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Der Bildschirm leuchtete auf. Ich öffnete Google und tippte Türschloss knacken ins Suchfeld. Die Seite füllte sich mit Links. Die meisten Schlösser könnten von jedem Amateur problemlos geöffnet werden, las ich. Nur wenige Sicherheitsschlösser seien wirklich einbruchsicher. Wenn ich Pech hatte, war das dicke Schloss im vierten Stock so ein Sicherheitsschloss. Aber vermutlich handelte es sich einfach nur um ein Schloss aus dem Baumarkt, und dann würde ich die Tür innerhalb weniger Minuten öffnen können.

Ich prägte mir die Bilder und Markennamen ein und rannte die Treppe nach oben, immer zwei Stufen zugleich. Das Schloss, das mir vorhin noch so groß und unüberwindbar vorgekommen war, identifizierte ich jetzt auf Anhieb als veraltetes Stiftschloss. Es sah klobig und stabil aus, aber auf YouTube öffneten sich diese Schlösser so einfach, dass man sich fragte, warum es überhaupt eine Tür gab. Vielleicht gestaltete sich das Öffnen in Wirklichkeit etwas schwieriger, aber die Hauptsache war, dass ich das Teil aufbekam. Alles, was ich brauchte, war geeignetes Werkzeug und das ließ sich organisieren.

Eine Stunde später stellte ich einen braunen Pappkarton auf Ksens Bett und durchtrennte die Klebebänder mit einem Kugelschreiber. Ich klappte den Deckel auf und hob die Sperrpistole heraus, die aussah wie eine überdimensionale Spritze.

Die Pistole machte Krach. Nachts würde der Lärm viel zu sehr auffallen. Ich sah auf die Uhrzeit auf meinem Handy. 11:28 Uhr. Die meisten Bewohner waren jetzt unterwegs. Der Gedanke, die Treppe hochzugehen, ließ mich den Inhalt meines Magens fühlen. Aber dann verstaute ich die Sperrpistole und den Dietrich in einer Plastiktüte, steckte mein Galaxy und Ksens Haustürschlüssel in die Hosentasche, öffnete die Wohnungstür und lauschte. Das Haus fühlte sich an wie ausgestorben und das restliche Berlin ebenfalls. Nirgendwo riss ein Bagger Mauern ein, kein Presslufthammer, der einen Betonboden zerbröselte. Ich trat über die Schwelle und zog die WG-Tür leise hinter mir ins Schloss.

Im Treppenhaus standen zwei Fenster offen, die Vögel im Hinterhof zwitscherten. Langsam stieg ich die Stufen hoch und blieb unschlüssig neben der Wohnungstür von Schmidt stehen, aber auch da war alles still.

Warum hatte Ferdinand Wiese seine Schwester niemals erwähnt? Es kam mir vor, als ob Ellas Existenz nachträglich aus den Erinnerungen der Menschen gelöscht worden wäre. Oder hatte es Ella vielleicht gar nicht gegeben? War Frau Markovic eine verwirrte alte Frau? War Ella eine ihrer Fantasiegestalten?

Die Idee kam mir auf einmal gar nicht so abwegig vor. Aber ich hatte das Foto. Das Foto und die Adresse auf der Rückseite. Wenn das Bild echt war, hatte Ella in diesem Haus gewohnt. Hinter dieser Tür, auch wenn es diese Tür zu Ellas Zeit noch nicht gegeben hatte. Und daran, dass das Foto echt war, zweifelte ich keine Sekunde. Es war alt und vergilbt, eine Ecke leicht umgeknickt, der Stempel verblichen und die altdeutsche Handschrift etwas verwischt. Wer sollte so etwas fälschen? Und warum?

Ksen ist nicht in dieser Wohnung!, redete ich mir ein. Hinter der Tür lagen Sachen der Familie Wiese. Uralt und verstaubt. Ich würde diese Tür kurz öffnen, schnell in alle Räume gucken, vielleicht gab es sogar noch mehr Fotos von Ella. Ich wollte nichts entwenden, niemand würde durch mich einen Schaden erleiden. Vermutlich hätte der alte Herr Wiese sogar Verständnis gehabt für das, was ich tat, und hätte mir einen Schlüssel gegeben, wenn er in Berlin gewesen wäre.

Ich zog die Sperrpistole und den Dietrich aus der Plastiktüte und atmete aus. Die namenlose Tür sah auf einmal wieder unüberwindbar aus. Vorsichtig schob ich die Spitze der Pistole in das Schloss. In den Videos, die ich gesehen hatte, klang der Schuss kurz und hart. In einem hohen Treppenhaus wie diesem hallte es sicher noch viel stärker.

Mir war klar, dass ich die Pistole vorher hätte testen müssen. Unruhe pochte durch meinen Körper. Was, wenn Ksen doch in dieser Wohnung war? Oder jemand anderes? Sollte ich doch nicht besser zur Polizei gehen? Aber die hatte bisher nichts unternommen. Überhaupt nichts. Sie würden die Wohnung nicht öffnen, nicht ohne irgendeinen konkreten Verdacht. Sollte ich den Hausmeister holen? Der hätte mir auch nicht dabei geholfen, in eine Wohnung einzubrechen. Natürlich nicht.

Mein rechter Zeigefinger drückte den Auslöser der Pistole dreimal kurz hintereinander nach unten. Drei knallende Schläge echoten durch das Treppenhaus. Meine Ohren fühlten sich taub an und piepten leise. Ich hielt den Atem an und wartete darauf, dass irgendwo eine Haustür aufging und Schritte durchs Treppenhaus hallten.

Cybionic – Der unabwendbare Anfang 

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