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Foto: Ann-Christin Fischer

Von Ann-Christin Fischer

Dartpfeil landete im Auge

Ein wunderschönes Hotel in Djerba (Tunesien), ein riesiger Pool und ein Animateur, der die Kleinen unterhält und mit ihnen spielt. Hört sich nach einer Traumreise an, ist es auch – bis zum 25. Oktober 1998. Dann passiert das Unglück. Rückblick: Lisa Büring ist damals acht Jahre alt und erinnert sich: „Am Rande des Pools wurde vom Animationsteam ein Dartspiel vorbereitet. Ich war bei so etwas immer sofort dabei und habe mich dazugestellt und mir das Ganze angeschaut.“ Ihre Mama Renate Büring und Stiefvater Andreas Langanke liegen am Pool, Stiefbruder Tobias ist bei Lisa in der Nähe.

Die Dartscheibe ist in Richtung Pool aufgebaut, um die Scheibe herum steht eine Menschenmenge. Lisa Büring mittendrin. „Ich stand rechts, das weiß ich noch ganz genau.“

Und dann passiert etwas, was heutzutage wirklich unvorstellbar ist. Der Dame, die den Dartpfeil werfen soll, werden die Augen verbunden. Noch dazu soll sie sich im Kreis drehen. Wenn der Animateur „Jetzt“ ruft, soll sie werfen. „Jetzt!“ , sie wirft, und Bruchteile später steckt der Dartpfeil in Lisas Auge. „Sie hat mich getroffen, und ich habe reflexartig den Pfeil aus dem Auge gezogen“, berichtet die 25-Jährige.

„Das war totaler Blödsinn, dieses Spiel“, sagt Renate Büring im Nachhinein. Sie bekommt mit, dass rund um den Animateur viel Trubel herrscht und hört dann ihre Tochter schreien.

Sofort steigt die Familie mit dem Animateur in ein Taxi und fährt zu einem Arzt. Lisa sieht zu diesem Zeitpunkt alles wie durch ein Milchglas, nur dass es nicht weiß, sondern gelb ist. Beim ersten Arzt ist es „wie auf einem Schlachthof“, erinnert sich Renate Büring. Er fragte Lisa: „Siehst du noch etwas?“ Da sie seine Finger schemenhaft erkennen konnte, schickt er sie zurück ins Hotel, alles sei gut.

Mutter bleibt bei der Tochter

Nichts da, der Trupp fährt in eine Privatklinik, der Arzt sei sehr erfahren, für tunesische Verhältnisse sei hier alles sehr modern. Sofort wird Lisa Büring genäht, die ganze Zeit ist ihre Mutter bei ihr, auch nachts: „An viele Dinge kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich weiß aber noch, dass Mama immer bei mir war und ich das beruhigend fand“, sagt sie und blickt ihre Mama liebevoll an. Der Rest der Familie bleibt im Hotel, aber an Urlaub war nicht mehr zu denken. Nur noch: Wann geht der nächste Flug nach Deutschland?

Renate Büring steht ihrer Tochter unermüdlich bei, will, dass sofort die Schuldfrage geklärt wird. Das Hotel zahlte das Krankenhaus, die Dame, die geworfen hat, nimmt alle Schuld auf sich und entschuldigt sich mehrere Male. Bis heute muss ihre Versicherung für alle Folgeschäden aufkommen. „Sie hatte ein sehr schlechtes Gewissen“, weiß Renate Büring und sagt: „Die Entschuldigung haben wir natürlich angenommen.“ In Tunesien kämpft sie wie eine Löwin für ihr Kind. Deutsch können viele nicht, also wurde alles mit Französisch und Englisch geregelt.

Nach drei Tagen im Krankenhaus und unzähligen Antibiotika, Spritzen und Tropfen ist es so weit: Die vier fliegen zurück. In Meppen lobt Augenarzt Dr. Robert D. Slingerland die gute Arbeit der tunesischen Ärzte. In Ahaus bekommt die damals kleine Lisa ein paar Monate später eine künstliche Linse, ihre kann nicht mehr gerettet werden, sie ist durchgestochen und trüb. Heute hat sie auf dem Auge nur noch 30 Prozent Sehkraft. Sie erklärt: „Ich sehe alles verpixelt, habe mich aber daran gewöhnt.“ Wer ganz genau hinschaut, erkennt, dass die Linse etwas anders aussieht als ihr gesundes Auge.

Heute meidet die junge Frau Dartpfeile. „Früher habe gerne auf der Kirmes mit Dartpfeilen auf Ballons geworfen, aber nach dem Vorfall habe ich nie wieder einen angefasst.“ Der Wunsch, ihre Augen zu verbessern, ist immer da. Die Hoffnung, dass sie irgendwann über die 30 Prozent Sehkraft hinauskommt, auch.

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