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Aristoteles’ Sensus-communis-Konzeption

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In seiner Wahrnehmungsdarstellung unterscheidet Aristoteles die fünf Sinne (Sinnesfähigkeiten) und die Sinnesorgane, die (vier von) ihnen korrespondieren. Die verschiedenen Sinnesvermögen gehören freilich einem einheitlichen Einzelwesen zu, dem Tier, das mit einem einheitlichen Wahrnehmungsvermögen ausgestattet ist. Die Sinne sind, heißt es bei Aristoteles, „untrennbar, doch unterschieden in der Darstellung“ – das bedeutet, dass, was die Operationen und Mechanismen jedes der Sinne angeht, eine je besondere Darstellung vonnöten ist, dass es sich jedoch bei allen um konstitutive Elemente eines einheitlichen Wahrnehmungsvermögens handelt und dass alle Sinnesorgane Teile eines vernetzten Apparates sind, von dem Aristoteles dachte, er hätte sein Zentrum im Herz. Das Lebewesen nimmt nur dann wahr, wenn die Impulse, die durch Einwirkung auf ein Sinnesorgan oder irgendeinen Teil des für ‚Anstöße‘ empfindlichen Körpers hervorgerufen wurden, vom Blut in das zentrale Sensorium im Herz übertragen werden. Aristoteles ordnete dem Herz tatsächlich die Vereinheitlichungsfunktionen zu, die wir dem Gehirn zuerkennen.9 Er charakterisierte diesen Ort unserer Wahrnehmungsfähigkeiten als ein „kontrollierendes Sinnesorgan“10 – fälschlicherweise jedoch, denn wir nehmen nicht so mit dem ‚Sensorium‘ wahr (egal, ob es sich um das Herz oder das Gehirn handelt), wie wir mit unseren Augen sehen und mit unseren Ohren hören, und es ist kein Sinnesorgan in dem Sinne, in dem Augen und Ohren Sinnesorgane sind.

Aristoteles betonte, dass, obwohl wir unterschiedliche Sinnesfähigkeiten haben und obwohl einige Sinnesobjekte (die sogenannten dem Sinn eigentümlichen Objekte, z.B. Farbe, Klang, Geruch und Geschmack) in einzigartiger Weise durch ein bestimmtes Sinnesvermögen aufgespürt werden (z.B. die Farbe durch das Sehen und der Klang durch das Hören), andere, die sogenannten gemeinsamen Objekte (z.B. Bewegung, Formgestalt, Größe, Zahl und Einheitlichkeit), durch mehr als einen Sinn wahrgenommen werden. Letzteres ist einer von zahlreichen nicht vollständig klar werdenden Gründen dafür, dass Aristoteles ein ‚primäres Wahrnehmungsvermögen‘ oder eine ‚erste Fähigkeit zur Wahrnehmung‘ postulierte, auf die er sich gelegentlich als ‚gemeinsamer Sinn‘ (‚Gemeinsinn‘)11 bezieht (und den spätere Autoren bis ins 18. Jahrhundert hinein ‚Sensus communis‘ nennen).

Die philosophischen Grundlagen der Neurowissenschaften

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