Drittplattformverboten wird Vertriebshändlern pauschal oder in Abhängigkeit von bestimmten Kriterien untersagt, Produkte über Internetplattformen (z.B. Amazon Marketplace oder eBay) zu vertreiben, die selbst nicht Mitglied des Vertriebssystems sind.[456] Während das Bundeskartellamt sich bisher kritisch geäußert hat[457] (eine endgültige Bewertung aber offen lassen konnte),[458] hat der EuGH in seiner „Coty“-Entscheidung im Jahr 2017[459] klargestellt, dass Drittplattformverbote kartellrechtlich zulässig sein können, wenn ein Verbot für die relevanten Waren erforderlich ist.

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Die damit einhergehende Klarstellung ist insbesondere aus Sicht der deutschen Praxis zu begrüßen, nachdem in der instanzgerichtlichen Judikatur substantielle Divergenzen zu Tage getreten sind.[460] Die in der „Coty“-Entscheidung zum Ausdruck kommende Rechtsaufassung liegt grundsätzlich auf einer Linie mit derjenigen der Europäischen Kommission, die Plattformverbote ebenfalls als grundsätzlich zulässig einstuft.[461]

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Nach dem „Coty“-Urteil ist es zulässig, Händlern im Selektivvertrieb zu untersagen, Ware auf solchen Drittplattformen zu veräußern, die bei der Warenpräsentation nach außen in Erscheinung treten und selbst nicht Mitglied des selektiven Vertriebssystems sind (sog. „Logo-Klausel“).[462] Dies ist bei Plattformen wie Amazon und eBay der Fall. Der Aufruf der „Händlerseite“ erfolgt über die Webpages www.amazon.de bzw. www.ebay.de, die in den Amazon- bzw. eBay-Internetauftritt eingebettet sind. Entsprechend werden die Herstellerprodukte zwangsläufig mit dem Image der jeweiligen Plattform bzw. der übrigen dort gehandelten Produkte in Verbindung gebracht, sodass Drittplattformverbote in selektiven Vertriebssystemen jedenfalls beim Vertrieb von Luxuswaren zulässig sind.[463] Lediglich ein solches Verbot erlaube es dem Anbieter von Luxuswaren, durchzusetzen, dass seine Waren im Internet in einer Umgebung angeboten werden, die den mit seinen autorisierten Händlern vereinbarten Qualitätsanforderungen entspricht. Hält ein Händler die festgelegten Qualitätsanforderungen ferner nicht ein, kann der Anbieter auf der Grundlage der bestehenden Vertragsbeziehung gegen den Händler vorgehen. Gegenüber Drittplattformen besteht diese Möglichkeit mangels Vertragsbeziehung nicht.[464] Überdies trage ein entsprechendes Verbot angesichts der Tatsache, dass die Plattformen einen Verkaufskanal für Waren aller Art darstellen, zur Aufrechterhaltung des Luxusimage bei.[465] Ein solches Verbot gehe auch nicht über das zur Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus: So stehen dem Händler mit dem Verkauf im eigenen Online-Shop sowie über autorisierte oder nicht autorisierte Drittplattformen, deren Einschaltung für den Verbraucher nicht erkennbar ist, auch weiterhin ausreichende Verkaufsmöglichkeiten im Internet offen.[466] Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass eigene Online-Shops der Händler nach der Sektoruntersuchung E-Commerce[467] – mehr als 90 Prozent der befragten Einzelhändler betreiben solche Online-Shops – trotz der zunehmenden Bedeutung von Drittplattformen den wichtigsten Online-Verkaufskanal darstellten.[468]

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Obwohl der EuGH nach dem Vorstehenden und vorbehaltlich der ausstehenden Einzelfallprüfung durch das OLG Frankfurt wegen der Erforderlichkeit der Beschränkung des Plattformvertriebs bereits eine tatbestandsmäßige Wettbewerbsbeschränkung ausschließen konnte, befasste er sich abschließend mit der Freistellungsfähigkeit nach der Vertikal-GVO und führte aus, dass die streitgegenständlichen Drittplattformverbote nicht als Kernbeschränkung zu qualifizieren sind.[469]

