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Nichtpendeln

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Einmal besuchte ich eine Woche lang einen Kurs an meinem Wohnort. Eine Woche lang konnte ich so tun als arbeite ich vor Ort und bekam so zum ersten Mal seit meiner Ankunft in England einen Eindruck davon, was es heißt, nicht pendeln zu müssen.

Pendeln am Morgen

6:10 Uhr: Wecker aushauen und wieder eindösen

6:30 Uhr: beschließen, aufzustehen

6:40 Uhr: aufstehen und beeilen

7:07 Uhr: Handtasche grabschen und hoffen, das alles drin ist, was man braucht; Armbanduhr vergessen; im Gehen Mantel zuknöpfen

7:08 Uhr: in Trab fallen (dabei unter Umständen Stürzen, Kinn aufschlagen und Finger brechen, was die Ankunft bei der Arbeit wesentlich länger verzögert, als wenn man einfach den nächsten Zug genommen hätte, Rückkehr zur Arbeit nun ca. fünf Wochen später)

7:17 Uhr: leicht übergewichtigen Körper im letzten Augenblick zwischen sich schließende Türen werfen; auf angestammten Platz fallen lassen und sich bemühen, leise zu atmen, damit nicht der Eindruck entsteht, man sei nicht fit

8:08 Uhr: aussteigen und umgehend in Pendlerrennen einfädeln, Ellbogen und Füße einsetzen, um Platz an vorderster Front zu behaupten

8:17 Uhr: da keine Zeit für Frühstück bei Prêt-à-Manger in Schlange einreihen und für ein kleines Vermögen Sandwich und Kaffee kaufen

8:25 Uhr: mit Papiertüte, Handtasche, Zeitung und Schirm in der Hand im Aufzug stehen und über Verlauf des vergangenen oder Pläne für das kommende Wochenende befragt werden

8:30 Uhr: schnelle Schuhe gegen High Heels austauschen, Wimperntusche auftragen, frühstücken und Zeitung lesen

9:00 Uhr: Arbeitsbeginn

Nichtpendeln am Morgen

7:40 Uhr: wach, aber noch viel zu früh zum Aufstehen

7:55 Uhr: Aufstehen, Duschen, Anziehen

7:10 Uhr: Kaffee kochen – eine Tasse für jetzt, eine für die Reisetasse zum Mitnehmen;

7:13 Uhr: gestern vorbereiteten Salat, Apfel und Banane einpacken, Sandwich machen, in aller Ruhe überlegen, was man sonst noch braucht und alles in die Tasche stecken, Armbanduhr anlegen;

7:20 Uhr: gemütlich mit Gatten frühstücken, Kaffee trinken, und anschließend Geschirr weg stellen

7:30 Uhr: Schminken

7:45 Uhr: Däumchendrehen

7:50 Uhr: mit Gatten über besten Anfahrtsweg diskutieren, sagen, dass man ja jetzt Navi hat, also alles voll im Griff

8:05 Uhr: Aufbruch, da Gatte von höllischer Rush Hour vor Ort berichtet

8:06 Uhr: Navi programmieren (von Gerät berechnete Ankunftszeit 8:26 Uhr)

8:11 Uhr: Navi ignorieren und vom Gatten beschriebener Strecke folgen

8:12 Uhr: Navi berechnet Strecke neu, demnach neue Ankunftszeit 8:22 Uhr (Ha!)

8:22 Uhr: Ankunft auf Parkplatz, da wegen Sommerferien Rush Hour nicht existent

8:22 – 9:00 Uhr: Im Auto mitgebrachten Kaffee trinken und Roman lesen

Pendeln am Abend

17:10 Uhr: auf dem Weg zum Bahnhof noch eben schnell auf dem Rückweg in den Supermarkt huschen und zwei, drei fehlende Zutaten fürs Abendessen kaufen

17:15 – 17:30 Uhr: in Kassenschlange stehen, davon die ersten fünf Minuten zwischen den Kühlregalen, wegen sommerlich leichter Kleidung Frostbeulen entwickeln

17:30 Uhr: mit Self-Checkout herumschlagen

17:35 Uhr: erneutes Pendlerrennen zurück zum Bahnhof

17:45 Uhr: Zug um ein Haar verpassen und sich damit trösten, dass man darin sowieso keinen Sitzplatz mehr bekommen hätte

17:46 Uhr: abchecken, von welchem Bahnsteig der nächste Zug fährt und strategisch dort postieren, wo die Tür sein wird (wegen zu späten Eintreffens aber leider nur in der zweiten oder dritten Reihe).

17:55 Uhr: Zug setzt sich in Bewegung

18:10 Uhr: Zug bleibt stehen

18:20 Uhr: Zug immer noch am selben Fleck, Durchsage informiert, dass entweder

a) eine Signalstörung vorliegt, oder

b) ein LKW gegen die Brücke vor uns gefahren ist und die Statik geprüft wird, oder

c) sich ein Selbstmörder von der Brücke vor uns stürzen will, oder

d) sich nahe der Strecke ein Großfeuer befindet und wir umgeleitet werden; oder

e) der Zug vor uns kaputt ist und abgeschleppt werden muss; oder

f) unser Zug kaputt ist und wir alle entzugt („de-trained“) werden müssen

18:50 Uhr: frühestmögliche Ankunft an Heimbahnhof, falls alle oben angegebenen Eventualitäten nicht eintreten.

19:00 Uhr: Ankunft zu Hause mit knurrendem Magen

19:02 Uhr: ärgern, weil Abwasch von gestern noch herumsteht und benötigter Topf schmutzig ist

19:05 Uhr: Abwaschen

19:20 Uhr: wahllos Lebensmittel in Pfanne werfen

19:40 Uhr: Essen hinunterschlingen

19:55 Uhr: abwaschen, Geschirr auf Abtropfgitter trocknen lassen

20:15 Uhr: Wäsche aufhängen

20:25 Uhr: auf Sofa sinken und Fernseher einschalten

21:00 Uhr:„Dr. House“ anschauen

22:00 Uhr: Bett

Nichtpendeln am Abend

17:00 Uhr: nach Feierabend noch kleinen Schlenker zum Supermarkt machen um zwei, drei fehlende Sachen für Abendessen einzukaufen; dabei bedenken, dass in Abwesenheit einer Kantine Mittagessen für morgen erforderlich ist

17:40 Uhr: zu Hause! ZU HAUSE!!!

17:41 Uhr: sich fragen, was mit Zeit anzufangen ist; merkwürdiges Gefühl, unhungrig zu Hause anzukommen;

17:45 Uhr: in aller Ruhe ein bisschen aufräumen; eine Maschine Wäsche anstellen, Biotonne rausstellen; Bioeimer saubermachen; Bioeimer wienern, überlegen, einen Bezug für den Bioeimerdeckel zu häkeln

18:10 Uhr: Schwester anrufen

18:30 Uhr: Kochen

19:00 Uhr: Essen – Rest für Mittagessen morgen einpacken

19:20 Uhr: abwaschen, abtrocknen, wegräumen und Spüle polieren

19:50 Uhr: Freuen!

19:51 Uhr: Wäsche aufhängen

20:00 Uhr:E-Mails lesen und im Internet surfen

20:30 Uhr: mit Gatten quatschen

21:00 Uhr: „Dr. House“ gucken

22:00 Uhr: Bett

Unter Briten

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