Читать книгу Cybionic – Der unabwendbare Anfang  - Meike Eggers - Страница 13

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In Amerika gab es unzählige Institutes for und noch mehr Städte, die mit B oder P anfingen. Wir hatten bis spät in der Nacht an Antonias originalem Bauhaus-Küchentisch von Marcel Breuer mit dem inspirierenden Namen B14/3 gesessen, Bier getrunken und eine Liste möglicher Institute aufgestellt. Schließlich war Antonia mit dem Kopf auf der Tischplatte eingeschlafen. Ich hatte sie zu ihrem Bett getragen, war zurück in die Küche gegangen und hatte meinen Stuhl wieder zwischen die polierten Stahlrohrbeine gezogen. Antonia hatte den Tisch von ihrem Vater zum zwanzigsten Geburtstag bekommen. Mindestens dreitausend Euro hatte er auf einer Versteigerung dafür hingeblättert.

Draußen dämmerte es. Die Dächer lagen dunkel vor dem langsam heller werdenden Nachthimmel. Ich zog das Foto aus dem Briefumschlag und betrachtete die junge Frau. Wer war diese Ella? Warum hatte Ksen ihr Foto versteckt? Warum hatte sie es überhaupt mitgenommen?

Um kurz nach sieben schlich ich noch einmal ins Schlafzimmer. Antonia lag in ihre Decke gerollt auf dem Bauch und schlief fest. Ich ging ins Treppenhaus und zog die Wohnungstür leise hinter mir zu. Seit zwei Nächten hatte ich nicht geschlafen und fühlte mich, als ob ich mich in einer unsichtbaren Blase befände. Wie ein Kosmonaut, der in einer zu nahen Umlaufbahn um die Sonne kreiste. Die Geräusche auf der Straße waren gedämpft und meine Beine fühlten sich taub an. Eigentlich wollte ich zur U-Bahn gehen und zu meinem eigenen WG-Zimmer in Neukölln fahren. Aber dann lief ich doch unter den Hochbahngleisen der U2 hindurch, bog links in die Kastanienallee und ging weiter bis zur Oderberger Straße. Ich musste Ksens Handy zurückbringen, das Ding machte mich nervös. Vielleicht kam sie ja doch einfach so wieder nach Hause, genauso wie Antonia vermutete. Vielleicht war sie sogar schon da.

Als ich vor der Nummer 33 stand, dröhnte hinter mir ein Dieselmotor. Ich drehte mich um und sah einen alten, beigefarbenen Mercedes Kombi mühsam über den Bordstein schaukeln. Am Steuer saß eine blonde Frau, auf dem Beifahrersitz erkannte ich Karl, Ksens Vermieter, der mit einer Zigarette aus dem geöffneten Fenster aschte.

»Ah, der Herr Bruder, wollen Sie Ihrer Schwester etwa zu dieser unchristlichen Zeit einen Besuch abstatten?«, rief er.

Der Mercedes parkte direkt neben mir auf dem breiten Bürgersteig. Karl stieg aus, öffnete den Kofferraum und hievte einen Umzugskarton heraus.

»Hast du zufällig Lust, zehn Euro zu verdienen? Das muss alles hoch.« Er zeigte auf die Kartons auf der Ladefläche. »Höchstens zwanzig Minuten Arbeit. Und diese Dame da«, er nickte in Richtung der blonden Frau, »bereitet in der Zwischenzeit ein Frühstück.«

Da ich sowieso nach oben wollte, nahm ich den Karton, den Karl mir auf den Arm drückte, stieg die Treppe hoch und stellte ihn im Flur ab.

Ksens Zimmertür war geschlossen, vorsichtig schob ich sie auf und sah hinein. Alles schien unverändert. Der Kleiderhaufen neben dem Schrank, die zerwühlte Bettdecke. Sie war nicht zu Hause gewesen.

Nach einer Dreiviertelstunde stand der gesamte Inhalt des Kofferraums im Flur und in der Küche von Ksens WG. Karl wischte sich den Schweiß von der Stirn und zog eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank. »Auch eins?«

Ich schüttelte den Kopf.

