Читать книгу Das Haus der Spione - Nicole-C. Vosseler - Страница 8
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ОглавлениеDer Reiter sprengte durch den Forst. Zweige peitschten ihm ins Gesicht, doch er nahm darauf ebenso wenig Rücksicht wie auf sein Pferd, das Schaum vorm Maul hatte und unter dem scharfen Galopp keuchte. Das Blattwerk über ihm war so dicht, dass das Unterholz in tiefster Finsternis lag und keine genauere Schätzung der Stunde zuließ. Sein Weg in den Norden hatte ihn über traumverlorene braunviolette Moore geführt, durch dichte Wälder und über Wiesen, die so süß dufteten, wie sie es nur im Mai taten. Doch seine Sinne waren dafür nicht empfänglich gewesen. Eile war geboten, um das Ziel noch vor Einbruch der Nacht zu erreichen und das Päckchen zu überbringen, das er an seinem Körper trug. Erlen und Ulmen schossen vorüber und unvermittelt endete der Wald. Die Hufe seines Pferdes bohrten sich in eine feuchte Rasenfläche. Der Reiter zügelte sein Tier, bis es schließlich atemlos auf der Stelle tänzelte.
Es war nach Sonnenuntergang. Dämmerung kroch über die weite Parklandschaft und entzog ihr die Farben des Tages. Vor dem lavendelgrauen Himmel erhob sich der Schattenriss eines Schlosses, drohend und düster im schwindenden Licht. Zahlreiche Fenster waren erleuchtet, doch ihr gelblicher Schein wirkte eher abweisend denn einladend.
Er stieg ab und führte sein Pferd am Zügel zu einer vereinzelt stehenden ausladenden Esche.
»Ihr kommt spät.«
Mit gezücktem Dolch fuhr er herum. Aus der Silhouette des Baumstamms löste sich ein Schatten und trat auf ihn zu. »Ruhm sei der Silberdistel . . .«, begann die Gestalt in dem langen Umhang, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen.
Der Reiter steckte den Dolch zurück und ergänzte das Losungswort: ». . . am Morgen des Phönix.« Aus dem Ausschnitt seines Hemdes zog er seine kostbare Fracht hervor und einen Lederbeutel, in dem es leise klimperte. »Ich bin so schnell geritten, wie ich konnte. Doch Yorkshire ist nun einmal kein Vorort Londons.« Er reichte beides seinem Gegenüber. Der Beutel verschwand sogleich zwischen den Falten des Umhangs. Das Paket jedoch wurde nachdenklich in beiden Händen gewogen. »Und die schwarze Spinne ahnt gewiss nichts hiervon?«
»Mein Wort als Ehrenmann und dasselbige meines Herrn«, bestätigte der Reiter. »Besagte Spinne kann ihre neugierige Nase weiterhin in die offizielle Post stecken, bis sie ganz tintenfleckig ist. Auf mehr als belanglose Neuigkeiten wird sie aber von nun an vergeblich warten. Garantiert Ihr uns im Gegenzug, dass dieses Päckchen Eure Gebieterin wohlbehalten erreichen wird?«
Der Mann mit der Kapuze lachte verächtlich auf und warf einen Seitenblick zum Schloss hinüber.
»Seid unbesorgt! Selbst wenn mich jemand gesehen haben sollte: Der Earl of Shrewsbury hält es für unter seiner Würde, die Post seiner Gefangenen zu kontrollieren.« Er nickte dem Reiter zum Abschied zu. »Versichert Eurem Herrn die unverbrüchliche Dankbarkeit meiner Gebieterin für seine Dienste.«
Schon nach wenigen Schritten verschmolz seine dunkle Gestalt mit der Dämmerung.
Der Reiter stieg auf und wendete sein Pferd, um ohne Hast die Rückreise anzutreten.