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Mittwoch, 12 September. Morgens.

Nach dem Frühstück bin ich wieder mal dabei, mich in den Stuhl zu bugsieren, nur hilft mir diesmal eine soeben eingetretene Schwester.

Eigentlich könnten wir ja gleich weiterlaufen; wo­bei ich ihr natürlich nicht erzählen darf, dass ich ab­hauen will.

"Könntst Laufübung mitir mach, Schwesterchn, äh hm?" – So nenne ich alle hier befindlichen Kranken­schwestern.

"Was für Zeug?"

"Laufübu--ngen. Od meinst, ich wi ew so rum-äh-hoppen?"

Sie schaut mich ungläubig an, dann grübelt sie nach.

"Heute Mittag, eher habe ich keine Zeit", ist sie sich dann schlüssig geworden. "Außerdem brauche ich noch jemanden dazu."

Das letzte Phonem spricht sie gar nicht mehr rich­tig aus, dreht schnell ab und verschwindet – wahr­scheinlich, damit mir nicht noch mehr einfällt.

*

Ich warte und sitze, sitze und warte – furchtbar lang­weilig. Auch habe ich keine Ahnung, wie spät es ist. Ohne Uhr ist das schlecht möglich (meine Mutter ist der Meinung, ich brauche keine) und eine innere Zeit­uhr besitze ich nicht. Ergo gehe ich den Schwestern, immer wenn sie kommen, gehörig auf den Geist, for­dere stets Laufübungen, gebe keine Ruhe mehr – ir­gendwann muss es ihnen doch mal zu bunt werden und irgendwann müssten sie mir doch mal den Wunsch gewähren.

*

Schließlich werde ich erhört: "Auf geht's, jetzt ist die Laufübung dran."

Sofort werde ich nervös, fühle eine nervliche An­spannung in mir. Doch wahrscheinlich ist es immer so, wenn man etwas heiß ersehnt und nach endlosem Warten endlich erhält. Deshalb achte ich auch nicht weiter darauf; und einen Rückzieher zu machen kommt sowieso nicht in Frage.

Sie heben mich an den Armen auf die Füße: Ein herrliches Gefühl, ohne festhalten wieder auf den ei­genen Beinen zu stehen. (Die Schwestern halten mich an den Oberarmen, so dass ich die Hände nicht ir­gendwo dagegenstemmen muss.)

Der erste Gang in Richtung Tisch. Manchmal kni­cken mir die Beine weg, aber es muss weitergehen, denn schließlich will ich ein Ziel erreichen. Dabei merke ich aber, dass es ohne Hilfe noch (!) nicht ge­hen würde. – Also muss ich weitertrainieren! Das ist die einzige Möglichkeit!

Vom Tisch aus laufen wir zurück zum Bett. Doch dabei zeige ich rapide Verschleißerscheinungen, die letzten Schritte schleiche ich nur noch. Und wären nicht die Schwestern, dann würde ich schon lange wütend auf dem Boden liegen.

"Na, es reicht wohl erst einmal", sagt eine der Schwestern. "Du kannst jetzt sowieso eine Pause ma­chen, es gibt nämlich gleich Mittag."

"Bist du zufrieden, Mike?", will die andere wissen.

"Für erst äh ja. Da aber ni heess, dass grad die letzt äh Tour war. Wann kommtirn heut wiede?"

"Das musst du unserer Ablösung sagen. Wir ma­chen nach dem Mittagessen Schluss."

"Daserd ich. Ihr könnt euch äh drauf verlass."

Sie lachen wissend und lassen mich zurück ins Bett plumpsen.

*

Unfern vom Abendbrot wird mit mir endlich die nächste Laufübung gemacht. Und bei der erreichen wir gerade den Tisch, als meine Mutter erscheint.

"Bringen Sie ihn bitte zurück ins Bett", weist sie die Schwestern an.

Fassungslos, mich endlos aufregend, erschreckt starre ich sie an: Die spinnt wohl! Ich bin froh, dass ich aus dem Bett raus bin!

Strohdo...

Strohdoof? Strohdoppelgeil? Oder was war das? War es vielleicht wieder die besondere Kammer, die brauchbare Informationen über meine Mutter ent­hält?

"Waruniin Stuhl?", grollt es konfrontationsbereit in meiner Stimme.

"Im Bett geht es leichter, auch für dich."

Ich bin entsetzt, entsetzt über so viel Dummheit. Doch jetzt stehen mir die Schwestern bei: "Er kann in den Stuhl, er ist schon fast den ganzen Tag dort. Und gestern war er auch."

Meine Mutter wird rot. – Nichts mit bestimmen über mich! – "Na gut, ich wusste das nicht", lenkt sie zerknirscht ein.

Ich aber muss erkennen, dass in Bezug auf sie wie­der eine Erinnerung gekommen ist: Erst fiel mir ein, dass sie meine Mutter ist, dann, dass ich von ihr als Kind wie das letzte Stück Dreck behandelt wurde, und heute, dass sie einen Dachschaden hat. Langsam öff­net die Kammer "Persönlichkeit meiner Mutter" ihre Pforten.

Nach ein paar Grußübermittlungen und dem Hin­weis, dass sie morgen nicht kommt, verschwindet sie wieder. – Habe ich vielleicht an ihrer Ehre gekratzt?

Ein ganz böser Fehler?

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