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13. Bitte unter Vermeidung der Verben sein und haben

Nach Schulschluss an einem Freitag wie vielen anderen: Sobald wir im Bunker angekommen waren – so nannte Hope das Kellergeschoss liebevoll –, fuhr ich unseren wahnsinnig leistungsstarken Macintosh SE hoch und warf meine Schultasche in die Ecke. Sie öffnete sich bei der Landung und spie ein paar Blätter aus, unter anderem die Aufgabenstellung für einen Aufsatz, den wir zu schreiben hatten. Ein Thema, in dem alles zusammenkam: »Wie sieht die Welt in der Zukunft aus?« Umfang circa 250 Wörter, bitte unter Vermeidung der Verben sein und haben.

Ich sehe noch deutlich vor mir, mit welcher Begeisterung Madame Michaud uns das Aufsatzthema diktierte, wie sie sich in der Gewissheit sonnte, es handele sich hierbei um ein harmloses, kreatives Thema. Wahrscheinlich erwartete sie die üblichen Klischees: Weltraumtourismus, Roboter als Haushaltshilfe und ein paar neue Pillen gegen Krebs.

Ich starrte eine Zeitlang auf den Bildschirm, seufzte und zog mich zurück auf die Couch, wo ein zerlesener Comic herumlag: Godzilla – König der Monster, im Kampf gegen Captain Amerika. Wahllos blätterte ich darin herum und stieß auf eine Werbung für die Wunderbrille »Amazing X-Ray Vision«, mit der man durch feste Materie (inklusive Frauenbekleidung) hindurchschauen konnte und die für lächerliche zwei US-Dollar feilgeboten wurde. Postanweisung und Bestellcoupon sind zu adressieren an: Postfach 245, Navajo Creek, Nevada.

Der beste Witz seit dem Perpetuum mobile.

Ein Luftstrom durchzog den Raum. Hope betrat den Bunker durch die Hintertür, sie kam mittlerweile herein, ohne zu klopfen. Wahrscheinlich wollte sie den Rechner benutzen, um ihren Aufsatz zu schreiben. Überraschung: Sie trug unter ihrem Arm einen alten roten Schlafsack. Offenbar hatte sie die Absicht, hier die Nacht zu verbringen. Ich erwog sofort das Schlimmste. Sie schleuderte ihre Sachen beiläufig in eine Ecke.

»Hast du die Nachrichten gehört?«

Kopfschütteln. Ich war weder im Bilde über die letzten Erschütterungen in der nicaraguanischen Innenpolitik und an der Tokioter Börse noch über den Grundwasserspiegel im Libanon. Ohne sich von mir beeindrucken zu lassen, machte sie den Fernseher an und ließ sich neben mich fallen. Auf dem Bildschirm sah man ein sonderbares Schauspiel: Auf etwas, das für mich aussah wie ein altes Betonlager, tanzten Hunderte Menschen und lagen sich in den Armen.

Hope schaute mich mit funkelnd blauen Augen an.

»Die Berliner Mauer ist gerade gefallen!«

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