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Patriotismus und ethischer Unsterblichkeitsglaube: Hermann Cohen I.Deutscher Professor und jüdischer Denker
Оглавление„Wir leben in dem Hochgefühl des deutschen Patriotismus, daß die Einheit, die zwischen Deutschtum und Judentum die ganze bisherige Geschichte des Judentums sich angebahnt hat, nunmehr endlich als eine kulturgeschichtliche Wahrheit in der deutschen Politik und im deutschen Volksleben, auch im deutschen Volksgefühl aufleuchten werde. Wenn mit diesem Kriege die letzten Schatten verscheucht werden, welche die innere deutsche Einheit verdunkeln, dann wird über alle Schranken der Religionen und der Völker hinweg der weltbürgerliche Geist der deutschen Humanität auf der Grundlage der deutschen Nationalität, der deutschen Eigenart in seiner Wissenschaft, seiner Ethik und seiner Religion die anerkannte Wahrheit der Weltgeschichte werden.“1
Als Hermann Cohen diese Zeilen im Jahr 1915 schrieb, war er bereits siebenundsiebzig Jahre alt, gerade seit drei Jahren als emeritierter Professor aus den Diensten der Universität Marburg ausgeschieden und lehrte an der Berliner Hochschule für die Wissenschaft des Judentums.
Der Begründer der Marburger Schule des Neukantianismus hatte ursprünglich in Breslau, am Seminar Zacharias Fränkels ein rabbinisches Studium aufgenommen, sich dann aber in Berlin dem Studium der Philosophie zugewandt. Nach einer Promotion in Halle und der Habilitation in Marburg lehrte er dort rund dreißig Jahre, bis zum Jahre 1912. Hermann Cohen dürfte der einzige nichtgetaufte Jude gewesen sein, dem es gelang, während des wilhelminischen Reiches eine ordentliche Professur zu erhalten. In einer Reihe von Arbeiten zu Kant und Platon, die in den systematischen Hauptwerken Logik der reinen Erkenntnis (1902), Die Ethik des reinen Willens (1904) sowie der Ästhetik des reinen Gefühls (1912) gipfelten, begründete er das mit, was später als Neukantianismus bezeichnet wurde. Dabei orientierte sich Cohen, nicht anders als Immanuel Kant selbst, an den konstruktiven Prinzipien der Mathematik.