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Hondor II

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Sie brachten Hondor hinunter in den Kerker seines Schlosses und behandelten ihn dabei nicht weniger unsanft, als Herras. Er war übersät mit Prellungen und kleineren Wunden, als sie endlich ihren Weg durch die tristen Gänge des ehemals prächtigen Schlosses beendet hatten und in seinem düsteren Gefängnis angekommen waren. Ein erschreckender Anblick bot sich seinen Augen. Die Kerkerräume waren überfüllt mit Angehörigen seines Volkes. Noch nie, seit Hondors Geschlecht die Macht über Allendas übernommen hatte, hatte der Kerker so viele Gefangene beherbergen müssen. Schwere Verbrechen gab es in Allendas so gut wie nie. Nur selten wurde einem Strauchdieb oder kleinen Trickbetrüger eine Lehre erteilt, in dem er ein oder zwei Nächte in den feuchten Gemäuern verbringen durfte.

Nun kauerten überall in den Räumen verängstigte und hilflos wirkende Menschen, Männer, Frauen und Kinder aus Alland Pera, die in ihrer Verzweiflung völlig aufgelöst zu sein schienen.

Ein Ruck ging durch die Menge, als Hondor hineingeschleift und unsanft in eine Ecke geworfen wurde. Seine Hände und Füße waren noch immer gefesselt und er fiel hart auf den strohbedeckten Steinboden. Die meisten Anwesenden erkannten den Neuankömmling sofort, aber sie wagten es nicht, auch nur einen Ton von sich zu geben. Es mangelte nicht an Sellag-Wachen und diese zögerten auch nicht, von ihren Schwertern Gebrauch zu machen, wenn jemand ein falsches Wort wagte. Diese Erfahrung hatten sie bereits gemacht. So starrten sie den König nur mit schreckgeweiteten Augen an.

Zorina, eine junge Frau, überwand als Erste ihre Starre. Sie saß dicht neben dem König an die Wand gelehnt und streckte ihre Hände aus, um dem auf dem Boden liegenden Mann in eine sitzende Position zu helfen. Als Hondor sie ansah, erkannte er sie sofort. Sie war die Tochter des Hofschmieds. Er hatte sie schon oft beobachtet, wenn er seinen treuen Samlas selbst zum Beschlagen der Hufe gebracht hatte.

»Danke«, flüsterte Hondor leise, als er sich schwer mit dem Rücken an die Mauer stützte.

»Ich bin glücklich, Euch lebendig zu sehen, Majestät! Was tut Ihr hier?«, fragte Zorina und musterte ihn verwundert und auch erleichtert mit ihren großen braunen Augen. »Wir dachten, Ihr seid tot. Die Wachen sagten, dass man Euch...«

Hondor schüttelte heftig den Kopf. Sie hielt sogleich inne und der König schaute sich vorsichtig nach den Wachen um. Die Sellag schienen nicht bemerkt zu haben, mit welchem Titel sie ihn angeredet hatte. Mit einer kurzen Bewegung deutete er ihr, ein wenig näher zu kommen und sie rückte unauffällig ein Stück an ihn heran.

Leise, so leise, dass Zorina ihn kaum verstand, flüsterte Hondor ihr zu: »Ihr dürft mich nicht mit meinem Titel anreden. Unsere Feinde dürfen nicht erfahren, wer ich bin. Herras hat meine Stellung eingenommen. Er hat sich für mich den Sellag gestellt und wir dürfen sein Opfer nicht entweihen, indem wir meine Identität vorschnell preisgeben.« Ein dunkler Schatten legte sich über Hondors Gesicht, als er an seinen ergebenen Freund dachte und an das Schicksal, das ihn ereilt haben mochte. Trauer erfüllte ihn. »Ich bin jetzt Herras, Hauptmann des Königs.«

Zorina nickte verstehend. »Kein Wort wird über meine Lippen kommen, Herras.« Es klang fast wie ein Schwur. »Sellag heißen sie also, diese Ungeheuer«, bemerkte sie nach einer Weile. »Sie haben Schreckliches angerichtet. Ohne Gnade haben sie uns überfallen. Viele wurden getötet. Das ist der klägliche Rest, der von uns übrig geblieben ist.« Sie ließ ihren Blick durch den Raum schweifen und Hondors Augen folgten ihm. Er konnte ihre Trauer deutlich spüren, die nicht geringer als seine eigene war.

»Wir werden aber nicht aufgeben, auch wenn sie in der Überzahl sind.« Hondor versuchte ihr Hoffnung zu machen, die er selbst kaum empfand.

Nun wurde eine der Wachen auf ihr Flüstern aufmerksam. Mit einem wilden Fauchen ging er zwischen die beiden Menschen und drängte Zorina ein Stück von Hondor weg.

Die Zeit schlich langsam dahin. Hondor spürte die aufmerksamen Blicke der Sellag genauso auf sich ruhen, wie die erwartungsvollen und verängstigten seiner Untertanen. Er hätte sich gewünscht, er könnte ihnen Mut zusprechen und ihnen ihre Angst nehmen, aber ihm waren im wahrsten Sinne des Wortes die Hände gebunden und so blieb ihm nichts anderes übrig, als tatenlos auszuharren.

Als der Tag herangebrochen war und helles Sonnenlicht durch die kleinen, vergitterten Fenster in die dunklen, feuchten Gemäuer fiel, hatte das Warten noch immer kein Ende genommen. Die Sellag-Wachen streunten unruhig zwischen ihren Gefangenen umher und Hondor gewann langsam den Eindruck, dass sie selbst nicht genau wussten, was sie mit ihnen anfangen sollten. Sie schienen noch keine Befehle von ihrem Anführer bekommen zu haben und ihre Unruhe nahm ebenso zu wie Hondors.

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