Читать книгу Allendas - Nadine T. Güntner - Страница 16
Marek II
ОглавлениеMarek und der armselige Rest seiner Gefährten hasteten durch die Dunkelheit, bis sie sich ein gutes Stück vom Lager der Waldmenschen entfernt hatten. In einem kleinen Tannenhain fielen sie keuchend und schnaufend zu Boden. Die drei Sellag lauschten gebannt, aber außer ihrem eigenen stoßweise gehenden Atem konnten sie nichts hören. Sie schienen ihren Verfolgern entkommen zu sein. Eine Weile blieben sie reglos liegen, wagten es nicht, sich zu bewegen, aber noch immer war kein verdächtiges Geräusch zu hören.
Plötzlich bemerkte Marek, wie sich hinter ihm etwas regte. Wuran kroch zu ihm heran. Er konnte ihn in der Dunkelheit kaum erkennen, obwohl die Augen der Sellag Dunkelheit gewöhnt waren; die meiste Zeit hatten sie in finsteren Höhlen verbracht, aber in dem dichten Hain herrschte tiefste Schwärze. Berol, der andere überlebende Krieger, lag schnaufend ein Stück hinter ihnen und brachte noch nicht die Kraft auf, sich zu bewegen.
»Dein hervorragender Plan hat unsere Lage nur noch verschlechtert«, flüstere Wuran bissig und Marek konnte sich vorstellen, wie er grimmig sein Gesicht verzog. »Wir haben fünf Männer verloren. Wie sollen wir jetzt noch etwas ausrichten?«
Marek war überrascht, dass Wuran überhaupt bis fünf zählen konnte.
»Wir werden nicht aufgeben«, gab er zurück und unterstrich seine Entschlossenheit mit einem tiefen Knurren.
»Und was hast du nun für unsere weitere Vorgehensweise geplant? Sollen wir hier ausharren, bis sie uns finden oder wir verhungert sind?« Wuran ließ keinen Zweifel daran, dass er mit Mareks bisher erbrachten Leistungen unzufrieden war.
Marek schnaufte abfällig durch seine großen Nasenlöcher. »Ich danke dir für dein Vertrauen, Wuran«, zischte er spitz. »Aber um dich zu beruhigen, wir werden nicht hier auf unseren Tod warten. Stattdessen werden wir uns an den Rand dieses Tannenwaldes begeben, an eine Stelle, von der aus wir das Lager beobachten können. Es wird sich schon eine Gelegenheit für uns bieten.«
Um genau zu sein, hatte Marek selbst noch keine Ahnung, wie diese Möglichkeit aussehen könnte, aber solange er nicht sehen konnte, was zwischen den Zelten der Waldmenschen vor sich ging, war es ihm schlecht möglich, weiterführende Pläne zu schmieden.
»Und dort werden wir dann auf unser Ende warten«, kam es nun von Berol, der auch wieder zu Kräften gefunden hatte.
»Nein, das werden wir nicht!«, entgegnete Marek heftig und sprang auf seine Beine. Dabei verfing er sich mit seinem Kopf in den niedrigen Ästen und fluchte heftig, bis er sich wieder von ihnen befreit hatte. Als er seine Würde wiedergefunden hatte, fügte er hinzu: »Du kannst aber auch gerne zu Kalerid zurückkriechen und bei ihm auf dein Ende warten. Es wird sicher nicht lange dauern.«
Berol und Wuran erwiderten nichts und Marek war zufrieden damit. »Da uns, wie es scheint, niemand mehr gefolgt ist, gehen wir jetzt zurück zu dem Rand dieses Dickichts und werden dort über unsere Lage nachdenken, soweit ihr überhaupt des Denkens mächtig seid.«
Mit einer heftigen Bewegung drehte sich Marek um und ging auf zwei Beinen in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Er musste aber bald feststellen, dass es einerseits sinnlos war, seine Führungsposition durch den aufrechten Gang zu unterstützen, denn die beiden anderen Sellag konnten es in der Dunkelheit ohnehin nicht erkennen, und andererseits behinderte ihn diese Haltung beim Gehen mehr, als dass sie von Vorteil war. Fortwährend schlugen ihm die niedrigen Äste ins Gesicht, bis es bald völlig zerkratzt war. Letztendlich ließ er sich doch wieder auf seine vorderen Gliedmaßen sinken und kroch durch das Unterholz. An dem Murren und Fauchen hinter sich konnte er erkennen, dass Berol und Wuran ihm folgten. Sie erreichten den Rand des Tannenhains zum richtigen Zeitpunkt und Marek kam zu dem Schluss, dass dies heute doch sein Glückstag sein musste, auch wenn er einen herben Rückschlag erlitten hatte: Als die Sellag ihre Köpfe durch die Zweige der letzten Tannen streckten und in den weitläufigen Laubwald hinausspähten, sahen sie im Licht der wieder entfachten Feuer, wie sich zwei Gestalten von dem Lager entfernten. Marek hätte beinahe einen Jubelschrei ausgestoßen, als er erkannte, dass der König unter ihnen war. Er stieß die Ellenbogen in die Rippen seiner beiden Krieger, die sich zu beiden Seiten dicht neben ihm postiert hatten. Das Glitzern in ihren Augen verriet, dass auch sie den Wink des Schicksals erkannt hatten.
