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8.

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Das Erwachen war unangenehm und Baldur wünschte, weiter in seiner Traumwelt verweilen zu können. Doch leider war dies nicht möglich. Unerbittlich klarten seine Gedanken auf und der Traum zog sich in eine weit entfernte Ecke des Unterbewusstseins zurück. Mit dem Erwachen kamen auch die Erinnerungen zurück, schreckliche Erinnerungen an geflügelte Monster die ein Dorf überfielen! Seinetwegen! Schreiende, kämpfende, sterbende Menschen; Seinetwegen! Und an einen furchtbaren Schatten, der aus dem Nichts aufgetaucht war und ihn mitgenommen hatte. Danach gab es nur noch den Traum, keine Erinnerungen mehr.

Zaghaft öffnete der Junge zunächst nur ein Auge, sofort bereit, es wieder zu schließen, sollte ihm der sich bietende Anblick nicht behagen. Alles sah friedlich aus. Direkt vor sich konnte er saftiges Gras erkennen, durchzogen von einer großen Anzahl Blumen und begrenzt durch einen Ring aus Bäumen. Er wusste sofort, wo er sich befand. Es war die große Lichtung im Wald, unweit seines Elternhauses. Hierher hatte er früher einige Male seine Mutter begleitet, auf der Suche nach Kräutern und Gräsern. Die Lichtung der Blumen wurde dieser Ort genannt.

Baldur setzte sich aufrecht hin und ließ seinen Blick schweifen. Am anderen Ende der Lichtung konnte er einen dunklen Fleck verdorrten Grases ausmachen.

Und vor diesem Fleck hockte sein Entführer.

Baldur erschrak nicht. Es war ihm bewusst gewesen, das diese Kreatur noch in der Nähe sein musste. Er hatte ihn schließlich ganz sicher nicht entführt, um ihn dann in der Nähe seines abgebrannten Zuhauses frei zu lassen. Der Traumfänger plante etwas und Baldur war sich sicher, dass er in Kürze erfahren würde, worin die Pläne dieses Wesens bestanden.

„Ich kann deine Angst riechen.“

Die Stimme des Traumfängers war leise und weich. Er erhob sich und kam zu dem Jungen herüber.

„Du musst dich nicht fürchten. Ich habe nicht vor, dir ein Leid zuzufügen. Ich habe dich hierher gebracht, um dich vor meinen Brüdern zu schützen.“

Baldur wusste nicht, was er erwidern sollte, aber diese Kreatur schien auch nicht mit einer Antwort zu rechnen.

„Im Gras dort drüben liegt die Erinnerung an Daan. Er war es, der deine Schwester entführte und dir die Hand verstümmelte.

Mir scheint, er traf auf sein Schicksal. Nun gut, einer weniger!“

Mit seinen langen, dünnen Fingern berührte der Traumfänger Baldurs Kinn und zwang ihn mit sanftem Druck, ihm in die Augen zu sehen.

„Versuche, meinen Brüdern aus dem Weg zu gehen. Du hast eine Aufgabe zu erledigen! Erfülle die Prophezeiung!“

Der Traumfänger erhob sich und entfaltete seine Flügel.

„Folge dem Pfad zu deiner Rechten, so wirst du auf deine Mutter treffen“

Ein letzter Blick, ein kurzes Flügelschlagen und die Wiese vor Baldur war leer.

Der Junge sprang auf und rannte in die Mitte der Lichtung. Er hob den Kopf, um einen Blick auf dieses seltsame Wesen zu erhaschen, doch sah er nur einen schwarzen Schatten, der sich rasend schnell entfernte und schon bald nur noch als kleiner Punkt sichtbar war.

Baldur wandte sich um und ging langsam auf den Waldrand zu. Der Pfad, von dem der Traumfänger gesprochen hatte, war wirklich nur ein Pfad. Zugewachsen und so schmal, dass der Junge sich die Arme an den Dornen der Büsche aufriss, schlängelte er sich in Richtung des Gebirges davon. Es hatte nicht den Anschein, als sei hier in letzter Zeit jemand entlanggekommen, doch Baldur wusste, dass dies nichts zu sagen hatte. Wenn wirklich seine Mutter diesen Pfad beschritten hatte, so würde niemand ihre Spuren entdecken, denn sie war vorsichtig und versuchte immer, der Natur keinen Schaden zuzufügen. Er hingegen hatte dieses Talent nicht geerbt. Es kam ihm vor, als würden die Bäume und Büsche absichtlich sein Vorankommen behindern.

Während der Junge sich seinen Weg durch das Unterholz bahnte, musste er unaufhörlich an den Traumfänger denken. Es war doch seltsam, dass eine dieser Kreaturen plötzlich auf seiner Seite zu stehen schien. Und doch deutete alles darauf hin, dass die Erstgeborenen einen Verräter in ihren Reihen hatten.

Diese Gedanken beunruhigten Baldur. Wenn er, als unwichtiger, sterblicher Mensch einem derart mächtigen Wesen so wichtig erschien, dass dieses dafür seine Rasse verriet, konnte das nur eines bedeuten: Diese Geschichte war groß, zu groß für ein Kind, wie ihn. Und doch hatte er keine Wahl; es war seine Geschichte.

Immer weiter folgte Baldur dem Pfad, immer tiefer ging er in den Wald hinein und allmählich begann er sich zu fragen, ob dieser Weg denn wirklich ein Ziel haben würde. Schon näherte sich die Sonne dem Horizont. Unter den Baumwipfeln machte sich ein beängstigendes Zwielicht breit, welches schon bald einer tiefen Dunkelheit wich. Baldur konnte fast nichts mehr erkennen und dennoch ging er immer weiter. Seine Angst, im Schlaf von einem wilden Tier überrascht zu werden, war größer als seine Müdigkeit. Außerdem hatte der Traumfänger gesagt, er würde auf diesem Weg zu seiner Mutter gelangen, und nichts wünschte sich der Junge im Moment sehnlicher, so dass er seine Schritte noch einmal beschleunigte.

Hätte er seiner Müdigkeit nachgegeben und irgendwo unter einem Baum oder in einem Gestrüpp die Nacht verbracht, um mit dem ersten Licht des Tages weiterzuwandern, wäre ihm ganz sicher das verlassene Dorf mit den verfallenden Hütten aufgefallen in dem seine Mutter dem tiefen Schlaf der Erinnerung verfallen war. So aber stolperte er im Dunkeln keine zwanzig Fuß an der Stelle vorbei, an der seine Mutter schlief und die blinde Alte im Inneren des Berges murmelte vor sich hin: „ Alles läuft , wie es laufen soll, doch gibt es noch viel zu tun, zu viel.“

Im Bann der Traumfänger

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