Читать книгу Ein ganz böser Fehler? - Mike Scholz - Страница 25
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Donnerstag, 20. September. Vormittag. 09.00 Uhr.
"Na, wie geht's, Herr Scholz?", fragt Frau Miller, die pünktlich erschienen ist und von mir beinahe sehnsüchtig, zumindest aber mit großer Spannung erwartet wird.
"Ich hoff bessr, wennSe wiedrehn! – Übigns, Sie kömi ruhig Mike nenn. Ich erloubsn."
Sie lacht: "Okay, Mike. Jetzt geht es aber ran an die Arbeit."
Ich soll Sachen versuchen, die der Verbesserung meiner Kraft und Koordination dienen, z.B. Arme heben und spreizen, ebenso die Beine. Außerdem brachte sie einen kleinen Gummiring mit, den man zusammendrücken muss, also zur Kräftigung der Finger dient. Und auch noch einen, den man auseinander ziehen soll. Problematisch, vor allem der zweite. Aber auch, wenn ich nicht Mike Scholz bin, sondern irgendjemand anderes, ich muss es hinkriegen, koste es, was es wolle. Denn dann bin ich es dem anderen schuldig!
*
"Soll ich die Ringe hier lassen?", erkundigt sich Frau Miller, am Ende ihrer Session.
"Dasärni schlech, da kanma sich wenstns die Zeit verteibn. Außerdem willi soschne wiemögch weg! Dat kotzt mian hier!"
"Okay, hier sind sie. So, tschüss bis morgen."
Kaum ist die Tür wieder geschlossen, frage ich mich, warum nicht zweimal am Tage. Abgesehen davon hätte ich mich ja gleich mal erkundigen können, wie lange ich hier kampieren muss.
Nun gut, dann muss ich es eben morgen machen.
*
Am Nachmittag kommt Pia: "Na Mike, wie geht's?"
"Umsändn entspechn. Aber hierinne isso herich beschissn. Erinnert michirgndwie ande Fottenschü."
"Inwiefern?"
Nachdem ich es ihr erklärt habe und wir eine Reihe von Küsschen getauscht haben – keine richtigen Küsse, obwohl ich es versuche – Warum nicht? – kommt plötzlich ein Pfleger herein und verkündet, dass er mich waschen will. Wir sollen Schluss machen.
"Ja, wir sind gleich fertig", antwortet Pia.
Ich aber finde es unverschämt, einen damit mitten am Tage bei seinem Besuch zu stören. "Son Misvieh!, befinde ich deshalb, als er sich – nur einen Moment wahrscheinlich – verzogen hat. "Sahso aas, alsenner neidiisch wär. Der will wohouma!"
"Igittigitt!", schüttelt sich Pia von Ekel angefallen; "da könntest du mir ruhig was Besseres anbieten! Doch ..."
"Mizum Beispie?", unterbreche ich sie.
Sie überlegt. "Hm, ja, das wäre eine Möglichkeit. – Doch ich muss jetzt sowieso los."
"Scheiße!"
"Nicht doch, nicht doch. Und du musst mir auch versprechen, wegen jetzt kein Aufstand zu inszenieren."
"Zähnirsch ja. Wenndmi mit som schmachtenden Blick ansaust, kannchir donischabschlagn."
Sie teilt mir noch mit, dass sie jetzt nicht mehr jeden Tag kommen könne aufgrund finanzieller Probleme, deshalb in Zukunft nur noch aller drei Tage, und will dann wissen, ob meine Mutter schon hier gewesen sei.
"Ääh, wo denksenhin?! KeeSpur vonnerher äh bisher. Ichrauch abr meie Kamottn."
Plötzlich gerate ich in Rage, rege mich auf wie eine wild gewordene Furie; kann aber nichts dagegen tun – obwohl ich es nicht möchte; es überfällt mich einfach und nimmt nur zögernd seinen Zugriff wieder weg. So lasse ich mir auch diesmal die übelsten Schimpfwörter einfallen, um meine Mutter zu charakterisieren, um meine Gefühle ihr gegenüber der Außenwelt deutlich zu machen.
