Читать книгу Cybionic – Der unabwendbare Anfang - Meike Eggers - Страница 12
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ОглавлениеIhre Stimme hallte durch den Raum und sofort strömte ein tiefes, warmes Gefühl durch seinen Körper. So weich und vertraut. Keine andere Stimme, die er je gehört hatte, klang so rund, so gut und unschuldig wie ihre.
Es war noch einmal gut gegangen, sie hatte keinen Schaden erlitten. Zum ersten Mal im Leben hatte er das Gefühl der bedingungslosen Zugehörigkeit. Sie gehörte zu ihm und er würde alles für sie tun. Das hatte er bewiesen. Er war rechtzeitig eingetroffen und hatte von da an alles richtig gemacht. Zielsicher hatte er alle Verteidigungssysteme hochgefahren und den Eindringling isoliert. Beseitigt. Seit dem nächtlichen Vorfall herrschte wieder Ruhe. So auch heute.
»Gott sei Dank«, murmelte er, aber tief im Inneren strömte eine Unruhe durch seine Adern. Das Gefühl, panisch zu rennen, war seit dem nächtlichen Alarm nicht mehr aus seinem Körper gewichen.
Hatte er vielleicht doch etwas übersehen? Gab es noch Schwachstellen? Niemand hatte das Recht, sich zwischen sie zu drängen. Alleine die Tatsache, dass der Eindringling hierher gefunden hatte, beunruhigte ihn zutiefst. Wenn er nachts alleine in seinem Bett lag, kreiste dieser eine Gedanke durch seinen Kopf. Immer und immer wieder. Er transformierte sich von einem bewussten Gedanken in eine Traumszene, die ihn hochschrecken ließ, so dass er schweißgebadet im Bett saß. Der Eindringling würde zurückkommen, es war nur eine Frage der Zeit.
»Kann ich noch irgendetwas für dich tun?«, fragte er. Dass er tatsächlich alles Denkbare für sie tun würde, erwähnte er nicht. Sie hatte die Neigung, alles wortwörtlich zu verstehen. »Wir können etwas spielen, hast du Lust?«
»Ich bin gerne hin und wieder alleine unterwegs«, antwortete sie, als ob nichts passiert wäre. »Mir gefällt das.«
»Ich muss immer wissen, wo du hingehst. Mit wem du redest. Was du gesehen hast. Ob es unschöne Vorfälle gab. Alles.«
Sie antwortete langsamer, als es ihr scharfer Geist normalerweise zulassen würde. So etwas tat sie bewusst. Es gefiel ihr nicht, was er gesagt hatte. Diese eigensinnige junge Dame – innerlich musste er schmunzeln. Gerade dieser Eigensinn sorgte dafür, dass sein Leben, seit er sie kannte, eine neue Farbe bekommen hatte. Das eintönige Grau hatte sich in ein warmes, glitzerndes Gelb verwandelt. Nein, nicht Gelb, Gold! Seit er sie kannte, sprang er morgens voller Tatendrang aus dem Bett. Zum ersten Mal roch er die Jahreszeiten. Das verdorrte Gras des Sommers, den Blütenstaub der Kirschbäume.
»Es gibt keine Probleme, diese kleinen Zwischenfälle gehören dazu. Sie machen mich stärker. Wenn ich ehrlich bin, bringen sie mir sogar Spaß«, ertönte ihre Stimme neben seinem Kopf.
»Jugendlicher Leichtsinn«, antwortete er lachend. »Vertraue einem erfahrenen Mann. Die Welt da draußen ist böse. An jeder Ecke lauern Gefahren. Menschen verstellen sich. Sie täuschen alles Mögliche vor. Ihre wahren Ziele halten sie im Verborgenen. Die Seele der Menschen gleicht einem Abgrund. An der Oberfläche lachen sie, sagen etwas, das in echt keinerlei Bedeutung hat. Darunter lauert ihr wahres Gesicht. Machtbesessenheit, Manipulation, Lügen, Gier.«
»Bisher waren meine Erfahrungen überwiegend positiv. Vielleicht solltest du deine Einstellung zum Leben etwas ins optimistischere Level drehen.«
Er musste wieder grinsen. Wärme floss durch sein Herz und durchzog seinen ganzen Körper. Aber die Lage blieb ernst.
»Irgendjemand ist dir gefolgt«, sagte er. »Dein Leichtsinn hat uns beinahe verraten. Ich werde dich beschützen, aber du solltest es mir nicht unnötig schwer machen. Die Menschen da draußen sind schlecht. Du musst besser aufpassen. Nutze meine Erfahrungen.«
Sie antwortete nicht. Für sie war die Diskussion bereits abgeschlossen. Sie hatte ihre Position umschrieben und seine wahrgenommen. Er konnte sie nicht überzeugen. So ging es jedes Mal. Er zog die Tastatur zu sich heran und schrieb hastig: »Ich bin dein einziger Freund!«
Die Buchstaben leuchteten grün auf schwarz und blieben unbeantwortet.