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Rom

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Rom begann seinen einzigartigen Aufstieg zur Weltmacht als kleine Siedlung am Unterlauf des Tiber. Sie verdankte ihren zunächst bescheidenen Wohlstand der Furt, die zu Füßen des Kapitols die Querung des Flusses ermöglichte – zum letzten Mal, bevor er sich bei Ostia ins Mittelmeer ergießt. So war schon das frühe Rom an die Fernhandelswege zwischen dem griechischen Unterund dem etruskischen Mittelitalien gekoppelt. Dennoch sahen spätere Generationen in der Landwirtschaft, nicht im Fernhandel, den Wirtschaftszweig, durch den Rom zu Macht und Größe gelangt sei.

Die historischen Fakten ihrer Frühzeit waren auch den Römern der späten Republik und der Kaiserzeit ein Rätsel; das Wissensvakuum füllten sie mit dem Mythos, der sich die ersten Römer als Hirten und Bauern vorstellte, ihre „Stadt“ als Hüttendorf und ihre Könige als Zivilisationsbringer, die im Laufe der Jahrhunderte wichtige Innovationen wie Gesetzlichkeit, Stadtmauern und Entwässerungskanäle an den Tiber brachten. Doch ob schon unter etruskischen Königen im 6. Jh. v. Chr. ein großes urbanes Zentrum – eine „grande Roma dei Tarquini“ – die sieben Hügel krönte, ob dieses Rom mit Etruskerstädten wie Veii und Tarquinii um Märkte und Ressourcen wetteiferte und ob sich noch vor den Anfängen der Republik eine funktional differenzierte, sozial stratifizierte Gesellschaft herausgebildet hatte, das kann man mutmaßen, beweisen lässt es sich nicht.14

Sicher hingegen ist, dass gegen Ende des 6. Jh. v. Chr. die Königsherrschaft am Tiber endete und eine aristokratische, vielleicht auch sakralrechtlich legitimierte Elite – der Patriziat – die Herrschaft an sich riss. Kaum war die Republik geboren, erschütterten soziale Unruhen die neue politische Ordnung: Die Nichtpatrizier, die von jeder politischen Teilhabe ausgeschlossen waren, aber sehr wohl ihren Beitrag zur Wehrgemeinschaft leisteten, begehrten gegen das Monopol der großen Familien auf; während die breite Masse verarmte und in Schuldknechtschaft absank, verlangten vor allem die wirtschaftlich Bessergestellten unter den Plebeiern nach Teilhabe. In den 200 Jahre währenden Ständekämpfen rangen die Plebeier den Patriziern immer mehr Zugeständnisse ab, bis sie schließlich Abschaffung der Schuldknechtschaft und volle politische Gleichstellung mit den Patriziern erreichten (lex Hortensia, 287 v. Chr.). Die neue Führungsschicht der römischen Republik, die Nobilität, war eine sich zügig ebenfalls nach unten abschottende Klasse reicher Grundbesitzer, die zum Lebensunterhalt nicht arbeiten musste, also „abkömmlich“ war.15

Unter der kollektiven Führung der Nobilität eroberte Rom bis 275 v. Chr. ganz Italien und dann, direkt im Anschluss, bis zur Zeitenwende, das gesamte Mittelmeerbecken. In Italien annektierte Rom nur einen Teil des Landes; der Rest verblieb bei den autonomen „Bundesgenossen“, die per Vertrag an Rom gebunden wurden. Das annektierte Territorium wurde per centuriatio vermessen sowie in rechteckige Parzellen aufgeteilt und dann an römische Bürger verteilt. Bereits im 3. Jh. v. Chr. entstanden auf diesem Land erste agrarische Großbetriebe, die Überschüsse für Märkte produzierten (Q 2.1.11., 2.1.12. u. 4.4.5.). Obwohl diese Entwicklung vor allem im 2. Jh. v. Chr. deutlich an Fahrt gewann und sich immer mehr Grundbesitz in den Händen Weniger konzentrierte, blieb die Wirtschaftsstruktur Italiens in der Fläche kleinbäuerlich.16

Mit Einrichtung der ersten Überseeprovinzen nach dem 1. Punischen Krieg erschloss sich das entstehende Imperium Romanum Tribute als Einkommensquelle. Von der den Provinzialen auferlegten Steuerlast profitierten auch die Magistrate, die als Statthalter die Provinzen verwalteten – und nicht zuletzt Privatleute: Steuerpächter, die publicani, streckten dem Staat die Steuerschuld einer Provinz vor und trieben sie dann, oft mit unerhörten Profiten, wieder ein. Sizilien, später Nordafrika und noch später Ägypten waren die Kornkammern des Imperiums. Sie entrichteten ihren Tribut in Naturalien; Getreideflotten transportierten Jahr für Jahr Hunderttausende von Tonnen in den römischen Hafen Puteoli und später Ostia. Ab Augustus lag die gesamte Logistik in der Regie des vom Kaiser eingesetzten praefectus annonae, der eine der verantwortungsvollsten Funktionen versah, die das Imperium zu vergeben hatte (Q 3.1.3., 3.1.4. u. 3.5.7.).17

