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Sonntag, 23. September. Abends.

Gabi – die ich mittlerweile zu meiner Lieblings­schwester gekürt habe – erscheint mit einem Rollstuhl in der Tür.

"Na, hast du Lust, zum Essen am Tisch zu sitzen?", fragt sie mich.

"Ich halLust", strahle ich und versuche mich zu er­heben.

"Nicht so hastig, Mike. Es geht sofort los." Und hievt mich aus dem Bett.

Blödes Gefühl, im Rollstuhl zu sitzen. Zu den Gleich-Großen oder auch Kleineren, eigentlich zu al­len, schaut man auf wie zu Außerirdischen überlege­ner Intelligenz. Man kommt sich vor wie von der Ge­meinschaft ausgestoßen – Vielleicht ist man es dann auch?? –, wartet darauf, dass sich mal jemand er­barmt, sich zu dir herunterzubeugen und dir zuzuhö­ren. Nee, an den Rollstuhl werde ich mich nie gewöh­nen können. – Wo kommt auf einmal der blöde Ge­danke her? Es besteht doch überhaupt kein Zweifel daran, dass er nur eine Übergangslösung ist! Dass er mich nur befreit vom Essen im Bett! Ich mag zwar Frühstück im Bett, doch hat das hier ja wohl über­haupt nichts damit zu tun. Ich habe es nur ganz ein­fach satt, tagein, tagaus und dazwischen auch ständig im Bett zu hocken.

*

Nach dem Essen hat sie mich im Fernsehraum abge­stellt. Dort schaut sich gerade eine Gruppe Patienten, die auf den vor einem Plattenspieler mit Radio ste­henden Sesseln sitzen, auf dem Farbfernseher irgend­eine Klatschserie an. Aber ich widme mich etwas viel Wichtigerem: Ich schaue in mich hinein, in der Hoff­nung, etwas Neues zu entdecken, vielleicht sogar et­was darüber herauszubekommen, wo ich jetzt stehe, und in die Zukunft zu sehen, was als nächstes auf mich zukommt, wie ich es lösen werde: Eines ist mir klar geworden: Auf meine Mutter brauche ich nicht zu hoffen. Zwar dürfte ich auch einen mehr oder min­der großen Schuldanteil besitzen, doch mir scheint, sie betrachtet mich nicht mehr als vollwertiges Be­standteil ihrer Umgebung. Und ich glaube – nein, ich weiß es, ich kann mich wieder sehr, sehr dunkel dar­an erinnern –, dass sie früher schon darunter gelitten hat, mich zu akzeptieren, und so dürfte sie jetzt noch vielmehr darunter leiden, dass sich daran nichts ge­ändert hat. Aber was ist eigentlich nun mit mir pas­siert? Sollte das mit dem Unfall etwa stimmen? Dann müsste ich ja einen totalen Filmriss haben. Und neh­men wir mal an, es stimmt, was mir da drüber erzählt worden ist, so lässt sich doch keine Schlussfolgerung daraus ziehen, tauchen nur Schemen auf, kein Bild aber. Okay, ich glaube, von der Annahme, dass ich verscheißert werde, kann ich abgehen. Da würden zu viele mit drinnen hängen. Was zu sehr nach irrealem mieft. Allerdings – was ist hier noch real? Was von dem, was jetzt über mich hereingestürzt ist, gehört nicht in die Märchenwelt? Keine Ahnung. Kommt auch davon, dass ich mich an nichts erinnern kann, was letzen Monat passiert ist. Mache ich mir vielleicht selber etwas vor? Möglicherweise bin ich doch gar nicht Mike. Aber das ist doch wieder der Punkt, an dem ich mich schon tausendmal geklammert habe. Es bleibt dabei: Ein Blick in den Spiegel muss her. Um erst einmal über eine Seite Klarheit zu bekommen. Und das muss sehr bald geschehen.

Ein ganz böser Fehler?

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