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Die aristotelische und die cartesianische Seelenkonzeption einander gegenübergestellt

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Genau weil Aristoteles die Seele nicht als eine vom Körper unabhängige Entität dachte, sondern vielmehr als die Vermögen des Lebewesens, vermied er den Fehler, der Seele die Ausübung der charakteristischen Vermögen einer Kreatur, deren Seele sie ist, beizumessen. Ja, er betonte, dass „zu sagen, die Seele sei zornig, […] so [ist], als würde man sagen, dass die Seele webe oder baue. Denn es ist gewiss besser, nicht zu sagen, die Seele bemitleide oder lerne oder denke, sondern der Mensch tue dies mit seiner Seele“ (DA 408b12–15).7 Diese Darstellung trennt die aristotelische Konzeption insofern entscheidend von der später ausgearbeiteten cartesianischen, als Descartes alle psychischen Funktionen dem Geist zuschrieb (siehe 1.2). Und sie markiert auch den entscheidenden Unterschied zwischen dem aristotelischen Denken und den Konzeptionen der Gegenwart, insofern als die Neurowissenschaftler der Gegenwart (und andere) eine Vielzahl psychischer Funktionen (besonders kognitive und willentliche) dem Gehirn zuschreiben (siehe 3.1). Was de facto heißt, einem Teil eines Lebewesens das zuzuschreiben, was ihm nur als Ganzem zukommen bzw. sinnvoll zugeschrieben werden kann.

Aristoteles’ Konzeption unterschied sich völlig von der seines Lehrers Plato, der ja die Seele als eine vom Körper unabhängige Entität betrachtete. Im Rahmen des platonischen und, viel später, cartesianischen Dualismus besteht das drängendste – und in der Tat unlösbare – Problem darin, eine schlüssige Darstellung des Verhältnisses dieser beiden Entitäten zu liefern und gleichfalls darin, die essenzielle Einheit eines menschlichen Wesens zu erklären. Diese Fragen können im aristotelischen biologischen Denkrahmen nicht aufkommen. Aristoteles erläutert weise, dass „wir […] die Frage, ob die Seele und der Körper Eines sind, als unnötige ablehnen [können]: das wäre, als würden wir fragen, ob das Wachs und seine Figur Eines sind oder generell die Materie eines Dings und das, wovon sie die Materie ist“ (DA 412b6–7). Von der Seele oder psychē einer Kreatur zu sprechen heißt kurz gesagt, von diesen essenziellen kreatürlichen Vermögen zu sprechen. Irgendein bestimmtes Ding wird seine Seele solange bewahren, wie es seine charakteristischen Funktionen auszuüben fähig ist. Sein Vermögen zur Entfaltung seiner essenziellen Fähigkeiten zu zerstören heißt, das Ding selbst zu zerstören.8

Die philosophischen Grundlagen der Neurowissenschaften

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