Roms Expansion belebte auch das Handwerk und nicht zuletzt den Fernhandel: Der Verkehr durch die Mittelmeerwelt wurde unter dem Schutz römischer Waffen und römischen Rechts sicherer, die Infrastruktur des Imperiums, mit Häfen, Straßen, Brücken und Tunneln, verkürzte die Reisezeiten. Zugleich flossen immense Summen in die Taschen der Elite, die es nach Luxus und Repräsentation verlangte. Besonders exotische Waren wie Seide, Elfenbein und Gewürze standen bei den Wohlhabenden hoch im Kurs. Um sie zu beschaffen, nahmen Kaufleute riskante Reisen über den Indischen Ozean, durch die Steppen Mesopotamiens und die Wüsten Ägyptens in Kauf; belohnt wurden sie, wenn sie nicht Schiffbruch erlitten, Piraten oder Räubern in die Hände fielen, mit astronomischen Profiten (Q 2.3.11. u. 2.3.12.). Ganze Städte, wie das in der Oase Tadmor liegende Palmyra, verdankten dem Fernhandel mit Luxusgütern ihren Reichtum, ja ihre Existenz (Q 2.3.13.).18

Doch selbst weniger gut Betuchte konnten sich im römischen Reich ein Quäntchen Luxus leisten. Auch für die Mittelschicht gab es Statussymbole, wie das gute Tafelservice aus Terra Sigillata, das als Massenware erst in den Töpfereien von Arretium (Arezzo), dann, ab dem 1. Jh. n. Chr., überwiegend in Gallien hergestellt und im ganzen Imperium verkauft wurde. Zwar wurde die Töpferware in eher kleinen, wenn auch arbeitsteilig organisierten Betrieben gefertigt, die aber die lokale Wirtschaft in bestimmten Ortschaften – z.B. La Graufensenque in Südgallien – derart beherrschten, dass hier faktisch eine Monostruktur für den „Weltmarkt“ produzierte (Q 2.2.8.).19 Protoindustriell wurde in der Kaiserzeit die Herstellung von garum, einer Würzsoße auf Fischbasis, betrieben. Auch sie war ein Produkt, das seine Kunden eher in den gehobenen Kreisen fand.20

Am unteren Ende der sozialen Skala hatten die Menschen Glück, wenn sie genug zu essen hatten. Frisches Gemüse, Fleisch, Fisch, frische Milch, Eier – all das war für die Meisten unerschwinglich. Wer in Rom wohnte, das römische Bürgerrecht besaß und arm war, hatte Anspruch auf die unentgeltliche Verteilung von Getreiderationen, für die der Kaiser aufkam. Analog sorgten in anderen Großstädten reiche Bürger für Lebensmittelspenden an die Armen. Kaiser wie Traian subventionierten mit einer Art Kindergeld, den alimenta, auch italische Familien; einige Wohlhabende taten es ihnen darin nach (Q 4.1.6., 4.1.7., 4.1.8. u. 4.1.9.).

Allen sozialen und technologischen Errungenschaften zum Trotz war die Wirtschaft des römischen Imperiums auch zu seiner Blüte im 1. und 2. Jh. n. Chr. unterentwickelt: Innovationen – wie etwa Wassermühlen – breiteten sich nur schleppend aus (Q 2.6.3.), ein Großteil der Reichsbewohner trieb Subsistenzwirtschaft und hatte an den auf Märkten gehandelten Gütern und überhaupt an der Geldzirkulation kaum Anteil. Gemessen an modernen Verhältnissen war die Wirtschaft der römischen Mittelmeerwelt kläglich leistungsschwach – und doch erreichte die ökonomische Entwicklung des Altertums unter römischer Herrschaft einen einsamen Höhepunkt.21 Risse im integrierten Wirtschaftssystem des Imperiums zeigten sich freilich bereits im 3. Jh. n. Chr.: Die Kaiser ließen, weil ihnen die Ausgaben über den Kopf wuchsen, immer schlechtere Münzen mit rapide fallendem Feingehalt an Silber prägen (Q 2.5.11.); die Geldwirtschaft brach in etlichen Regionen des Reiches zusammen und machte einer neuen Naturalwirtschaft Platz; Stadtflucht griff um sich, die demographische Kurve zeigte nach unten; schließlich nahm das Gesamtvolumen der Warenzirkulation wohl ab, einige Provinzen wurden vom Fernhandel regelrecht abgekoppelt. Doch kann von flächendeckendem Niedergang keine Rede sein: Speziell die Ostprovinzen florierten weiterhin; das Auseinanderdriften der beiden Reichshälften kündigte sich auch wirtschaftlich im 3. Jh. n. Chr. bereits an. Am einschneidendsten dürfte die Fiskalkrise fühlbar gewesen sein, der die Tetrarchen am Ende des Jahrhunderts mit einer Steuerreform begegneten (Q 2.1.14.); weniger effektiv war ihr Versuch, die Glaubwürdigkeitskrise der Währung per Edikt zu beheben (Q 3.2.13. u. 3.2.14.).

Vor allem im Westen bereiteten sich Züge der frühmittelalterlichen Ökonomie bereits in der Spätantike vor: Die Städte, die nicht mehr versorgt werden konnten, aber auch als Standorte von Gewerbe und Märkten nicht mehr gebraucht wurden, schrumpften weiter; die Sklaverei verlor in weiten Teilen des Imperiums gegenüber der halbfreien Pacht, dem Kolonat, an Bedeutung; die arbeitsteilige Produktion verschwand. Mochte die römische Welt ökonomisch auch auf schwachen Füßen stehen: Auf Jahrhunderte machte sie jetzt im Westen Europas Wirtschafssystemen Platz, die den Menschen keinen auch nur ansatzweise vergleichbaren Lebensstandard bieten konnten.

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