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Prolog

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Der Frühling war ein leichter Hauch, eine samtene Berührung, die eine Vorahnung eines wunderbaren Sommers in sich trug.

Sanfte Winde liebkosten, von Süden kommend, die Wipfel der noch jungen Birken. Sie fingen sich in den Ästen und erzeugten ein beinahe melodisches Flüstern, welches den Geist gefangen nahm, die Sinne umschmeichelte. Es ließ die Grenzen zwischen den Realitäten verschwimmen, als wäre man am Rande eines Traumes. Ein Traum von einer Welt, voller Frieden und Harmonie, Glück und Zuversicht. Eine Welt, die es so nicht gab, nicht geben konnte.

Tief drinnen im Wald, dort wo die Birken anderen Bäumen wichen, die älter und kräftiger waren, stand reglos eine alte Frau.

Stumm stand sie dort, die Augen geschlossen, die Nase in den Wind gestreckt, der hier nicht mehr, als ein Lüftchen war. Fast konnte man meinen, es gefiele ihr, wie der Wind ihr Gesicht streichelte und mit ihren langen Haaren spielte.

Doch in Wirklichkeit lauschte sie konzentriert den Stimmen, roch voller Unruhe die Düfte und schmeckte befriedigt die Angst der Menschen, die der Wind zu ihr trug. Ihre Lippen begannen zu zittern, ihre Augenlider zuckten und stöhnend sank sie in das Gras zu ihren Füßen. Mit all ihren Sinnen fühlte sie, dass Veränderungen bevorstanden. Ob zum Guten oder zum Schlechten; wer konnte das sagen? Sie hatte in ihrem Leben schon so viele Veränderungen erlebt und überstanden, warum sollte es dieses Mal anders sein? Sie war alt, sehr alt. Sie war so alt, dass sie sich gar nicht erinnern konnte, jemals jung gewesen zu sein.

Sie ernährte sich vom Leid der Menschen. Jede geweinte Träne, jedes gebrochene Herz, jedes Verbrechen gab ihr Kraft. So lange die Welt blieb, wie sie war, korrupt und ungerecht, brauchte die Alte keine Furcht zu haben.

Und doch gab es etwas, dass noch älter und sehr viel böser war als sie. Dieses Etwas labte sich am Geschmack vergangenen Leids, an den Erinnerungen begangener Missetaten.

Es war der Geruch dieses Wesens, seine heuchlerische Stimme und das Entsetzen, welches es in den Herzen der Menschen verbreitete, was die Alte im Wind gelesen hatte.

Sie konnte nicht ahnen, wie nah sie dem Ende ihres Lebens gekommen war; und es wäre ohne Bedeutung gewesen, hätte sie es geahnt, denn es gab nichts, was sie dagegen hätte unternehmen können.

Leise beunruhigt drehte sie dem Wind den Rücken zu und ging tiefer in ihren Wald hinein. Selbst die ältesten Bäume kannten das Kräuterweib nur als runzlige Alte. Ehrfurchtsvoll flüsternd neigten sich ihre Blätter, denn sie wussten um den Jähzorn und die Macht der bösartigen Vettel.

Getrieben von der Ahnung bevorstehenden Unheils beschleunigte sie ihre Schritte. Es galt Vorbereitungen zu treffen, alte Beschwörungen zu lesen und Boten zu den Schwestern zu schicken.

Im Bann der Traumfänger

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