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VII.Kritik am Zionismus
ОглавлениеAuf der Basis dieser Voraussetzungen, das heißt auf der Basis eines eigentümlichen Gemisches von rigoroser universalistischer Moral, partiellen Konzessionen an das Rassedenken und einer Deutung des prophetischen Judentums, das in seinem Sinn gerade die Zerstreuung unter die Völker als metageschichtlichen Sinn jüdischen Schicksals akzeptieren mußte, konnte Cohen die damals entstehenden zionistischen Gedanken, etwa Martin Bubers, nur ablehnen. Die Sammlung der Juden und die Beschränkung auf eine womöglich religiös inspirierte Nationalstaatsgründung in Palästina mußten in dieser Perspektive als Verrat am prophetischen Messianismus erscheinen. In doppelter Frontstellung sowohl gegen die ihm als relativistisch erscheinenden Ansichten Moritz Lazarus’, der ihm in seiner Ablehnung der Rassenlehre gewichtige materialistische Einsichten preiszugeben schien, als auch gegen Martin Bubers Partikularismus beharrt Cohen auf dem Gedanken einer jüdischen Nation als weltweiter Kulturnation. Dieses Beharren beruhte, wie kurz darauf sein Eintreten für das kriegführende Deutschland, auf dem, was man als „historisches Bewußtsein“ bezeichnet, was aber in Cohens Variante wenig anderes war als eine Variante geschichtsphilosophischen Fortschrittsglaubens. Wenn Cohen am Ende seines Appells an die amerikanischen Juden von der „Logik“ der Geschichte und des Geschickes der Juden spricht, so handelt es sich dabei nicht um eine nachlässige façon de parler, sondern um ein wohlüberlegtes geschichtsphilosophisches Argument.
Religion war für Cohen ein Teil der allgemeinen kulturellen Entwicklung der Menschheit, einer Entwicklung, die ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten folgt. Den Zionismus lehnte Cohen nicht nur deshalb ab, weil er ihm zu sehr an utilitaristischen Zwecken eines glücklicheren Lebens und zu wenig am Rigorismus des Sittengesetzes orientiert war („Die Kerls wollen glücklich sein […]“), sondern aus der geschichtsphilosophischen Überzeugung heraus, daß er hinter das von den Propheten erreichte Niveau moralischer Universalität zurückfalle. Wo Theodor Herzl etwa aus dem Antisemitismus der Dreyfusaffäre die Konsequenz eines jüdischen Staates zog, beglaubigte Cohen den „geschichtlichen Sinn des Abschlusses der Dreyfusaffäre“:
„Wir dürfen in der Zuversicht leben, daß unser Leiden zu einem glorreichen Abschluß kommt; glorreich nicht etwa nur für uns, sondern für die ganze Menschheit. Es muß Recht auf Erden werden; die Gerechtigkeit darf nicht im Stande der Gnade und Toleranz bleiben. Wie unserem französischen Märtyrer, unserem Glaubensbruder in der französischen Armee, die Ehre wieder hergestellt wird, weil die heilige Gerechtigkeit es erfordert, so dürfen wir ein gleiches Schicksal für alle unsere Märtyrer erhoffen. Und für unsere religiöse Gesamtheit erkennen wir zuversichtlich den Zusammenhang unseres Martyriums mit dem Siege der Wahrheit und mit dem wahrhaften sittlichen Heile dere Menschheit.“24