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Vorwort Die Krise – ein Symptom

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„Die Krise ist überstanden“, so schallt es allenthalben aus den Medien und freudig aus dem Mund manches Politikers. Die Krise ist überstanden? Ja, wenn man damit meint, dass es der Konjunktur wieder besser geht. Aber wie aussagekräftig sind Konjunkturdaten und Börsenentwicklungen, wenn es um das Große und Ganze unserer Wirtschaft und Gesellschaft geht? Wenn es um Griechenland, Portugal und Irland geht? Oder wenn man auf Spanien blickt, das mit chinesischen Staatsfonds seine Sparkassen stützt?

Wer jemals Zeuge von Vorträgen und Diskussionsveranstaltungen zum Thema Finanz- und Wirtschaftskrise war, weiß um den Verlauf solcher Debatten. Sie beginnen bei den Problemen der Finanzwirtschaft und enden in Besorgnis über unser wirtschaftlichdemokratisches System als Gesamtes.

Es offenbart sich da eine tiefe Ahnung, dass etwas nicht stimmt in unserem Zusammenleben und dass die Krise der Finanzmärkte letztlich nur das Symptom einer schweren Krankheit ist, die unser Gemeinwesen erfasst hat. Dann wird vom Prinzip des Egoismus und von der Gier gesprochen, von der ungleichen Vermögenszuteilung, von der Bereicherung der Eliten und vom bedauernswerten Zustand des Staates und der Politik, die beide, so die gängige Analyse, ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen.

Diese Pflichten bestünden darin, die Kohäsion, den Zusammenhalt der Gesellschaft, zu fördern, indem alle Bürgerinnen und Bürger – gleich welcher Herkunft – mit Chancen ausgestattet werden, sich in dieser Gemeinschaft zu verwirklichen. Es geht aber auch um die Verteilung der gemeinsamen Güter unter der Bedachtnahme, dass nicht der eine viel zu viel, der andere aber trotz Arbeit gar nichts habe – weder Vermögen noch Rechte.

Wir sind nicht die erste Generation, die sich in einer existenziellen und moralischen Krise wähnt. Die abendländische Geschichte ist voll von solchen Krisen – aber auch von Konzepten und Ideen zu ihrer Beseitigung. Sie haben ihre Wurzeln teilweise im antiken Griechenland und sind bis heute wirksam. Wir wollen die bedeutendsten von ihnen im ersten Teil des Buches vorstellen.

Platon und Aristoteles bilden den Ausgangspunkt. Ihr Einfluss reicht weit über das Mittelalter hinaus: bis zu den ersten Kapitalisten und – auf der anderen Seite – bis zu den utopischen Sozialisten und Karl Marx. Der Leser wird entdecken, dass einige der bekanntesten ökonomischen Schriften vorsätzlich missverstanden, sinnentstellend interpretiert oder ganz einfach verdrängt wurden – zumeist aus ideologischen Gründen. Er wird aber auch entdecken können, dass viele dieser Ideen heute aktueller wären denn je.

So wie wir in den vergangenen Jahrhunderten die Frage der Gerechtigkeit und der Verteilung innerhalb eines Staates diskutierten, so müssen wir heute auch die Globalisierung und ihre Wirkung auf die weltweite Verteilung der Güter betrachten. Denn das Ungleichgewicht, das von jeher zwischen Entwicklungsländern und Industrienationen besteht, vergrößert sich tendenziell, anstatt sich zu vermindern. Wir haben es also mit einem doppelten Verteilungsdrama zu tun: einem nationalen und einem globalen.

Diese Kapitel werden Basis und Anregung bieten für eine Auseinandersetzung mit Politik und Finanzwirtschaft der Moderne, die den zweiten Teil des Buches bildet. Welche Änderungen in Staat und Wirtschaft sind notwendig, um die Zukunft zu meistern? Welche Reformen braucht das System, um seine Ziele der gesellschaftlichen Kohäsion wieder erfüllen zu können? Wie können vor allem jene wieder gefördert und gestärkt werden, die den Löwenanteil zum Reichtum durch ihre tägliche Arbeit beitragen: die Unternehmer sowie die Arbeiter und Angestellten der Realwirtschaft? Wie kann dieser Mittelstand gefördert und vergrößert werden? Was kann die Finanzwirtschaft zu einer gerechten Verteilung von Chancen und Gütern beitragen? Die im zweiten Teil enthaltenen Antworten auf diese Fragen und konkrete Vorschläge sollen Anhaltspunkte für ein Gemeinwesen des 21. Jahrhunderts bilden. Denn wir wollen nicht den Pessimismus zum Leitmotiv unserer Überlegungen machen. Für Österreich lässt sich doch sagen, dass wir – ökonomisch – noch nie in einer so guten Situation waren. Leider halten viele die gegenwärtigen Zeiten für schlechte. Was wir aber wollen, ist einige Ideen vorstellen, die für manche der offenen Fragen Lösungsansätze bieten. Wir betreiben also vorsichtigen Optimismus – auch wenn’s manchmal nicht ganz leicht ist.

Oliver Tanzer

Josef Taus

Wien, Mai 2011

Umverteilung neu

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