Er ließ sich auf einen Stuhl plumpsen und stöhnte laut. »Was für ein Gerümpel!«

Die blonde Frau reichte ihm ein Stück Küchenrolle, womit er seine Stirn trocken tupfte.

»Lass es doch einfach erstmal stehen, wir sehen uns später an, was wegkann«, sagte sie.

»Meinetwegen kann alles sofort weg!«

Karl öffnete den Umzugskarton, der auf dem Stuhl neben ihm stand, und zog einen alten Toaster heraus, einen großen silbernen Suppenlöffel und einen abgegriffenen, orangefarbenen Schuhkarton.

»Setz dich, du machst mich nervös.« Er klopfte mit dem Suppenlöffel auf den freien Stuhl. Ich zog den Stuhl ein Stück von Karl weg und setzte mich.

Die blonde Frau reichte einen Korb mit Brötchen über den Tisch, Karl schob ihre Hand mit einer ungeduldigen Bewegung zur Seite und hob den Deckel des Schuhkartons an. Darin stapelten sich alte Fotos in allen möglichen Farben und Größen. Ganz oben lag ein Schwarzweißfoto, auf dem eine Frau und ein paar Kinder an einem Küchentisch zu sehen waren. Ich beugte mich zu Karl. War das die Frau auf Ksens Foto? Nur zehn oder fünfzehn Jahre älter?

»Guck, das bin ich!« Karl nahm das Foto und zeigte auf den vordersten kleinen Jungen.

Die Frau trug eine 60er-Jahre-Bob-Frisur und versuchte zu lächeln, was ihre ohnehin unglückliche Ausstrahlung nur noch verstärkte.

»Hier, der Kleine ganz vorne neben dem Kachelofen. Das bin ich«, wiederholte Karl und sah mich erwartungsvoll an. »Und das hier sind meine Brüder, wir waren sieben Jungs. Kannst du dir das vorstellen? Ein Remmidemmi, sag ich dir! Das war meine Mutter.« Er zeigte auf die Frau mit dem Bob. »Das ist übrigens hier. Da an der Wand stand früher der Esstisch.« Er wies zu dem Gasherd. »Wenn du wüsstest, was das hier für eine Bruchbude war! Der ganze zusammengeflickte Ost-Scheiß. Ein Patchwork des Elends, sag ich dir. Ich habe alles eigenhändig renoviert.«

»Sie haben hier schon als Kind gewohnt?«

»Ich hab hier mein ganzes Leben gewohnt, junger Mann. Also beinahe, jetzt nutze ich nur noch ein Zimmer, um ein paar Sachen abzustellen. Die übrigen Räume vermiete ich an junge Leute, die mir halbwegs vernünftig vorkommen. So wie deine Schwester. Wohnen tue ich ja eigentlich bei dieser Schönheit.« Er zeigte auf die blonde Frau, die ihm einen genervten Blick zuwarf. »Als ich mit meiner Familie hier einzog, war ich fünf oder sechs Jahre alt. Davor haben wir in Köpenick gewohnt. Aber hör auf, mich zu siezen, sonst fühl ich mich noch wie ein Greis!«

Karl wühlte weiter im Karton. Er kommentierte jedes Bild, das er in die Hand nahm. Da sah man seinen Zwillingsbruder Klaus, zu dem er seit dreißig Jahren keinen Kontakt mehr hatte. Vater, ausnahmsweise zu Hause. Seine Mutter vorm Weihnachtsbaum, die Geschenke verteilt über den Fußboden. Er hielt die Fotos in einem rasenden Tempo hoch und ließ sie wieder achtlos in den Karton fallen. Auf den meisten Bildern war Karls Mutter zu sehen. Karls Mutter jung, Karls Mutter älter, Karls Mutter alt. Ihre Gesichtszüge veränderten sich im Laufe der Jahre. In ihren Vierzigern hatten sich tiefe Zornesfalten zwischen ihre Augenbrauen gegraben. Das nervöse Lächeln war verschwunden, ihr Mund zu einem waagerechten Strich geworden.

