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Blähbäuche und Flatulenzen
ОглавлениеVor Jahren hatte ich ein kleines Büchlein mit dem Titel „Xenophobes Guide to the Germans” („Des Fremdenhassers Wegweiser zu den Deutschen” – gibt’s für alle möglichen Nationalitäten, also kein Grund zur Panik) und da stand (unter anderem) drin, dass Deutsche immer Kreislaufbeschwerden haben, ein Leiden, das in Großbritannien unbekannt ist. Und wisst ihr was? Das stimmt.
Für Kreislaufbeschwerden gibt es hier nicht einmal ein Wort – oder jedenfalls nicht dasselbe. Wenn ich über „circulation problems“ klagen würde, würde mein britisches Gegenüber vermuten, ich hätte kalte Hände oder vielleicht eingeschlafene Füße. In Wirklichkeit handelt es sich ja um niedrigen oder plötzlich absinkenden Blutdruck. Das muss bei Briten wohl auch mal vorkommen, aber sie machen darum kein Trara. Ich habe auch noch nie gehört, dass jemandem der Genuss eines Glases Sekt empfohlen wurde, um den Kreislauf auf Trab zu bringen („to get your circulation moving“), denn in britischen Augen ist man bereits tot, wenn es notwendig werden sollte, den Kreislauf in Schwung zu bringen. Da wäre es eine Schande, auf den Patienten noch Sekt zu verschwenden.
Was man auf Deutsch gemeinhin als „Herz-Kreislauf-Erkrankung“ bezeichnet, heißt auf Englisch „cardio-vascular disease“ (wörtlich: Herz-Gefäß-Erkrankung). Auch hier kommt der Kreislauf gar nicht vor.
Stattdessen leiden Briten unter Verdauungsbeschwerden. Das ist ein weites Feld und bietet im Grunde eigentlich einen wesentlich abwechslungsreicheren Gesprächsstoff als langweilige Kreislaufbeschwerden, denn die hat man oder hat man nicht, sie variieren nicht sehr, wohingegen Verdauungsstörungen alle möglichen Formen annehmen können.
Sehr verbreitet ist zum Beispiel „bloating“. Hier gibt es meiner Meinung nach wieder kein zufriedenstellendes deutsches Pendant. „To bloat“ heißt „blähen“. Mein Wörterbuch übersetzt bloating als „Blähungen“, aber das ist es nicht. Das wäre „flatulence“.
Bloating ist ein „Blähbauch“. Ein Bauch, der dick, ja, manchmal sogar schwanger erscheint, aufgrund von Gasen, die sich im Verdauungstrakt ansammeln. Ich weiß, das klingt wie Blähungen, aber wenn dann sind es solche, die sich nicht durch Windentweichen erledigen.
Wie gesagt ist das ein verbreitetes Leiden, aber vornehmlich unter Frauen. In einer Werbung für Joghurt mit Lebendkulturen sitzen vier oder fünf Frauen gemütlich zusammen und unterhalten sich über ihre Blähbäuche. Halt so eine Situation, wie wir sie alle kennen. Diese Probleme lässt dieser Joghurt natürlich verschwinden. In Deutschland „bringt [derselbe Joghurt] die Verdauung in Schwung“ – scheint also mehr gegen Verstopfung zu helfen.
Männer hingegen werden eher von flatulence heimgesucht, was natürlich ein sehr eng verwandtes Leiden ist, nur männlicher. Ich glaube, ein Mann, der sich über bloating beklagen würde, würde schräg angesehen.
Während Verdauungsbeschwerden wie diese in der Tat gelegentlich Gesprächsthema sind, so beschränken sich solche Unterhaltungen in der Regel auf Gesprächspartner vom selben Geschlecht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Dame in gemischter Runde bei einer Dinnerparty ihren Blähbauch vorzeigen oder ein Herr seine Flatulenz vorführen würde. Kreislaufbeschwerden sind da ja viel salonfähiger – und Sekt ist auch oft in greifbarer Nähe.