»Da ist unsere Gelegenheit«, zischte Marek leise, um ihr Versteck nicht zu verraten. »Bin ich nun ein guter Anführer, oder nicht?«
»Das war reiner Zufall, sonst nichts«, knurrte Wuran zurück und Berol unterstütze ihn mit einem kurzen Brummen.
»Aber wenn ich nicht angeordnet hätte, hierher zurückzukehren, wäre er unerkannt an uns vorbeigezogen.«
Wuran hatte keine Lust, sich auf Streitereien mit seinem Anführer einzulassen und so entschloss er sich, nicht weiter auf die Aussagen dieses Emporkömmlings einzugehen. »Folgen wir ihnen jetzt, oder wollen wir es weiterhin dabei belassen, ihnen nachzuschauen?«, fragte er stattdessen.
»Da mir nicht bekannt ist, dass du dich zwischen den Bäumen so unauffällig fortbewegen kannst wie ein Waldtier, werden wir noch etwas warten müssen«, erwiderte Marek zischend.
Als die schemenhaften Gestalten des Königs und seines Begleiters schon beinahe in der Dunkelheit verschwunden waren, lösten sich die drei Sellag aus den Schatten der Tannen und schlichen hinter ihnen her. Es fiel ihnen nicht leicht, sich unbemerkt durch das Unterholz fortzubewegen und als der Tag hereinbrach und das Sonnenlicht den Wald erhellte, wurde es noch schwerer für sie. Sie mussten sich anstrengen, die beiden Menschen nicht zu verlieren, denen es sehr viel leichter fiel, durch den Wald zu wandern, während die Sellag hinter dichten Büschen entlang kriechen oder sich durch das Unterholz ducken mussten. Dazu zerrte die ständige Aufmerksamkeit, die sie aufbringen mussten, um keinen unbedachten Schritt zu tun und sich durch ein Geräusch zu verraten, an ihren Kräften - mehr als es jemals ein Kampf getan hatte. Sellag waren gute Krieger, die es verstanden, gewaltig aufzutreten, aber auf eine leise und unauffällige Vorgehensweise verstanden sie sich nicht besonders gut und es begann, ihnen bald auf die Nerven zu gehen.
Mehr als einmal machte Wuran Marek den Vorschlag, die beiden Wanderer von hinten anzugreifen und ihnen ein schnelles Ende zu bescheren, aber Marek winkte stets ab. Er würde sich nicht nochmal auf einen vorschnellen Angriff einlassen und das Gelingen seiner Mission damit aufs Spiel setzen. Er würde auf den Moment warten, in dem nichts mehr schief gehen konnte.
Da sich die Sellag auf ihren eigenen Weg konzentrieren mussten und nicht besonders geübt im Beobachten des Waldes waren, fiel ihnen nicht auf, dass nur ein kleines Stück voraus ein weiterer Verfolger den beiden Wanderern dicht auf den Fersen war. Erst, als Herras und Merit stehen blieben, wurden auch Marek und seine Begleiter darauf aufmerksam. Geduckt hinter einer Hecke, die über und über in blaugelber Blüte stand, beobachteten die Sellag, was geschah. Mareks Unmut stieg erneut in ihm auf. Die Gruppe ihrer Opfer hatte sich auf drei erweitert. Auch, wenn es nur ein schwaches Weib war, das zu ihnen gestoßen war, so schwanden damit Mareks Chancen zumindest geringfügig. Die Gruppe verfügte nun über ein weiteres Schwert und eine weitere Armbrust, deren Durchschlagskraft Marek mittlerweile fürchten gelernt hatte.
Weiterhin auf ihre Gelegenheit wartend, krochen die Drei hinter den Menschen her, als diese ihren Weg fortsetzten.