Während Karl sein Bier trank und ununterbrochen redete, überschlug ich die Jahreszahlen im Kopf. Das Bild mit den sieben Kindern am Küchentisch stammte aus den späten Sechzigern. Da war Karls Mutter ungefähr dreißig Jahre alt gewesen. Ksens Foto war 1938 aufgenommen worden. Die Frau war zu dem Zeitpunkt höchstens zwanzig gewesen. Ende der Sechziger wäre sie also ungefähr fünfundvierzig Jahre gewesen, fünfzehn Jahre älter als Karls Mutter. Karls Mutter konnte nicht die Frau auf Ksens Foto sein.

»Hier!« Er drückte mir den Karton in die Hände. »Du guckst, als ob dich das alles brennend interessieren würde.«

Die blonde Frau sah Karl entsetzt an. »Du kannst die Fotos doch nicht einfach verschenken! Vielleicht möchte einer deiner Brüder den Karton aufbewahren.«

»Hast du jemanden gesehen, als wir die Wohnung ausgeräumt haben? Eben! Darum kann ich mit den Sachen machen, was ich will. Was heißt, was ich will! Ich will nicht, ich muss dafür sorgen, dass der Kram entsorgt wird!« Er stieß ein verächtliches Schnaufen aus und verschwand im Flur. Seine Freundin folgte ihm.

Ein paar Minuten später kam Karl alleine zurück und drückte mir einen Zehneuroschein in die Hand.

»Hast du die alten Fotos der Wohnung schon gesehen? Was meinst du, was das für eine Arbeit war!«

»Vielleicht will einer deiner Brüder die Bilder ja doch aufbewahren.« Ich legte den Deckel auf den Karton und schob ihn in Karls Richtung.

»Quatsch. Will niemand haben, den Kram. Meine Mutter war krankhaft sentimental. Die hat alles aufbewahrt. Ich hab das Zeug durchgesehen. Unscharf, falsche Farben, wer will schon solche Fotos?«

»Es sind Familienerinnerungen.«

»Wie gesagt: sentimentaler Kram. Früher dies, früher das. Das Gleiche hatte meine Mutter mit dieser Wohnung. Jahrelang wollte sie ausziehen, aber bis sie sich endlich von der Bruchbude trennen konnte, war sie eine alte Frau. Dann ist sie nach Wiesbaden, um Tante Erna zu versorgen. Ihre Rente aufbessern, sagte sie immer. In Wahrheit war es ein ordinäres Rübermachen. So nannten wir das, wenn man in den Westen abhaute. Und wieder typisch meine Mutter, dass sie das erst fünf Jahre nach dem Mauerfall hinbekommen hat. Mit der Deutschen Bahn über den Todesstreifen.« Karl lachte. »Willst du jetzt ein Bier? Ich kann Gesellschaft gebrauchen. Meine Dame ist gerade sauer abgezogen.« Er setzte sich auf den Stuhl mir gegenüber, auf dem eben noch seine Freundin gesessen hatte.

»Ich wollte eigentlich gerade gehen.«

»Musst du etwa arbeiten?«

Ich schüttelte den Kopf.

»Dacht ich mir! Also, ich frag jetzt zum letzten Mal: Auch eins?« Er zeigte auf den Kühlschrank. »Unterstes Fach.«

Ich stand auf und holte eine Bierflasche aus dem Kühlschrank.

Karl sah mir zufrieden zu. »Erst wollte ich die Bruchbude ja gar nicht«, fuhr er fort, »aber im Nachhinein ein brillanter Schachzug.«

»War es Zufall, dass das Haus genau zur gleichen Zeit verkauft wurde, als deine Mutter umgezogen ist?«, fragte ich.

Karl war mir unsympathisch und ich hatte keine Lust auf Bier, aber vielleicht kannte er die junge Frau auf dem alten Foto.

»Meine Mutter ist umgezogen, weil das Haus verkauft wurde. Von wegen Zufall. Aber das ist eine lange Geschichte. Das Haus hier, das hat was mitgemacht, sag ich dir. Das gibt’s nur in Berlin. Ihr seid ja keine Berliner, was?«

»Meine Familie kommt aus Tschetschenien, meine Eltern sind nach Bonn geflüchtet, als ich neun war.«

»Aha! Das hab ich doch geahnt, dass ihr Russen seid. Die Augen und die schwarzen Haare. Wie der junge Stalin, nur solltest du mal wieder zum Frisör gehen.«

Ich lächelte, obwohl ich keine Lust hatte, mir wieder einmal alle Klischees über Russen oder Stalin anzuhören.

