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Die verschwundenen Züge der Circle Line

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Über das Pendeln in und um London könnte man Romane schreiben. Wenn man den Londonern glauben schenken kann, hassen sie die U-Bahn. Aber sie hassen es noch viel mehr, wenn sie nicht fährt. Erst dann lernt man schätzen, dass die Fahrt in einer Sardinenbüchse immer noch besser ist, als gar keine Fahrt. An Streiktagen lernt man die Tube – mit all ihren Fehlern – wieder zu schätzen.

Ein Grund dafür, dass Londoner die U-Bahn nicht so richtig ins Herz geschlossen haben ist zwar die Unbequemlichkeit der Fahrt, aber ein anderer ist die Unzuverlässigkeit. Die Reise von A nach B kann sehr, sehr lange dauern. Manchmal steht man ewig wartend auf dem Bahnsteig, der immer voller wird, oder aber man sitzt ewig wartend in einer unbewegten U-Bahn in einem dunklen Tunnel. (Man hängt gewissermaßen im Schacht.) Verzögerungen können aber natürlich auch bei Eisenbahnfahrten auftreten.

Oft liegt’s am Wetter. Wie kann das sein? Wen kümmert unter der Erde das Wetter? Doch auch die längste unterirdische U-Bahn-Strecke hat ein Ende, und das letzte Stück fahren die Züge oberirdisch. Eine Verzögerung hier verursacht einen Rückstau auf der ganzen Strecke. Die Londoner U-Bahn hat Probleme mit: Schnee, Eis, Blättern auf den Gleisen, Wind und Hitze. Bei starken Regenfällen werden die unterirdischen Gleise manchmal überflutet. Das optimale Wetter für den U-Bahn-Verkehr ist fast nicht zu erzielen.

Immerhin wird man in der Regel per Durchsage darüber informiert, warum nichts geht. Meist ist es „Signalversagen“. Erstaunlicherweise hört man auch recht oft: „ ... due to a passenger incident“ oder „ ... due to a person under a train“ – es fallen oder springen anscheinend viele Leute vor Züge. Als ich noch in London lebte und täglich U-Bahn fuhr habe ich diese Durchsage tragischerweise im Schnitt einmal in der Woche gehört.

Ganz häufig ist es auch: „... due to a security alert“. Das ist eigentlich in der Regel nichts weiter, als dass jemand eine Tasche in der U-Bahn vergessen hat, aber es führt zu erheblichen Verzögerungen, nicht erst seit den Anschlägen vom 7. Juli 2005, sondern auch schon lange davor. Alle nachfolgenden Züge werden angehalten und der Bahnhof in dem der Zug mit dem vergessenen Gepäckstück steht wird evakuiert. Ich weiß nicht wie oft ich einen Bahnhof aus Sicherheitsgründen verlassen musste. Jeder flucht auf den Dussel, der seinen Rucksack hat liegen lassen – und hofft, dass einem das nicht einmal selbst passiert. Kann ja mal vorkommen, darf aber nicht.

Manche Ansagen veranlassen aber die Reisenden zur Verwunderung. Gut war eines morgens eine Durchsage auf der Circle Line: „Erhebliche Verspätungen aus Mangel an Zügen“. Wie? Gestern Abend waren sie alle noch da und heute sind sie weg? Wie kann das sein? Haben Jugendliche Joyrider des nachts die U-Bahn-Züge geklaut? Die Abendzeitung klärte es auf: Die U-Bahn-Fahrer weigerten sich, die älteren Züge der Circle Line zu fahren, weil das Bremssystem ihrer Meinung nach Mängel aufwies. (Davon hat man dann nie wieder was gehört. Die Circle Line scheint wieder alle Züge zu haben. Wie ich hoffe jetzt mit Bremsen.)

Meine Kollegin, neulich morgens unterwegs in einem Eisenbahnzug, steckte nach der (normalen) einstündigen Fahrt noch eine halbe Stunde fest, in Sichtweite ihres Zielbahnhofs London Bridge. Der Grund: „hohes Verkehrsaufkommen“. Wie bitte? Das ist doch keine Autobahn. Kamen an diesem morgen unerwartet viele Züge in London Bridge Station an? Und die Bahnhofsverwaltung sagte: „Mensch, was ist denn heute hier los? Wo wollen die denn alle hin? So viele Züge! Ist hier heute ein Fußballspiel oder so was? Ich glaube, wir haben gar nicht genug Bahnsteige.“

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