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IV.Staat und Rasse

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Die Bevölkerung dieses Staates, des Bismarckreichs, schien freilich vor allem aus Protestanten und sonstigen blutmäßigen Deutschen zu bestehen, aus mehreren Nationalitäten, ja sogar mehreren Rassen. Daher sieht sich Cohen in seiner Auseinandersetzung mit Treitschke über seine theologisch-systematischen Argumente hinaus gezwungen, auf die Rassentheorie einzugehen beziehungsweise die Bedeutung von Rassen für die Bildung einer Nation zu untersuchen. Dabei distanziert sich Cohen scharf von dem kulturalistisch-liberalen, allem Blutsdenken abgeneigten, ebenfalls jüdischen Begründer der „Völkerpsychologie“, Moritz Lazarus, der den Rassegedanken zur Erklärung des Wesens von Völkern für überflüssig hielt. Cohens Äußerungen zur Rassenfrage lassen an Deutlichkeit wenig zu wünschen übrig:

„Mit gesundem Menschengefühl wird man die Frage, ob in einem Volke Rasseneinheit wünschenswert und in gewissen Minimalgrenzen erforderlich sei, unbedenklich bejahen […]. Wir müssen erkennen, daß der Rasseninstikt mitnichten simple Barbarei ist; sondern ein natürliches, national berechtigtes Verlangen. Barbarei wird Nationalgefühl, wenn es zu politischer und nationaler Ausschließung solcher Mitbürger degeneriert, die kein anderes Vaterland haben noch wollen.“10

Cohen meinte, Treitschke zugeben zu müssen, daß alle Juden das deutsche, germanische Aussehen subjektiv wünschten, und baute daher auf eine soziale Annäherung, ein Konnubium, das endlich zur Angleichung der Rassenunterschiede führen sollte. Für ihn bestand kein Zweifel daran, daß „wir Juden anzuerkennen haben, daß das Ideal nationaler Assimilation, als solches, von Geschlecht zu Geschlecht bewußter angestrebt werden soll“.11

Da Cohen aus prinzipiellen, der Authentizität des Gewissens verpflichteten Gründen gegen Konversionen zum Christentum eintrat, mußte er schließlich eine Lebensform befürworten, die sich aus damaliger Perspektive tatsächlich als deutsch-jüdische Symbiose bezeichnen ließe, nämlich für interkonfessionelle Ehen, in denen die Partner aus aufgeklärten Kulturprotestanten oder israelitischen, ethischen Monotheisten bestehen. Dabei war es nicht einmal nötig, Spekulationen oder Zukunftsprojektionen zu betreiben. Eine schlichte Bestandsaufnahme des real existierenden Judentums in Deutschland seit der französischen Revolution reichte dazu in jeder Hinsicht aus. Und zwar sowohl für die Form des Gottesdienstes als auch bezüglich der Lehrinhalte des deutschen Judentums:

„Unsere israelitische Religion, wie sie uns heute lebendig erfüllt, ist tatsächlich eine kulturgeschichtliche Verbindung mit dem Protestantismus bereits eingegangen; nicht nur, daß wir jene Tradition der Kirche, so wie die des Talmud mehr oder weniger bestimmt und unverblümt als unverbindlich abgeworfen haben; sondern viel tiefer in allen geistigen Fragen der Religion denken und fühlen wir im protestantischen Geiste.“12

Vernunft und Offenbarung

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