»Also das Haus hier«, Karl nahm einen Schluck aus der Flasche, »dieses Haus hier ist so oft enteignet worden, dass irgendwann niemand mehr wusste, was er damit machen soll.« Er lachte laut. »Irgendwann kam so ein Brief, ein paar Jahre nach dem Fall der Mauer. Meine Mutter hätte beinahe einen Herzinfarkt bekommen, als sie ihn öffnete. Ich seh sie noch vor mir stehen, weißes Gesicht, zitternde Hände. Als ob sie von einer Sekunde auf die andere Alzheimer im Endstadium entwickelt hätte. Also, das Haus sollte verkauft werden, weil es gerichtliche Streitigkeiten zwischen zwei einst enteigneten Parteien gab. Die einen enteignet durch die Nazis, die anderen durch die Russen, deine Landsleute, die gingen ja auch nicht gerade mit Samthandschuhen zur Sache.« Karl verschluckte sich und hustete, bis ihm die Tränen über das Gesicht liefen.

»Mussten die Bewohner jedes Mal ausziehen, wenn das Haus enteignet wurde?«, fragte ich, als er aufgehört hatte zu husten.

»So in der Art. Oder besser gesagt, einige. Das Haus wurde von einem reichen Juden gebaut. Grünthal oder Grünerberg oder so hieß der. Der hatte mehrere Fabriken in Berlin. Großer Fisch, richtig fett Kohle, aber den Nazis ein Dorn im Auge. Klar, weil er Jude war und Kapitalist. Aber der gute Mann war clever. Der hat früh kapiert, was los war. Der hat hier nicht gewartet, bis sie ihn abgeholt haben. Als die Nazis seine Fabriken beschlagnahmten, da hat der sich wohl gedacht, ich mach mich mal lieber vom Acker. Das Haus hat er für einen Spottpreis verkauft, also eigentlich verschenkt, und ist rüber nach Amerika. Gerade noch rechtzeitig. Dann kam der Krieg und danach stand das Haus im sowjetischen Sektor. Und der Typ, der das Haus von dem Juden gekauft hatte, der hatte Pech. So ist das Leben. Erst bescheißt du einen und dann wirst du selbst beschissen. Auf jeden Fall lief die Zonengrenze ja hier vor der Tür entlang.« Karl hielt kurz inne und nahm einen Schluck. »Also die Grenze zu den Wessis, die lief da draußen an der Bernauer Straße entlang. Auf der Höhe der Oderberger Straße machte die einen Knick nach Norden. Durch den Mauerpark.« Er nickte Richtung Fenster. »Die eine Straßenseite war von den Russen, die andere Seite war West-Sektor. Und die Russen dachten sich wohl, nette Aussicht in der Bude, kann man dem Klassenfeind so richtig schön auf die Finger glotzen. Dem Typen, der das Haus von dem Juden für ’nen Appel und ’n Ei gekriegt hatte, haben sie eine russische Kartoffel angeboten. Enteignen nannte man das ja nicht. Aber wenn der nein gesagt hätte, hätten sie den direkt nach Sibirien verfrachtet. Früher oder später wär’ er die Bude eh losgeworden. Besitz war was für Kapitalisten.«

