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Foto: Hirohisa Yamashita

Von Elisabeth Gadeberg

Japan im Wohnzimmer

„Ik seh di, dat freit mi“: So beginnt der Ammerländer Trinkspruch. Mit dem Sehen allerdings ist das nicht immer einfach. Insbesondere dann, wenn zwischen den Gesprächspartnern 9000 Kilometer oder elf Flugstunden liegen – wie zwischen Deutschland und Japan. Sophie (21) ist für ein halbes Jahr in Kyoto. Als Studentin der Japanologie ist im Rahmen ihres Studiums das Auslandssemester obligatorisch. Ihre Familie wird sie erst einmal nicht mehr sehen – sechs Monate lang.

So wäre es jedenfalls früher gewesen. Briefe und – wenn möglich – Telefonate hätten Familie und Freunden in Deutschland genügen müssen und auch genügen können, denn die Elterngeneration war in der Regel bei Weitem nicht so weltläufig. Für sie bedeutete häufig bereits das europäische Ausland – vorzugsweise Österreich, Italien, England und Frankreich – die Welt. Heute sind junge Leute Weltreisende im eigentlichen Sinn schon zu Schulzeiten, spätestens aber nach dem Abitur. „Work & Travel in Australien und Neuseeland, Au-pair in den USA, die Liste lässt sich beliebig verlängern.

Eine Mitstudentin Sophies absolviert ein Semester ihres Studiums in Palästina. Die Tochter einer Kollegin studiert internationales Baumanagement und ist nach einem Stipendium in Indien vor wenigen Monaten von einem Praktikum in Nigeria zurückgekehrt.

Auch Sophie kommt demnächst nach Hause. Bis dahin aber haben sie und ihre Mitstudentinnen nicht nur ganz reale Abstecher nach Hongkong und Korea unternommen, sondern auch den einen oder anderen Ausflug in heimische Gefilde – Letztere allerdings nur virtuell.

Facetime und Skype machen es möglich. „Es ist fast so, als säße ich neben Euch auf dem Sofa“, lacht Sophie, wenn sie erzählt, wie es in ihrem Studentenheim, oder später in ihrem „Kapsel-Hotel“, aussieht und die Kamera an ihrem Laptop entsprechend ausrichtet, damit auch die Familie sehen kann, wo und wie sie wohnt: Live-Einblicke in ein vorübergehend neues Leben.

Zumeist sind es nächtliche Einblicke, denn der Zeitunterschied beträgt – die Sommerzeit berücksichtigend – sieben Stunden. Das heißt, ein Telefonat um 17 Uhr hierzulande erreicht Sophie um Mitternacht in Kyoto.

Wie auch immer, ihre Erzählungen sind bunt, lebendig und relativ aktuell, wogegen ein Brief aus Japan heute etwa sieben Tage braucht – früher vermutlich noch länger. Natürlich ist die Verbindung nicht immer gleich gut, dann tut es vielleicht auch eine Mail, bevor das nächste Telefonat Sophie ins Wohnzimmer holt und Neuigkeiten ausgetauscht werden.

Manchmal ist es auch ein guter Rat, der gebraucht wird, oder etwas ganz anderes: Vollkornbrot. Dann allerdings geht ein Päckchen auf die Reise. Eine Reise, die auch Sophie bald antritt – zurück in die Heimat. Auf dieses Wiedersehen freuen sich alle: sie selbst, ihre Familie, ihre Freunde.

Und dann ist klar: Facetime und Skype als virtuelle Überbrückungshilfen in die Welt in allen Ehren, aber es geht doch nichts über die persönliche Begegnung, das ganz reale „Wieder-sehen“, nicht von Telefon zu Telefon, sondern von Mensch zu Mensch: „Ik seh di, dat freit mi“. Inzwischen ist Sophie wieder glücklich zuhause und hat sich schon über viele fröhliche „Wiedersehen“ gefreut.

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