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Drittes Buch Cadmus

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Schon hatte der Gott die trügerische Stiergestalt abgelegt, sich zu erkennen gegeben und bewohnte wieder sein ländliches Kreta, als der Vater, der von nichts wußte, dem Cadmus befiehlt, die Geraubte überall zu suchen. Für den Fall, daß er sie nicht finde, droht er ihm obendrein die Verbannung als Strafe an. [5] So zeigt er sich in ein und derselben Tat liebevoll und grausam. Nachdem er den Erdkreis durchirrt hat – denn wer könnte Iuppiters Schlichen auf die Spur kommen? –, meidet Agenors Sohn als Verbannter Vaterland und Vaterzorn; als Schutzflehender sucht er Rat beim Orakel des Phoebus und fragt, in welchem Land er wohnen solle. [10] »Ein Rind wird dir«, sprach Phoebus, »auf einsamen Feldern begegnen; es hat noch kein Joch zu spüren bekommen und noch nie den krummen Pflug gezogen. Laß dich von ihm führen. Wo es dann im Grase ausruht, sollst du Mauern bauen und sie nach dem Rinde benennen.« Kaum ist Cadmus von der castalischen Grotte herabgestiegen, [15] da sieht er eine Kuh ohne Hirten langsam daherkommen, die kein Zeichen der Dienstbarkeit auf dem Nacken trägt; er folgt ihr nach, setzt mit verhaltenem Schritt die Füße in ihre Spuren und betet in der Stille zu Phoebus, der ihm diesen Weg gewiesen hat. Schon lagen das Bett des Cephisus und die Felder von Panope hinter ihm, [20] da blieb das Rind stehen, hob die mit hohen Hörnern geschmückte Stirn zum Himmel und ließ die Luft von seinem Gebrüll erzittern; dann blickte es sich nach den Begleitern um, die ihm nachfolgten, ließ sich nieder und legte die Flanke ins zarte Gras. Cadmus spricht ein Dankgebet, küßt die fremde Erde [25] und grüßt die unbekannten Berge und Fluren. Er wollte dem Iuppiter opfern; so schickt er Diener, aus einer lebendigen Quelle Wasser für ein Trankopfer zu holen.

Dort war ein uralter Wald, den noch keine Axt verletzt hatte, und mitten darin eine Höhle hinter dichten Weidenruten. [30] Sie bildete ein niedriges Gewölbe aus fest gefügten Steinen und war reich an Quellwasser. Hier verbarg sich in der Grotte eine Schlange, die dem Mars heilig war. Ein goldener Kamm schmückt sie, Feuer sprühen die Augen, der Leib ist ganz von Gift geschwollen, drei Zungen blitzen hervor, in drei Reihen stehen die Zähne da. [35] Als die Männer aus Tyros diesen Hain mit unglückseligen Schritten betreten hatten und der Krug klirrte, den man ins Wasser senkte, reckte aus der tiefen Höhle die blaue Schlange ihren Kopf und ließ ein schreckliches Zischen ertönen. Schon sind die Krüge den Händen entglitten, das Blut weicht aus den Gliedern, [40] und ein plötzliches Zittern ergreift sie, als wären sie vom Donner gerührt. Der Drache aber schlingt sich in rollenden Windungen, bildet schuppige Ringe, im Sprung krümmt er sich zu unermeßlichen Bögen, und weit über die Mitte seines Körpers hinaus reckt er sich in die leichten Lüfte empor, blickt auf den ganzen Wald herab und ist so groß [45] wie die Schlange am Himmel zwischen den beiden Bären in ihrer vollen Länge. Und sofort packt der Lindwurm die Phönizier, gleichgültig, ob sie die Waffen oder die Flucht ergriffen oder ob gerade die Furcht beides verhinderte. Die einen tötet er durch seinen Biß, die anderen durch langewährende Umstrickung, wieder andere durch den Pesthauch des tödlichen Giftes.

