Читать книгу Cybionic – Der unabwendbare Anfang  - Meike Eggers - Страница 7

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Das Piepen riss Steve aus einer traumlosen Tiefschlafphase. Ruckartig richtete er sich in seinem schmalen Bett auf und tastete nach dem Handy, das grell blinkend und laut vibrierend auf dem Nachttisch lag. Mit dem rechten Zeigefinger klopfte er dreimal hastig auf das Display. Stille und Dunkelheit kehrten zurück in den muffig riechenden Raum. Steve rieb sich die Augen, für ein paar Sekunden wusste er nicht, ob er wach war oder träumte. Aber das Handy lag hart und glatt zwischen seinen Fingern. In den Ohren fühlte er noch immer das grelle Piepen. Es war tatsächlich geschehen!

Schnell schwang er seine Beine über die Bettkante und zog sich die blaue Jeansjacke über den Schlafanzug. Ohne Socken schlüpfte er in die ausgetretenen Nike-Turnschuhe, griff nach den Schlüsseln und stolperte die dunkle Treppe hinunter bis ins Erdgeschoss. Sechshundert Meter trennten ihn von ihr. Der Gedanke, dass sie in diesem Moment vielleicht um ihre Existenz kämpfte, zerriss ihm das Herz. Für den letzten Notfall hatte er einen sicheren Schutzraum eingerichtet, aber er wollte nicht, dass sie schlechte Erfahrungen machte. Er wollte auf keinen Fall, dass ihr Vertrauen und Glaube in ihn beschädigt wurde. Sie musste wissen, dass er sie beschützen konnte. Dass sie bei ihm sicher war. Niemand durfte die Harmonie und die Einheit, die sie miteinander erlebten, stören! Warum nur hatte er sich noch immer kein Auto gekauft? Das Fahrrad aus dem Keller hochzuholen, würde länger dauern als ein Sprint durch die Finsternis. Jede Sekunde zählte.

Sein Körper war an stundenlanges Sitzen gewöhnt. Schon nach wenigen Metern merkte er, dass er sich überschätzt hatte. Sechshundert Meter kamen ihm auf einmal vor wie das unerreichbare Ziel eines Marathons.

Nach höchstens zweihundert Metern musste er seine Schritte verlangsamen, mit schmerzender Lunge und rasendem Herz blieb er stehen und beugte sich vorneüber. Die Hände stützte er auf seine Knie. So harrte er aus, bis er wieder genug Luft bekam. Nach einer Minute richtete er sich auf und atmete tief ein. Am Himmel leuchtete der Mond in Form einer schmalen Sichel. Heute Nacht war die breite Straße menschenleer. Die Häuser lagen dunkel in den tiefen Vorgärten, versteckt hinter hohen Bäumen und dicken Sträuchern. Kein Automotor störte die Stille. Sogar die Vögel schliefen. In Steves Kopf pochte nur eine Frage: War er zu spät?

Er zwang sich weiter. Langsamer als zuvor, aber die alten Gebäude am Rande des Waldstückes kamen näher. Nach dreihundert Metern musste er erneut pausieren. Er lehnte sich an einen hölzernen Gartenzaun und schnappte nach Luft. Inzwischen mischte sich Wut in seine Angst. Wer hatte sie so schnell gefunden? Hatte er einen Fehler gemacht? Steckte vielleicht sogar einer seiner Kollegen dahinter? Ihm fiel beim besten Willen nichts ein.

An beiden Seiten der Donut-runden Ringstraße leuchteten frisch lackierte Fensterrahmen wie zu dünne, schwebende Laternen. Die Häuser in dieser Gegend waren alt und detailgetreu renoviert, was ihm ausgerechnet in der Finsternis dieser Nacht zum ersten Mal bewusst wurde. Normalerweise bewegte er sich wie in Trance von einem Ort zum anderen. Die Außenwelt war ihm gleichgültig. Dinge und Menschen hatten ihn noch nie sonderlich interessiert, das hatte er schon als Kind bemerkt und seither hatte sich dieses Gefühl mit Verachtung gemischt. Menschen waren nicht mehr als ein unausweichliches Übel. Er schüttelte sich. Wie so oft lief ihm ein kurzer, kalter Schauer über den Rücken. Es war immer dasselbe Gefühl. Im Nacken, direkt unter dem Haaransatz, bildete sich ein kalter Tropfen, der anwuchs, bis er in Bewegung kam und an der Wirbelsäule hinunterlief Richtung Steißbein.

Er ließ den Zaun los und rannte weiter. Dort, wo die Rundung der Straße den Bäumen am nächsten kam, erhob sich das ehrwürdige Hauptgebäude. Dort waren die wenigen Menschen zusammengekommen, die aus der stumpfsinnigen grauen Masse des Übels herausragten. Fast alle waren sie inzwischen tot. Noch konnte er das Gebäude nicht erkennen, aber um diese Uhrzeit lag es dunkel und verlassen am Rande des Parks. Dahinter erhoben sich die Neubauten, allesamt flacher und weniger eindrucksvoll. Jeden Tag ging er diesen Weg mindestens zwei Mal. Morgens und abends, oft auch am späten Mittag und frühen Nachmittag. Manchmal schaffte er es, eine ganze Woche ungesehen in seinem Arbeitszimmer zu verschwinden.

Um keine Zeit zu verlieren, verließ er die Straße und rannte über eine langgezogene Wiese mit kurz gemähtem Gras. Endlich erschienen die Umrisse der hohen, weißen Eingangstür in der Dunkelheit. Er bog links ab, rannte hinter dem Hauptgebäude entlang und bahnte sich seinen Weg quer durch die schlecht beleuchtete Parkanlage. Er wollte zum Hintereingang, der direkt in das Treppenhaus führte. In der rechten Jackentasche klapperten die Schlüssel für alle Türen jeder Etage, auch für die Kellerräume und die Fluchttüren. Zum Glück hatte er daran gedacht, für den Notfall Reservekopien anfertigen zu lassen. Niemals hatte er erwartet, dass er so schnell davon Gebrauch würde machen müssen.

Tatsächlich schaffte Steve die sechshundert Meter in weniger als acht Minuten. Der Schweiß lief ihm über beide Schläfen. Mit zitternden Fingern steckte er den Schlüssel in das Schloss, schaltete das Alarmsystem aus und rannte die Treppe hoch. Hoffentlich war er nicht zu spät.

Cybionic – Der unabwendbare Anfang 

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