EuGH: Drittplattformverbote sind keine Kernbeschränkung

Art. 4 lit. b Vertikal-GVO ist nicht einschlägig, weil Kunden von Drittplattformen innerhalb der Gruppe der Online-Käufer nicht abgrenzbar sein dürften und mithin keine separate Kundengruppe im Sinne der Vorschrift darstellen.[470]
Art. 4 lit. c Vertikal-GVO ist ebenfalls nicht erfüllt, weil es zu keiner – relevanten – Beschränkung des Internet-Vertriebs (= passiver Verkauf) an Endverbraucher komme und die Vertragshändler u.a. die Möglichkeit haben, die Kunden im Wege der Suchmaschinenwerbung anzusprechen.[471]

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Zweifel bestehen noch mit Blick auf den Anwendungsbereich der Coty-Rechtsprechung abseits von Luxusprodukten: Sind Drittplattformverbote auch zum Schutz (hochwertiger) Markenprodukte, die nicht als klassische Luxusprodukte zu qualifizieren sind, zulässig? Eine eindeutige Antwort lässt das Urteil insoweit nicht zu: „Die Wortwahl des EuGH deutet weder eindeutig in die eine noch in die andere Richtung.“[472] Zumindest das BKartA scheint eine Begrenzung des Urteils auf Luxusprodukte für eindeutig zu halten:

Lesart des Bundeskartellamts:

„#AMundt zu „Coty“-Urteil: Der #EuGH hat sich große Mühe gegeben, seine Aussagen auf den Bereich der Luxusprodukte zu beschränken. #Markenhersteller haben nach wie vor keinen Freibrief bei #Plattformverboten.“[473]
Die von Generalanwalt Wahl in seinen Schlussanträgen vorgenommene Gleichstellung von Luxus- und Qualitätswaren habe der EuGH gerade nicht übernommen.[474]

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Zumindest im Rahmen des deutschen Kartellrechtsregimes ist aufgrund der sehr kritischen Haltung des BKartA bei der Verwendung von Drittplattformverboten außerhalb des Luxussegments jedenfalls insoweit Vorsicht anzuraten, als eine Freistellung nach der Vertikal-GVO (etwa aufgrund zu hoher Marktanteile) nicht in Betracht kommt. So hat das BKartA – in Kenntnis des „Coty“-Urteils – hervorgehoben, dass Drittplattformverbote zum Schutz des Markenimages bei (hochwertigen) Markenprodukten in der Regel nicht erforderlich seien. Ausreichend seien vielmehr konkrete Qualitätsanforderungen an den Marktplatzvertrieb.[475]

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Bei der Ausgestaltung von Drittplattformverboten sollte gerade im Selektivvertrieb besonderes Augenmerk auf die diskriminierungsfreie Anwendung gelegt werden. Eine Diskriminierung kann sich dabei nicht nur aus (unterschiedlichen) Vorgaben gegenüber den einzelnen Händlern, sondern auch aus den eigenen Vertriebsbemühungen des Herstellers ergeben, wenn dieser das Internet und v.a. Marktplätze selbst nutzt.

Beispiele: Drittplattformverbote und Diskriminierung

Ein Hersteller untersagt seinen Händlern den Vertrieb über Drittplattformen unter Verweis auf das Markenimage, während er die Produkte selbst über eine Plattform verkauft oder den Plattformbetreiber als Händler autorisiert.[476]
Ein Hersteller missachtet selbst die Gründe, die den selektiven Vertrieb rechtfertigen sollen.[477] Dies hatte das KG bei einem Hersteller von Schulranzen und Rucksäcken angenommen, der den Händlern den Vertrieb „über eBay oder gleichartige Auktionsplattformen“ verbot, gleichzeitig aber Restposten sowie Auslauf- und Vorjahresmodelle an Discountmärkte verkaufte.[478]
Der Verkauf in Flugzeugen und an Flughäfen, also in einem Umfeld, in dem zumindest auch „Billigprodukte“ verkauft werden, stellt nach Auffassung des OLG Frankfurt die diskriminierungsfreie Anwendung eines Selektivvertriebssystems hingegen nicht in Frage.[479]
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