Читать книгу Das Haus der Spione - Nicole-C. Vosseler - Страница 14

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Dunkelheit senkte sich früh über die Stadt. Auf den Gassen, Straßen und Plätzen wurde das Treiben immer ausgelassener. Nicholas bekam davon nichts mehr mit. Die Aufregungen des Tages und der volle Magen hatten ihn müde gemacht und das Schaukeln der Kutsche schläferte ihn vollends ein. Wie eine Katze rollte er sich in einer Ecke des Wagens zusammen. In zweieinhalb Stunden würden er und Dee die acht Meilen flussaufwärts nach Mortlake zurückgelegt haben. Noch ehe sie durch das Stadttor hindurch waren, schlief Nicholas tief und fest.

Über der Themse zerplatzten rote Feuerblumen, zogen grüne und bronzene Lichtkugeln ihre Bahnen, regnete es Wasserfälle von goldenen und silbernen Sternen unter den Donnerschlägen der Böller.

Auch am St. Paul’s Wharf wurde gefeiert. Auf dem Kai selbst, wo sonst Waren gelöscht oder auf Boote verladen wurden, standen die Hafenarbeiter mit ihren Mädchen oder Ehefrauen und bejubelten lautstark das Feuerwerk und ihre Good Queen Bess.

In einem der hohen Häuser im Hintergrund hatte das Schauspiel trotz der Kälte die Gäste einer vornehmen Gesellschaft auf den Balkon gelockt. Die juwelenbesetzten Kleider der Damen funkelten mit dem Feuerzauber am nachtschwarzen Himmel um die Wette und die Wämser der Gentlemen standen dieser Farbenpracht in nichts nach. Zwei Männer lösten sich aus der Gruppe, als sie an den Rand der steinernen Balustrade traten.

»Ich möchte noch einmal betonen, wie sehr die Anwesenheit Eurer Exzellenz mein bescheidenes Heim ehrt und dem heutigen Abend Glanz verleiht«, erklärte Sir Francis Throckmorton in französischer Sprache und unterstrich seine Worte mit einer leichten Verbeugung. Sein Gast Michel de Castelnau, der Gesandte des Königs von Frankreich, antwortete mit einem hoheitsvollen Nicken.

»Die Freude über Eure Einladung ist ganz auf meiner Seite, Monseigneur. Und ich fühle mich meinerseits geehrt, dass Ihr meine Muttersprache so überaus gut beherrscht.«

Die beiden waren sich an diesem Abend zum ersten Mal persönlich begegnet, denn Throckmorton war erst vor Kurzem nach London zurückgekehrt. Die Feierlichkeiten zum Jahrestag von Elisabeths Thronbesteigung waren ihm daher ein willkommener Anlass, alte Verbindungen zur Londoner Gesellschaft aufzufrischen und neue zu knüpfen. Castelnau hatte es als seine diplomatische Pflicht empfunden, der Einladung des jungen Edelmannes nachzukommen, die ihm vergangene Woche ins Haus geflattert war.

»Frankreich ist ein wunderbares Land«, geriet Throckmorton ins Schwärmen. »Wenngleich auch Spanien und die italienischen Städte gewisser Reize nicht entbehren, so ist doch Euer Vaterland an Schönheit und Kultur nicht zu übertreffen. Ich bedaure zutiefst, dass dringende heimische Angelegenheiten mich meinen Aufenthalt auf dem Kontinent nicht fortsetzen ließen. Manche Dinge lassen sich eben besser persönlich regeln denn per Kurier oder Mittelsmann.«

»Oui, die Mühsal der Geschäfte und das Joch der Verpflichtungen«, seufzte Castelnau. »Um wie viel glücklicher und freier könnte man sich doch in einem Leben als Dichter oder als Gelehrter einrichten!«

Throckmorton musterte sein Gegenüber mit einem Seitenblick. Obwohl schon in den Sechzigern, wies Castelnaus kohlrabenschwarzer Lockenkopf nur einzelne graue Fäden auf. Der kecke Spitzbart und der modische Ring im Ohrläppchen hätten ihn wie einen Piraten aussehen lassen, wäre er nicht so elegant gekleidet gewesen.

»Gewiss ist das Los unseres Standes ein schweres«, pflichtete Throckmorton seinem Gast bei. Als er sah, wie Castelnau nickte, fuhr er fort: »Doch ohne Zweifel ist die Bürde ungleich größer, für das Wohlergehen eines ganzen Landes und eines Volkes zu sorgen. Von der Gefahr des Scheiterns an dieser Aufgabe gar nicht zu reden. Nehmt Ihre Majestät die Königin –vierundzwanzig Jahre trägt sie nun schon diese Bürde.«

»Eine lange Zeit«, bekräftigte Castelnau.

»Vierundzwanzig Jahre ein protestantisches England mit einer protestantischen Königin«, fügte Throckmorton nachdenklich hinzu und sah auf den Fluss hinaus. »Wie viele Jahre ihr noch vergönnt sein werden?«

Castelnau zuckte mit den gepolsterten Schultern seines blausilbern bestickten Wamses. »Ich nehme an, so viele, wie der Herr in Seiner Gnade Ihrer Majestät zugestehen wird.«

Throckmorton nahm einen Schluck aus seinem Glas. »Und wenn es nun nicht mehr all zu viele sein sollten?«

»Bei unserer letzten Begegnung erfreute sich Ihre Majestät bester Gesundheit«, gab Castelnau trocken zurück.

»Zweifellos, Euer Exzellenz«, beeilte sich Throckmorton zu versichern. »Jedoch – die Zeiten sind unsicher und niemand weiß, was morgen sein wird . . .«

Castelnau senkte den Blick in sein leeres Glas und schürzte die Lippen. »Gewiss. Unser aller Schicksal liegt allein in Gottes Händen. – Ihr entschuldigt mich, Monseigneur Throckmorton.« Hastig verbeugte er sich und schloss sich den anderen Gästen an, die lärmend wieder ins Innere des Hauses strömten, um sich mit Portwein und flotten Tänzen aufzuwärmen. Sein Gastgeber blieb zurück und betrachtete den ersterbenden Funkenregen am Himmel.

Es war ein kluger Schachzug gewesen, den französischen Gesandten einzuladen. Nach den Regeln der feinen Gesellschaft musste nun eine baldige Gegeneinladung von Castelnau zu einem ähnlichen Anlass erfolgen. Geduld, ermahnte Throckmorton sich selbst, nur Geduld! Große Taten benötigen Ausdauer und geschicktes Taktieren! Er hoffte, er würde Castelnau sehr bald dort haben, wo er ihn haben wollte.

Eine letzte Leuchtkugel explodierte mit einem Knall. Ihr Widerschein ließ die eine Hälfte von Throckmortons Gesicht unheimlich aufglühen, während die andere im tiefen Schatten lag. Für einen Augenblick sah sein kastanienbraunes Haar aus, als stünde es in Flammen. Dann erlosch das Licht. Das Feuerwerk war vorüber. Übrig blieb nur eine dichte Rauchwolke verbrannten Schwarzpulvers, die den Fluss entlangkroch. Throckmortons Mundwinkel kräuselten sich zu einem falschen Lächeln. Er hob sein Glas in Richtung des Palastes von Whitehall: »Auf dein nahes Ende, Bastard-Königin.«

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