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Sterile Kulthandlungen

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Mit Ausnahme vielleicht der Armeen zählt keine öffentliche Körperschaft einen so großen Anteil an Dekorierten, Titulierten und Uniformierten wie die katholische Kirche. In westlichen Demokratien ist die Etikette längst vereinfacht worden. Wo sie noch beibehalten wird, wie in England, wirkt sie wie ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten. „Kirche“ aber zeigt sich nach außen für viele noch immer als ein fremdartig-folkloristisch wirkendes Ritual mit viel Rot, Violett, Gold und einem großartig-unwirklich erscheinenden, unverständlichen Zeremoniell.

Geradezu clownesk wirkt aus heutiger Sicht die im Jahre 1905 von Papst Pius X. eingeführte und noch heute gültige Kleiderordnung für die Prälaten: „Die Prälaten Erster Klasse können bei den heiligen Handlungen die Prälatenkleidung (nämlich die Strümpfe, das Kollar, die Soutane, das seidene, links herabhängende Zingulum mit zwei ebenfalls seidenen Troddeln, den Mantel oder die Mantelletta über dem Rochett) in violetter Farbe tragen; dazu das schwarze Birett mit einer amarantroten Quaste; der Hut hat auch schwarz und von einem seidenen Band eingefasst zu sein, das mit einer Borte im selben Rot verziert ist. Von derselben Farbe und ebenfalls aus Seide haben auch die Knopflöcher, die Knöpfe, die kleine Litze, die den Hals und die Kanten der Soutane wie des Mäntelchens schmückt, das Futter dieser beiden Kleidungsstücke sowie die Ärmelaufschläge, selbst die des Rochetts, zu sein.“12

Diese Erscheinungen haben sich leider so weit entwickelt, dass sie nicht mehr ein nebensächliches Beiwerk sind, sondern einen ins Auge springenden Zug des Katholizismus darstellen. Sie mögen als kurios, antiquiert oder folkloristisch betrachtet und als Randerscheinungen gewertet werden, in ihrer Gesamtheit wirken sie sich höchst nachteilig aus. Denn jedermann und jedefrau muss sich doch sagen: Wäre das alles nur eine Kleinigkeit, dann würde die Kirchenleitung das rasch beseitigen; wenn es aber so schwerfällt, sich davon zu trennen, dann ist das eben keine Nebensächlichkeit mehr und dann lässt das einige Schlüsse auf die Einstellung der Kirchenführer insgesamt zu. Im Mittelalter hatte die feudale Gesellschaft auf die kirchlichen Bräuche abgefärbt und der Kirche ein herrschaftliches Gesicht gegeben. Aber es ist höchst bedenklich, dieses feudalistische Erbe, das selbst schon mit dem vorangegangenen konstantinischen Einfluss belastet und dann noch um den Pomp der Renaissance vermehrt worden ist, bis mitten ins 21. Jahrhundert weiter zu schleppen.

Religiös ohne Gott

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