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Phänomenologische Erhebung
ОглавлениеDie etymologische Bestandsaufnahme führt zu keinem Konsens, wie der Begriff „Religion“ exakt zu fassen ist. Besser geeignet erscheint der Weg einer phänomenologischen Erhebung durch Addition oder Subtraktion. Er geht aus von einem umfassenden Überblick über die Vielfalt der existierenden Religionen in der Welt:
Durch die Addition aller Phänomene kann es gelingen, zu einem Begriff von Religion zu kommen, der ihre Fülle und Vielfalt zu fassen vermag. Die Problematik eines solchen Verfahrens liegt darin, dass die Ränder unscharf und diffus werden. So kann eine breite Palette von Phänomenen als „religiös“ bezeichnet werden, die vielleicht eher als skurril, schwärmerisch oder extravagant zu qualifizieren sind. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob Menschen wegen ihrer bloßen Zugehörigkeit zu einer bestimmten (institutionalisierten) Religion schon als „religiös“ apostrophiert werden dürfen, ob da nicht manches eher als Tradition, Brauchtum oder Folklore einzustufen ist.
Durch Subtraktion aller konkreten Merkmale, Ausprägungen und Bestimmungen stößt man auf den eigentlichen Kern, auf die „Substanz“ von Religion. „Religion“ ist dann zu bestimmen als Bezug des Menschen auf den Wesens-, Existenz- und Sinngrund seiner selbst. Dieser Bezug umfasst ein Erkennen und Anerkennen, ein totales, existenzielles Sich-Einlassen auf einen letzten und tiefsten, transzendenten Grund alles Seins. Eine solche weitgehende, aber keineswegs ausschließlich formale Bestimmung beschreibt die „Religion“ in allen Religionen. Sie kann deutlich machen, dass „Religion“ – so verstanden – zum Menschen als Menschen gehört und von ihm nicht gelöst werden kann.