[50] Schon stand die Sonne am höchsten, und die Schatten waren klein geworden. Da wundert sich Agenors Sohn, warum seine Gefährten so lange nicht kommen, und geht ihren Spuren nach. Ihn schirmte ein Löwenfell, seine Waffen waren eine Lanze mit blinkender Eisenspitze, ein Wurfspieß und Mut, der besser ist als jede Waffe. [55] Kaum hat er den Wald betreten, die Leichen der Ermordeten erblickt und darüber den siegreichen Feind mit seinem Riesenleib, wie er mit blutiger Zunge schmerzliche Wunden beleckt, spricht er: »Entweder will ich euren Tod, meine Getreuesten, rächen oder mit euch sterben.« Sprach’s, hob mit der Rechten einen Felsen, groß wie ein Mühlstein, [60] und schleuderte den mächtigen Block mit mächtigem Schwung. Durch seinen Aufprall wären steile Mauern mit hohen Türmen ins Wanken geraten, doch die Schlange blieb unverletzt. Wie ein Panzer schützten sie die Schuppen und die harte schwarze Haut. So prallte der kräftige Schlag an ihr ab. [65] Aber dem Wurfspieß widerstand sie nicht mit der gleichen Härte; er blieb mitten in einer Krümmung des geschmeidigen Rückgrats stecken, und die eiserne Spitze drang ganz in ihre Eingeweide. Wild vor Schmerz drehte sie den Kopf dem eigenen Rücken zu, blickte die Wunde an und biß in den Speerschaft, der fest darin stak, [70] lockerte ihn mit großer Anstrengung nach allen Richtungen und riß ihn mit Mühe aus dem Rücken. Die eiserne Spitze freilich blieb in den Knochen stecken. Doch jetzt, nachdem zu ihrer üblichen Wut ein neuer Anlaß hinzugekommen war, schwoll ihr der Hals, und die Adern füllten sich. Weißlicher Schaum trieft rings vom verderbenbringenden Rachen, [75] von den Schuppen gescheuert, dröhnt die Erde, und der schwarze Atem aus dem Höllenrachen schwängert die Luft mit Gift. Bald schließt sie ihre Windungen zu einem ungeheuren Kreis, bald reckt sie sich empor, aufrecht wie der Stamm eines hohen Baumes, bald stürmt sie mit wilder Wucht dahin wie ein von Regen angeschwollener Strom [80] und wälzt mit der Brust Wälder nieder, die ihr im Wege stehen. Da weicht Agenors Sohn etwas zurück, hält in seinem Löwenfell den Angriffen stand und hemmt mit vorgestreckter Lanze den Rachen, der ihn bedrängt. Der Lindwurm ist wütend, versucht vergeblich, das harte Eisen zu verwunden, und will die Zähne in die Speerspitze schlagen. [85] Schon hatte vom giftigen Gaumen Blut zu fließen begonnen und das grüne Gras mit Rot besprengt. Doch die Verwundung war nur leicht, weil sich die Schlange aus der Reichweite der Stöße zurückzog, den verwundeten Hals nach hinten bog, durch Ausweichen verhinderte, daß ein Stoß richtig saß, und die Waffe nicht tiefer eindringen ließ. [90] Endlich stieß Agenors Sohn ihr das Eisen in die Kehle, drängte und schob sie immer weiter vor sich her, bis der Zurückweichenden eine Eiche im Wege stand und ihr Nacken am Holz aufgespießt wurde. Unter der Last der Schlange bog sich der Baum, und er ächzte, weil das Ende des Schwanzes sein Holz peitschte. [95] Während der Sieger den besiegten Feind in all seiner Länge betrachtete, ließ sich plötzlich eine Stimme vernehmen – man konnte nicht erkennen, woher sie kam, aber sie ließ sich vernehmen –: »Was siehst du, Sohn Agenors, die getötete Schlange an? Auch dich wird man als Schlange sehen.«

Für lange Zeit verlor er vor Schrecken Farbe und Fassung zugleich, [100] und es sträubte sich ihm das Haar in kaltem Entsetzen. Doch siehe, da kommt seine Schutzgöttin Pallas durch die Luft herab aus der Höhe und gebietet ihm, die Erde umzupflügen und die Drachenzähne zu säen, den Keim eines künftigen Volkes. Er gehorcht, drückt den Pflug nach unten, zieht eine Furche [105] und streut, wie befohlen, die Zähne als Menschensaat auf den Boden. Da begannen – o Wunder! – die Erdschollen sich zu bewegen, und zuerst zeigte sich in den Furchen eine Lanzenspitze, dann Sturmhauben, auf denen ein bunter Helmbusch nickte; dann erscheinen Schultern, Brust und Arme, die mit Waffen beladen sind, [110] und es wächst eine Saat von Helden heran, die Schilde tragen. So geschieht es im festlichen Theater, wenn der Vorhang heraufgezogen wird: Die darauf abgebildeten Figuren tauchen auf und zeigen zuerst die Gesichter und allmählich das Übrige, bis die ganzen Gestalten sanft aufsteigend hervorkommen, schließlich vollständig zu sehen sind und unten die Füße auf den Rand setzen. [115] Erschrocken über den neuen Feind, schickte sich Cadmus an, zu den Waffen zu greifen. »Tu’s nicht«, ruft einer aus dem Volk, das die Erde hervorgebracht hatte, »und misch dich nicht in unseren Bürgerkrieg.« Dabei erschlägt er einen seiner erdgeborenen Brüder aus der Nähe mit dem erbarmungslosen Schwert. Ihn selbst tötet ein Wurfspieß aus der Ferne. [120] Auch derjenige, der ihm den Tod gegeben hat, lebt nicht länger als er und haucht das Leben aus, das er gerade erst empfangen hat. In gleicher Weise wütet die ganze Schar, und im Bruderkrieg fallen die soeben aus der Erde Aufgestiegenen, indem sie sich gegenseitig Wunden zufügen. Schon schlug die Jungmannschaft, der nur eine kurze Lebenszeit beschieden war, [125] mit warmer Brust die blutige Mutter Erde. Nur fünf überlebten; einer von ihnen war Echion. Er warf seine Waffen auf Befehl der Tritonis zu Boden, verlangte einen brüderlichen Friedenspakt und willigte auch selbst ein. Diese fünf nun hatte der Fremdling aus Sidon als Helfer bei seinem Werk, [130] als er auf Geheiß des Phoebusorakels die Stadt gründete.

Schon stand Theben. Es konnte schon so aussehen, als hättest du, Cadmus, durch deine Verbannung dein Glück gemacht. Als Schwiegereltern hattest du Mars und Venus gewonnen; hinzu kam die Nachkommenschaft von einer so edlen Gattin: so viele Töchter und Söhne und geliebte Enkel, [135] auch diese schon erwachsen. Doch man muß immer den letzten Tag eines Menschen abwarten, und keinen darf man vor seinem Tode und dem Leichenbegängnis glücklich nennen.

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