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Vorwort
ОглавлениеDas Thema Wirtschaft erlebt in den Altertumswissenschaften gerade, nach fast 30-jähriger Nichtpräsenz, eine Wiederauferstehung, auch in den Hörsälen. Allerdings haben sich die fachbezogenen Kenntnisse und Fertigkeiten der Studierenden verändert: Umfassendes Wissen um die antike Literatur ist ebenso wenig vorauszusetzen wie solide Beherrschung antiker Sprachen oder überhaupt die Fähigkeit, relevante Quellen in der Fülle des Materials ausfindig zu machen. Probleme bereitet auch die Einordnung der Zeugnisse in den Sinnzusammenhang des historischen Kontinuums. Davon konnten sich die Verfasser, als sie „Wirtschaft“ zum Thema zweier althistorischer Quellenübungen an den Universitäten Bielefeld und Oldenburg machten, selbst ein Bild machen: Eine Studentin griff sorglos zwei Quellen aus dem Kompendium heraus, das „Reformwerk“ des bronzezeitlichen Stadtherrn Urukagnina von Lagasch (3. Jt. v. Chr., Q 3.2.1.) und das Höchstpreisedikt des römischen Kaisers Diokletian (4. Jh. n. Chr., Q 3.2.13.), um dann kühn – und ohne im Hörsaal auf Widerspruch zu stoßen – zu folgern: „In der Antike griffen staatliche Institutionen in die Wirtschaft ein.“ Erst der dezente Hinweis, zwischen den Quellen lägen 2500 Jahre und mithin mehr Zeit als zwischen Perikles und Angela Merkel, stimmte nachdenklich: „Die antike Wirtschaft“ gibt es, im Singular, wenn überhaupt, dann nur als Konstrukt moderner Forschung.
Vielmehr kannte die Antike, erst recht die „lange“ Antike unter Einschluss des Alten Orients, unendlich viele Formen wirtschaftlichen Handelns. Wie Menschen mit knappen Ressourcen umgehen, war zu allen Zeiten, und ist noch heute, abhängig von unzähligen Variablen; nicht zuletzt hängt es von geologischen Gegebenheiten, politischen und sozialen Rahmenbedingungen, Mentalitäten und Wertvorstellungen ab. Der Band möchte gerade auch Anfänger dazu einladen, sich auf Zeugnisse ganz unterschiedlicher Art, Herkunft und chronologischer Zuordnung einzulassen, die Einblick geben in die Vielfalt ökonomischen Handelns und ökonomischer Denkmuster in uns fernen Gesellschaften – und vielleicht kann er gerade deshalb dazu beitragen, den Primat der Ökonomie, unter dem unser eigenes Zeitalter zu stehen scheint, kritisch zu durchleuchten.
Bielefeld und Oldenburg, im Frühjahr 2016
Dorothea Rohde und Michael Sommer