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Hellenismus
ОглавлениеIm Mai 334 v. Chr. überschritt Alexander der Große mit einem Heer von etwa 35.000 Mann den Hellespont. Nichts war seitdem mehr so, wie es gewesen war: Der Makedone zerstörte ein Reich, das Perserreich, zog bis nach Indien und erweiterte den geographischen Horizont der Griechen immens. Als Alexander 323 v. Chr. in Babylon starb, zerfiel sein Reich in einem längeren Prozess; übrig blieben am Ende drei große und etliche kleinere Bruchstücke: Das Antigonidenreich in Makedonien, das Seleukidenreich in Vorderasien, das Ptolemaierreich in Ägypten sowie eine Handvoll Mittelstaaten wie Rhodos, Pergamon und Epeiros. Politisch bedeutete der Hellenismus, wie man das Zeitalter bis zur Eroberung dieser Welt durch Rom nennt, die Entstehung größerer, das Format der Polis sprengender Territorialmonarchien; sozial die Formierung neuer, finanzkräftiger Eliten, die von den Königen protegiert und mit reichlich Kapital versehen wurden; kulturell die gegenseitige Befruchtung zwischen Griechenland und Orient.11
Wirtschaftlich stand der Hellenismus ebenfalls für eine enorme Horizonterweiterung: Zuvor unbekannte Waren strömten jetzt nach Griechenland; Personen aus dem Umfeld der Könige gerierten sich in den Städten als edle Spender, die Großprojekte förderten, wie sie zuvor jenseits aller Möglichkeiten gelegen hatten; die neue Schicht der Superreichen dürstete nach Prestigegütern, deren Beschaffung aus der Fremde dem Fernhandel Auftrieb gab. In Vorderasien und Ägypten konnten die neuen Herren aus Griechenland und Makedonien auf die perfekt funktionierenden Bürokratien der großen Institutionen zurückgreifen, die im Wesentlichen unverändert blieben. Besonders gut dokumentiert ist die Entwicklung in Ägypten: Dort etablierten sich Griechen und Makedonen als neue Oberschicht, die aber sozial und ökonomisch fast alles beim Alten beließ: In dem ethnisch und kulturell zerklüfteten Nilland blieben die seit Jahrtausenden bestehenden Abhängigkeitsstrukturen unangetastet; Land, das Eigentum der Tempel war, blieb Tempelland; Königsland blieb Königsland. Bewirtschaftet wurden die Ländereien der großen Institutionen von Großpächtern, die sie wiederum an Kleinbauern weiterverpachteten – eine Bewirtschaftungsform, die Vorbildcharakter auch für die kaiserliche Domänenverwaltung in den römischen Provinzen hatte. Allerdings ging mit der Zeit durch Schenkungen ein beträchtlicher Teil des Königslandes in Privateigentum über; auch Soldaten wurden mit Grundeigentum abgefunden.
Von einer reinen „Staatswirtschaft“ konnte im ptolemaiischen Ägypten also so wenig die Rede sein wie im vorhellenistischen Vorderasien und Ägypten. Dennoch gab es Monopole, über die der Staat eifersüchtig wachte, schon um Wucher und Hungersnöten vorzubeugen. So kontrollierte allein der Staat Produktion und Verkauf von Öl; auch andere Lebensmittel unterlagen dem Monopol der Krone. Texte wie der Pypryus Tebtynis III 1,703 (Q 3.1.2.) zeigen, dass staatliche Instanzen bestimmte Preise nach Belieben regulieren konnten, während andere dem Spiel des Marktes überlassen waren. Das Gesamtbild für Ägypten ist verwirrend uneinheitlich: Im Nilreich gab es auch in hellenistischer Zeit nicht nur eine Wirtschaft, sondern zahlreiche regionale Wirtschaftssysteme, die alle nach eigenen Regeln funktionierten.12
Dasselbe galt fraglos auch für das Seleukidenreich. Hier sind wir durch Keilschrifttexte aus Mesopotamien recht gut über das Fortbestehen einer Tempelwirtschaft unterrichtet, an der über Pfründen weite Teile der lokalen Oberschichten Anteil hatten. Auch im Westen gab es Tempelstädte, in denen Heiligtümer als Großhaushalte fungierten; doch hatten hier Städte als Märkte – auch für die auf Königsland produzierten Güter – eine ungleich größere Bedeutung. Zumindest in weiten Teilen Vorderasiens bildeten einwandernde Griechen und Makedonen eine grundbesitzende Honoratiorenschicht, die von den Erträgen ihrer von einheimischen Bauern bestellten Güter auf städtischem Land lebten.13
Politisch und kulturell, aber auch und gerade ökonomisch war der Hellenismus eine Periode des Aufbruchs, in der sich die Horizonte der Akteure geradezu dramatisch erweiterten. Praktisch überall, von Sizilien bis Zentralasien, expandierte die Geldwirtschaft, Produzenten und Märkte rückten dichter zusammen, Innovationen breiteten sich aus. In der mit Alexander beginnenden Epoche gewann die „Globalisierung“ der antiken Welt, die mit den Phöniziern ihren Anfang genommen hatte und mit dem römischen Imperium ihren Höhepunkt erreichen sollte, deutlich an Dynamik.