"Mike", möchte mich Pia beschwichtigen, "das mag zwar wahr sein, aber du musst es nicht so direkt sagen."
In dem Moment kommt der Pfleger wieder rein.
"Oh nee, scho wiedr", murmle ich, nur für Pia hörbar. (Ich nehme es zumindest an, denn ich bin ganz leise geworden.)
"Kann ich ihn nicht waschen?", schlägt sie dem Pfleger vor.
"Dasärne lueneine Idee!", versichere ich sofort lautstark. Stelle mir dabei augenblicklich vor, wie sie zart über meinen Körper fährt, mir das Gefühl des Gestreichelt–Werdens vermittelt, Otto in die Hand nimmt und seine Vorhaut zurü...
"Nein, das geht nicht. Wir haben da unsere Vorschriften", antwortet der Pfleger bestimmt.
"Er haAgst vodden komischn Fecken, diedaoffm Lakn entstehn könntn", flüstere ich Pia zu und bin mir sicher, dass diese dabei entstehen würden. – Wenn sie dabei noch ihre üppigen Rundungen lüftet, dann ...!
Das bringt sie zum Kichern. Mühsam versucht sie es zu verbergen; aber doch dürfte er es bemerkt haben und steht angemeiert wartend mit vorgestrecktem Bierbauch und der Waschschüssel in der Hand vor meinem Bett.
"Na, dann muss ich wohl." Sie gibt mir noch ein Abschiedsküsschen und geht, allerdings nicht ohne noch einen Blick auf den Pfleger zu werfen, bei welchem sie wieder loskichern muss.
"Das kann ja schließlich nicht jeder machen", rechtfertigt er sich, während er mich wäscht, "sich von seinem Besuch waschen zu lassen. Also tut es auch niemand. Schließlich haben wir unsere Vorschriften; und die sind dazu da, dass wir uns daran halten."
"Ja ja", rede ich beruhigend auf ihn ein. Denn das wäre ja unverzeihlich, wenn er bei mir im Zimmer einen Herzinfarkt bekäme. Da würde ich mich Zeit meines Lebens grämen.
*
Am Abend stelle ich Gabi die mich zurzeit am meisten beschäftigende Frage: "Wasoubstn, wielange werdchn hier drinneleibn müssn?"
"Na ja, ich bin ja kein Experte. Aber – willst du meine Meinung hören oder die, die in den Schulbüchern steht?"
"Deie natürch! Sonst hättchjani gefagt!"
"Also – es ist unterschiedlich. Es kann vier Wochen dauern, zwei oder vier Monate, aber auch ein halbes Jahr. Manchmal sogar ein ganzes Jahr."
"Un wielange wirds bei mir dauen?"
"Das kann ich dir eben nicht sagen. Zum Teil hängt es von dir selbst ab."
"Allo anklotzn. Sis offedenfall niunmögich, in vier Wochn rauszusei?"
"Ich sehe, du hast es richtig kapiert. – Übrigens, war deine Mutter heute da?", wechselt sie das Thema. Und nachdem ich verneint habe: "Langsam wird das bedrohlich wegen deiner Anziehsachen. Wenn sie nächste Woche immer noch nicht da war, werden wir ihr die Fürsorge auf den Hals schicken."
"Fürsorje? Was isn dat?"
"Etwas Amtliches. Da kriegt sie auf jeden Fall großen Ärger.
Klingt gut. Denn es kann ja wohl nicht sein, dass sie mich hier hängen lässt. Feuern aus allen Rohren. Und ich werde mich darum bemühen, ein paar Rohre aufzutreiben.
*
Kurz vor dem Einschlafen ziehe ich mein Tagesfazit: In vier Wochen kann ich also raus sein! Noch vier Wochen, an denen ich ganz hart arbeite muss! Doch dann kann und werde ich dem Mist hier mein Winke–Winke geben. Vier Wochen noch und dann werde ich endlich wieder frei sein!