»Und die Leute, die hier gewohnt haben? Mussten die weg?«

»Die ganz oben, in der fünften Etage, die mussten raus und die im Erdgeschoss auch. Die anderen durften bleiben. Ganz oben saßen dann die Russen. Bisschen in den Westen gucken, nehm ich an. Was die unten im Erdgeschoss gemacht haben – keine Ahnung. Verglichen mit dem, was die heutzutage an Spionage betreiben, war das ja alles Firlefanz. Hat man nichts von gemerkt. Ich hab ab und zu Gestalten in Ledermänteln durchs Treppenhaus schleichen sehen. Haben nie ein Wort gesagt, die Ledermäntel, aber das waren ganz sicher Russen. Aber wir hatten da keinen Ärger mit. Passierte alles ganz ruhig. Nachdem die Russen weg waren, 1990, da wurde das Haus erstmal Eigentum der DDR. Ein paar Wochen lang. Hat man auch nichts von gemerkt. Dann gab’s die DDR nicht mehr und das Haus wurde von der Treuhand verwaltet. Die Behörde, die das volkseigene Vermögen der DDR unter den Kapitalisten verhökert hat.« Karl lachte zynisch. »Die Bonzen aus dem Westen haben sich schon die Finger geleckt, das kannst du mir glauben. Aber dann kamen denen die Erben von dem jüdischen Geschäftsmann und von dem Typen, der das Haus gegen die russische Kartoffel tauschen musste, in die Quere. Die wollten das Haus natürlich auch zurück. Na ja, es gab also ein Gerichtsverfahren und letztendlich haben sie das Haus verkauft, um die Parteien auszubezahlen, nehm ich an. Das war 1994. Da wurde den Mietern ihre Wohnung zum Kauf angeboten und meine Mutter bekam also beinahe den Nervenzusammenbruch, als sie den Brief las. Und dann ist sie in den Westen. Ein Kumpel von mir war damals Makler, der sagte nur: ›Kaufen! Das ist die Chance. So billig kriegst du nie wieder eine Wohnung mitten in Berlin.‹ Im Frühjahr 1995 war die Bruchbude dann mein. Ich habe meiner Mutter angeboten, zurückzukommen, aber die wollte von der Wohnung nichts mehr wissen.«

»Nicht schlecht.«

»Aber zu welchem Preis! Jahrelang hab ich renoviert. Und die freien Zimmer vermietet, um das alles zu finanzieren. Aber mein Kumpel hatte recht. Guck, was hier jetzt für dicke Autos vor den Häusern stehen und wie es aussieht. Alles picobello. Als in den Neunzigern dieses ganze junge Volk in den Stadtteil einfiel, dachte ich nur: Oh je, sieh zu, dass du die Bude fertig kriegst und hier wegkommst. Chaoten, Hausbesetzer, Studenten. Ein wertloses Volk. Aber jetzt haben die richtig Kohle und leider auch einen Haufen brüllender Kinder. Bei meiner Hübschen in Blankenfelde, da hab ich meine Ruhe. Meistens. Heute gab es ein bisschen Zoff, aber genau für die Tage habe ich ja noch mein Zimmer in dieser WG. Was denkst du, was so eine Bude wie diese jetzt kostet?« Er sah mich vor Stolz fast platzend an.

Ich zog die Schultern hoch. »Eine halbe Million?«

»Minimum! Wenn ich die Wohnung verkaufe, kann ich mir ’ne Villa im Spreewald zulegen.«

»Ich muss langsam mal los«, sagte ich, als ich mir sicher war, dass Karl mit dem Thema Haus fertig war.

»Ich erzähle dir gerne mehr, Junge. Studierst du Geschichte, oder warum interessiert dich das alles?«

»Architektur.«

»Aha, daher dein Interesse für Häuser. Das ist wenigstens mal was Handfestes. Die meisten jungen Leute studieren ja heute so unbegreifliche Dinge. Wie deine Schwester. Ich frag mich immer, wer so was braucht. Womit will sie später ihr Geld verdienen? Mit Computerspielen? Was hat das für einen Nutzen? Das hat doch nichts mit dem echten Leben zu tun!«

Er schüttelte seinen kahlen Kopf. »Häuser bauen ist gut. Häuser werden die Menschen immer brauchen!«

Ich nickte, trank das Bier aus und ging noch einmal in Ksens Zimmer. Dort legte ich das Galaxy auf ihren Schreibtisch, sah zu den alten Fotos an der Wand und tastete nach dem Original in meiner Hosentasche. Vor der Küchentür hielt ich kurz inne und zog das Foto heraus. Sollte ich Karl fragen, ob er die Frau kannte? Ich schüttelte den Kopf. Ksen hatte das Bild versteckt, weil sie nicht wollte, dass andere es sahen. Schnell schob ich es wieder in meine Tasche, lief die Treppe hinunter und fuhr mit der U-Bahn nach Neukölln.

Cybionic – Der unabwendbare Anfang 

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