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Anmerkung

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Der Autor dieser Sätze – der amerikanische Trendforscher Jeremy Rifkin – hat in seinem Buch „Access. Das Verschwinden des Eigentums“ den fundamentalen Stellenwert des Eigentums für die Organisation menschlicher Gesellschaften und die lebensweltliche Orientierung menschlicher Individuen aufgezeigt. Rifkins Buch ist meines Wissens die einzige Abhandlung über das Thema Eigentum, die auch jenseits fachwissenschaftlicher Diskurse Beachtung fand und findet. Seine These, dass das Eigentum in modernen Gesellschaften sukzessive verschwinden wird, scheint in die gleiche Richtung zu gehen wie die Überlegungen, die ich in diesem Buch entwickeln werde. Diese Gemeinsamkeit ist jedoch nur oberflächlich, denn sowohl beim Verständnis, was Eigentum ist, als auch bei der Erklärung, wie und warum Eigentum verschwinden wird, vertrete ich ganz andere Auffassungen als Rifkin. Der Titel der im Jahr 2000 veröffentlichten amerikanischen Originalausgabe von Rifkins Buch lautet übrigens: The Age of Access: The New Culture of Hypercapitalism, Where All of Life is a Paid-for Experience. Vom Verschwinden des Eigentums ist in diesem Titel keine Rede.

Rifkin bringt im voranstehenden Zitat einen Aspekt zur Sprache, der für das Verständnis von Eigentumsbeziehungen sehr erhellend ist: Alle Menschen sind im Alltag Eigentums-Experten. Während sich viele Wissenschaftler noch immer uneinig sind, was Eigentum überhaupt ist (vgl. dazu Goldhammer 2012: Geistiges Eigentum und Eigentumstheorie), ist uns im Alltag völlig klar, woran wir Eigentum erkennen und wie wir damit umzugehen haben. Wir verfügen über eine Fülle praktischen Wissens über Eigentumsbeziehungen – Wissen, das wir in den vielfältigsten Kontexten anwenden, weil wir überall und ständig als Eigentümer oder Nichteigentümer denken, fühlen und handeln. Wie aufmerksam wir unsere dingliche und soziale Umwelt durch eine Eigentumsbrille beobachten und bewerten, zeigen Irritationen, die banale Verletzungen alltäglicher Eigentumsregeln auslösen. Stellen Sie sich folgende Szene vor: Sie sind am Strand und spielen Volleyball. Ihre Strandutensilien haben Sie unweit vom Spielfeld abgelegt. Während des Spiels sehen Sie zufällig, wie eine Ihnen völlig unbekannte Person, egal ob Mann oder Frau, aus dem Wasser kommt, zielgerichtet zu Ihren Strandutensilien geht, Ihr Handtuch greift und sich damit abtrocknet … Ich liege vermutlich ziemlich richtig, wenn ich annehme, dass Ihnen in dieser Situation Sätze wie „Was geht denn hier ab? Das darf doch wohl nicht wahr sein!“ durch den Kopf gehen würden.

Ohne detailliertes praxiserprobtes Wissen über Eigentumsbeziehungen würden wir im Alltag gar nicht zurechtkommen. Sicher ist Ihnen nicht bewusst, dass Sie Experte für Eigentumsbeziehungen sind, dass Sie als Teilnehmer an Eigentumsbeziehungen mehr über Eigentum wissen, als man in vielen wissenschaftlichen Abhandlungen über das Phänomen Eigentum erfährt. Dass Sie nicht wissen, wie viel Sie eigentlich wissen, liegt in der Natur der mentalen Orientierungssysteme, mit denen menschliche Individuen in ihren alltäglichen Lebenswelten agieren. Diese Orientierungssysteme bestehen aus einer Vielzahl von Wissensbeständen, kognitiven Prozeduren, Emotionen, Wertungen und anderen mentalen Prozessen, die in großen Teilen unterhalb der Bewusstseinsschwelle liegen und ablaufen.

Bildlich vereinfacht gibt es in unserer mentalen Apparatur drei Etagen. Auf der obersten Etage befinden sich Wissensbestände und Operationen, die wir bewusst reflektieren. Auf der mittleren Etage sind Wissensbestände, Wertvorstellungen, Emotionen und Operationen lokalisiert, die im Normalbetrieb weitgehend unreflektiert bleiben, aber sich mittels verschiedener Methoden der Introspektion bewusst machen lassen. Auf der untersten Etage befinden sich mentale Strukturen und Operationen, die so tief im Bewusstsein angesiedelt sind, dass man sie nur mit wissenschaftlichen Methoden zutage fördern kann. Das mentale Management von Eigentumsbeziehungen, d. h. die Koordinierung unserer Orientierungen und Handlungen als Eigentümer und Nichteigentümer, findet auf allen drei Etagen statt.

Will man begreifen, was Eigentum ist und wie es funktioniert, muss man das Phänomen ganzheitlich betrachten – sowohl aus der Draufsicht als auch aus der Binnenperspektive der Menschen, die als Eigentümer und Nichteigentümer agieren.

Mit den oben zitierten Definitionen erlangen wir nur ein Vorverständnis davon, was Eigentum ist. Die Wesensart von Eigentum kommt klarer in den Blick, wenn wir uns die empirische Vielfalt von Eigentum vergegenwärtigen und die Frage stellen: Was macht folgende Welttatbestände zu Eigentum?

 – Naturressourcen (Grund, Boden, Wald, Seen etc.),

 – stoffliche Nutzgegenstände (Nahrungsmittel, Gebäude, Straßen, Schienenwege, Maschinen, Werkzeuge, Fahrzeuge, Bücher, Computer, Spielzeug etc.),

 – wirtschaftliche Unternehmen,

 – unsere Körper und unser psychisches und physisches Handlungspotenzial,

 – literarische, wissenschaftliche und journalistische Texte,

 – künstlerische Werke (Musik, Film, Theater, Spiele, Bilder etc.),

 – Erfindungen aller Art (Software-Programme, technische Erfindungen, Marken etc.),

 – Haus- und Nutztiere.

Als Eigentum ist allen diesen Welttatbeständen gemeinsam, dass sie in soziale Beziehungsgefüge eingebunden sind, in denen das Verhalten sozialer Akteure nach folgendem Muster funktioniert: Jemand (der Eigentümer) hat eine exklusive Verfügungsgewalt über ein bestimmtes knappes Gut (das Eigentum). Alle anderen (die Nichteigentümer) sind von dieser Verfügungsgewalt über das betreffende Gut ausgeschlossen und wissen sowie respektieren dies.

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