Читать книгу Ein ganz böser Fehler? - Mike Scholz - Страница 12
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Sonntag, 9. September. Früh.
Wie jeden Morgen ist Visite angesagt. Die Ärzte sind bei mir angekommen, schauen sich die Papiere an. Dann fragen sie mich, ob es mir gut gehe. Dabei erwarten sie bestimmt wieder, dass ich ein Zeichen gebe. Aber ich will unbedingt endlich antworten, habe es noch nicht aufgegeben.
"Ja."
Sie schauen ganz verdutzt.
Ich bin es auch.
"Was?"
"Gu." Dazu lächle ich sehr zufrieden. Endlich wieder einen Ton gesagt.
"Er kann wieder sprechen! Er bessert sich weiter!" Die Überraschung und auch die Freude darüber ist den Ärzten anzusehen.
Mein Lächeln wird verschmitzt, tue so, als könnte ich es schon lange, habe es ihnen nur die ganze Zeit nicht verraten.
"Und jetzt weiter üben, damit es nicht wieder verschwindet!", ermahnen sie mich im Weggehen noch.
Mein Wortschatz ist leider noch nicht groß genug, um fragen zu können, was hier eigentlich los ist. Im Kopf sind die Wörter klar, doch mit der Artikulation klappt es noch nicht so. Also halte ich ein paar Monologe ab, damit er sich erweitert. Aufzustehen stellt jetzt kein Priorität für mich dar, das Sprechen ist wichtiger.
*
Am Nachmittag kommt meine Mutter mit einem hübschen Mädchen, die ich irgendwoher kenne; allerdings nicht weiß woher.
"Hall."
Meine Mutter stutzt. "Mike, du kannst ja wieder sprechen! Das ist also die Überraschung, von der die Schwestern sprachen."
Nicken. Und ich genieße ihre Verwunderung. Denn ich war es ja auch mal, wenn ich es auch mittlerweile als die selbstverständlichste Sache der Welt ansehe. – Ist ja eigentlich auch völlig normal, dass ein Mensch spricht. Noa??
Während sie auspackt, was sie mir mitgebracht hat, schaue ich mir das Mädchen genauer an: Sie lächelt freundlich, ich spüre wieder diese wonnige Wärme, die aber diesmal nicht von meiner Mutter ausgeht und auch eine andere ist.
Woher kenne ich die bloß?
Meine Mutter bemerkt diesen Blick. "Kennst du sie?", fragt sie mich deswegen.
"Jaaa", bin ich noch am Überlegen.
"Und wie heißt sie?"
Eigentlich habe ich ja ein gutes Namensgedächtnis, aber hier? Richtig peinlich so was. Also muss ich raten, was soll's: "Dianaa."
"Nein, Pia. Und sie ist deine Freundin. Weißt du das noch?"
Aha, sie ist meine Freundin. Daher kenne ich sie also. Und Pia heißt sie? Soso. Na ja, Hauptsache, meine Freundin.
"Ja, kese." Damit verschwindet das Fragen in meinem Blick. Ich schnurre.
In dem Gesicht meiner Mutter blitzt kurz ein Ausdruck der Enttäuschung auf. Doch der ist sofort wieder verschwunden.
Warum ist sie enttäuscht? Verbirgt sie irgendetwas vor mir? Sie will mir nicht sagen, warum ich hier bin, ist enttäuscht, dass ich meine Freundin wieder erkenne ...
DAS LETZTE STÜCK DRECK!
Was war das? Was hat das schon wieder zu bedeuten? Keine Ahnung, doch später werde ich mich darum kümmern.
*
Meine Mutter macht sich zum Aufbruch bereit. Wohingegen Pia jetzt richtig auf den Plan tritt: "Wie geht es dir, Mike?"
"Gan gu", schaue ich ihr jetzt tief in die Augen.
"Soll ich wiederkommen?"
Ich möchte antworten "natürlich", bekomme aber nur ein Nicken heraus. Kann dafür aber weiter lächeln.
"Ich mache jetzt los, Mike." Ruhig und beschwörend redet sie auf mich ein, wie ein Dompteur auf seinen tierischen Schützling. – Bin ich ein angeschlagenes Raubtier? – Sie gibt mir noch einen Kuss auf die Wange; ich nehme ihre Hand, streichle diese. Dann geht auch sie.
Pia heißt sie also. Kann mich zwar nicht erinnern, jemals eine Pia gehabt zu haben, aber der Name ist ja auch nicht so wichtig. Wichtig ist nur, dass ich jemanden liebte und liebe – Oder lieben werde? Habe ich mit ihr eigentlich schon gepennt? Oh peinlich, das will mir auch nicht einfallen. Kenne ich doch überhaupt nicht von mir. Erst weiß ich den Namen nicht, dann weiß ich nicht, ob ich mich schon mal von ihr habe verführen lassen ... eeh bin ich überhaupt Mike Scholz? Es nützt nichts, ich muss mal irgendwann demnächst in den Spiegel gucken. Doch was ist, wenn ich nicht Mike Scholz bin??